Eine musikalische Glanzleistung und eine maßvolle Inszenierung führen die Dessauer Tristan-Premiere zum Erfolg

Richard Wagner, Tristan und Isolde  Anhaltisches Theater Dessau, 27. Januar 2024 PREMIERE

Foto © Claudia Heysel   

Die Premiere von Michael Schachermaiers Neuinszenierung des Tristan gelang am vergangenen Wochenende ein umjubelter Einstand. Während ein bestens disponiertes Orchester das Sängerensemble in unerwartete Höhen trug, verzichtete die Inszenierung auf ausufernde Symbolik und glänzte stattdessen mit wirkungsvollen Bildern.

Richard Wagner
Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner

Anhaltisches Theater Dessau, 27. Januar 2024 PREMIERE    

von Lukas Baake

Der Vorhang begann, sich bereits vor den Schlusstakten langsam zu schließen. Umhüllt vom gleißenden H-Dur, das die kunstvoll über viereinhalb Stunden aufgebaute Spannung zu einem erlösenden Schlusspunkt führte, erhob sich die entrückte Isolde und setze sich an einen provisorisch aufgestellten Tisch. Tristan, der kurz zuvor seinen körperlichen und seelischen Wunden erlag, erwartete dort seine Geliebte. Kurz bevor der Vorhang den Blick aus dem Zuschauerraum vollständig verdecken konnte, erhob Tristan hoffnungsvoll seinen Kopf.   Im Schwebezustand zwischen Leben und Tod, entrückt von der trostlosen bretonischen Landschaft, bot das Schlussbild der Neuinszenierung von Michael Schachermeier eine utopische Deutung an, die nach einem kurzen Moment der Stille frenetisch von dem Premierenpublikum bejubelt wurde.

Dabei war es bezeichnend, dass Markus Frank mit besonderen Ovationen bedacht wurde. Der Generalmusikdirektor des Anhaltischen Theaters führte das Orchester souverän und umsichtig durch das farbenreiche und spannungsgeladene Tongewebe der Wagnerschen Partitur. Von dem zügig angesetzten Sehnsuchtsmotiv der Celli im Vorspiel über die mäandernden  Solopassagen der Holzbläser zu den großzügig orchestrierten Schlussakkord des Liebestods überzeugten die Musiker mit einem stringenten und durchsichtigen Klangbild.

Vor dem Hintergrund dieses über die drei Aufzüge entfalteten Klangzaubers verstand es das Sängerensemble zu überzeugen. Iordanka Derilova und Tilmann Unger bildeten ein kongeniales Duo in den Titelrollen, das es vermochte, Bewegung in die bisweilen statische Inszenierung zu bringen.
Derilova hatte bereits vor fünfzehn Jahren in ihrem Dessauer Rollendebut als Isolde brilliert und prägte den Abend mit ihrem kräftigen und warmen Sopran. Auch wenn Tilmann Unger gelegentlich im direkten Vergleich verblasste, setzte er mit seinem kernigen und vollen Timbre prägende Akzente, die anerkennend von dem Publikum goutiert wurden.

Foto © Claudia Heysel

Neben den Titelfiguren war Anne Schuldt als Brangäne das überzeugendste Mitglied des Ensembles: Helle Klangfarben mischten sich bei ihr mit klarer Diktion und makelloser Technik. Auch wenn ein matt klingender Chor und ein überspannt auftretender Kurwenal (Kay Stiefermann) den positiven Eindruck eintrübten, war die Gesamtleistung des Ensembles, nicht zuletzt auch durch Michael Tews überzeugenden Marke, von überragender Qualität.

Eingebettet war diese musikalische Glanzleistung in eine Inszenierung, die auf ausufernde Symbolik, erfindungsreiche Allegorien oder erzwungene Aktualisierungen verzichtete. Im Zentrum stand ein zweistöckiges architektonisches Gebilde, das durch eine geschickte Reduktion und Erweiterung der Bühne immer wieder interessante Konstellationen und Perspektiven ermöglichte. Erdige Farbtöne mischten sich mit Novalisblau und regelmäßig aufsteigende Rauchschwaden verstärkten die morbid-narkotische Grundstimmung der Musik.

Foto © Claudia Heysel

Auch wenn die Kampfszenen mitunter ungeschickt anmuteten, gelang es Michael Schachermaier durch eine geschickte Personenkonstellation und kluge Einfälle, berückende Bilder zu erschaffen. Für die Premierenbesucher hallte somit nicht nur die fluoreszierenden Klangflächen, sondern auch der gleißende Vollmond des zweiten Aufzugs und die hoffnungsvolle Ausdeutung des Liebestods lange nach.

Lukas Baake, 31. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dirigent   Markus L. Frank
Inszenierung   Michael Schachermaier
Bühne   Paul Lerchbaumer
Kostüme   Alexander Djurkov Hotter

Isolde   KS Iordanka Derilova
Brangäne   Anne Schuldt
Tristan   Tilmann Unger
Melot   Barış Yavuz
Kurwenal   Kay Stiefermann
König Marke   Michael Tews
Ein Hirte   David Ameln
Ein Steuermann   Pawel Tomczak
Stimmes eines jungen Seemanns   David Ameln

Jacques Offenbach, Hoffmanns Erzählungen (Les Contes d’Hoffmann), Anhaltisches Theater Dessau, 22. Februar 2020

Leoš Janáček, Die Sache Makropulos (Věc Makropulos), Anhaltisches Theater Dessau, 2. Februar 2020

Vincenzo Bellini, I Capuleti e i Montecchi Staatsoper Hannover, 11. November 2023 PREMIERE 

Piotr Anderszewski, Klavier  Philharmonie, Kammermusiksaal, Berlin, 5. November 2023    

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