© Dario Acosta
Nicht aus der Reihe tanzen. Wenn das der Plan war, ist es Paavo Järvi gelungen. Mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen setzt der estnische Dirigent rein auf Mozart. Benehmen: Schulnote 1! Beim C-Dur Klavierkonzert KV 503 darf aber ruhig der Spitzbub raus. Pianist Daniil Trifonov fügt sich der eleganten Bescheidenheit. Das Publikum bei den Pfingstfestspielen Salzburg honoriert diesen Interpretationsstil.
Daniil Trifonov, Solist
Paavo Järvi, Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Salzburger Festspiele Pfingsten, Großes Festspielhaus, 18. Mai 2024
von Jürgen Pathy
„Ein ungepflegter Kerl“, meint die Dame neben mir. Hätte sie Trifonov vor kurzem nur in Wien gesehen. Die dunklen Haare doppelt so lang, mindestens, der Vollbart ebenso. Zwischenzeitlich hat der russische Starpianist dem Barbier einen Besuch erstattet. Die Ringe unter den Augen sind geblieben, der Bart und die Frisur aber fast schon auf gesittetes Längenmaß zurückgestutzt. Passend zur Interpretation des Klavierkonzerts in C-Dur KV 503, Mozarts ausgiebigstes Klavierkonzert. 15 Minuten alleine der Kopfsatz, ein Allegro. Ein Spielplatz für Mozart, der seine Klavierkonzerte mit virtuosen Raffinessen versehen hat.
TechniSch eine Kleinigkeit, Ausdruck wünschenswert
Trifonov lässt die Kadenz gleich zu Beginn spielerisch leicht hinter sich. Die Rhythmuswechsel im zweiten Satz ringen dem Virtuosen ebenso nur ein müdes Lächeln ins Gesicht. Der Ton allerdings, der wirkt stumpf. Fast schon gezähmt, komplett konträr zu seiner überirdischen Performance wenige Monate zuvor in Wien. Klar, da stand Beethoven auf dem Programm. Später Beethoven mit der „Hammerklaviersonate“ noch dazu. Dennoch kann dieser ermüdend wirkende Duktus, dieses fahle Klangbild, nicht nur Mozart in die Schuhe geschoben werden.
Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen nur bedingt. Dass die nicht in mächtigen Klangwogen versinken, ist von vornherein klar. Das Blech, die Pauke, vor allem die Bögen der Bässe signalisieren es: Historische Instrumente, die nicht auf Effekthascherei getrimmt sind. Noble, dezente Zurückhaltung.
Ein eleganter Ton, den sie beim Klavierkonzert allerdings differenzierter gestalten könnten. Zuckersüß zum Beispiel, wie beim ersten Thema des Andantes der „Jupiter“-Symphonie KV 551, Mozarts letzter Symphonie. Da wirkt dieses Klangbild plötzlich. Vor mir freut sich ein Herr wie ein kleines Kind, rechts daneben wippt eine junge Dame, neben mir schwelgen sie im siebten Himmel. Das Publikum im Großen Festspielhaus in Salzburg tobt.
Zugaben und Randthemen in Salzburg
Geht noch was, deutet Paavo Järvi. Der Konzertmeister nickt. Zugabe. Irgendwas von Prokofiev, meint die Lady neben mir. Tschaikowsky oder Sibelius muss es sein, das man als Zugabe den Salzburgern schenkt. Sanfter Streicherteppich, kaum vernehmbares Piano, fast schon wie bei Teodor Currentzis. Der ist in Salzburg am Rande Gesprächsthema Nummer 1. „Don Giovanni – ich hoffe, dass sie den nicht absagen im Sommer“. Unwahrscheinlich, solange sich der Grieche mit russischem Pass und Wohnsitz keinen kompletten Fehltritt leistet. Intendant Markus Hinterhäuser hält weiterhin am polarisierenden Stardirigenten fest.
An Trifonov, Russe mit Wohnsitz in New York, gibt’s politisch sowieso nichts auszusetzen. Der zählt natürlich zu den Pianisten, denen man nachreisen sollte.
Beim Adagio aus Mozarts Klaviersonate KV 332 findet er auch wieder seinen magischen Ton. Eine Zugabe, die er vor der Pause noch gegeben hatte.
Vielleicht lag`s an der Tagesform oder am Bösendorfer, dass er seine Flügel nicht schon zuvor hat ausbreiten können. Ganz klar ist es nicht. Die Musik ist manchmal unergründlich.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 19. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia Salzburger Pfingstfestspiele, 5. Juni 2022
Daniel Barenboim, András Schiff, Staatskapelle Berlin, Salzburger Pfingstfestspiele