Das war ganz gut und schön, aber soll es so weitergehen?

The Times Are Racing  Staatsoper Hamburg, 28. September 2024 Premiere

Die Choreographen: Demis Volpi, Hans von Manen, Jo Ann Endicott (für Pina Bausch), Justin Peck (Foto: RW)

Demis Volpis Einstand beim Hamburg Ballett

Zusammengefasst war es ein netter, unterhaltsamer Abend, der einen nicht überforderte. Die wirklichen Qualitäten der Hamburger Tänzerinnen und Tänzer wie ihre herausragenden darstellerischen Fähigkeiten, ihr Vermögen, tänzerisch Emotionen zu vermitteln und nicht zuletzt ihre tänzerisch-technischen Fähigkeiten wurden, abgesehen von Hans von Manens Choreographie, kaum gefordert. Die Diamanten und Rubine der Truppe ließ Demis Volpi noch weitgehend im Tresor. Das ist schade.

The Times Are Racing

Pina Bausch: Adagio

Hans von Manen: Variations for Two Couples

Demis Volpi: The thing with feathers

Justin Peck: The Times Are Racing

Musik: Gustav Mahler; Benjamin Britten, Astor Piazzolla u.a.; Richard Strauss; Dan Deacon

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
musikalische Leitung Vitali Alekseenok


Staatsoper Hamburg,
28. September 2024 Premiere

von Dr. Ralf Wegner

Vier Stücke standen auf dem Programm, mit einer angegebenen Nettospieldauer von insgesamt 85 Minuten. Damit überfordert man niemanden, zumal es zwei Pausen gibt. Das Publikum reagierte denn auch nach jeder Kurzaufführung ganz begeistert. Ob diese Begeisterung aber auch anhält oder sich nach jedem neuen Sehen noch steigert, bleibt abzuwarten. Dafür konzentrierte sich alles zu sehr auf den beträchtlichen Schauwert, und hinterließ bis auf das Gefühl, einen netten Abend erlebt zu haben, keinen nachhaltigeren Eindruck.

Demis Volpi steuerte eine im April letzten Jahres beim Ballett am Rhein uraufgeführte Choreographie namens The thing with feathers bei. Es wurde viel über die Bühne gerannt, Pärchen bildeten sich und stoben wieder auseinander.

The thing with feathers: Jack Bruce und Silvia Azzoni (Fotos: Kiran West)

Der mit Volpi zum Hamburg Ballett gestoßene Jack Bruce hatte ein beeindruckendes Solo und Alessandro Frola durfte zeigen, wie gut er in der Luft drehen und wie gut er springen kann. Einzig Silvia Azzoni war es gegeben, mit einem kurzen Auftritt ihr ganzes Können zu zeigen. Die wenigen Minuten der liebevollen Zuwendung an Jack Bruce zeugten nicht nur von der darstellerischen Kompetenz dieser Ausnahmetänzerin, sondern vermochten auch tief im Inneren zu berühren. Anna Laudere, ebenfalls eine herausragende Tänzerin, war solches Glück nicht vergönnt. Genauso wie ihren männlichen Partner, die Ersten Solisten Jacopo Bellussi, Aleix Martinez und Alexandre Riabko, wurde sie, krass gesagt, unter Wert eingesetzt.

The Times Are Racing: Matias Oberlin und Futaba Ishizaki, Caspar Sasse und Ensemble (Fotos: Kiran West)

Das gilt auch für das letzte Stück The Times are Racing nach einer Choreographie von Justin Peck, in dem Anna Laudere oder auch Christopher Evans wenig von ihrem phantastischen Können zeigen durften. Ein schöner Pas de deux war von Matias Oberlin und der neu zum Hamburg Ballett gehörenden Solistin Futaba Ishizaki zu sehen. Ebenso beeindruckten Louis Musin und der noch in der letzten Saison als Aspirant geführte Caspar Sasse mit verschiedenen Soli. Letzterem merkte man die Premierennervosität noch an. Das 2017 beim New York City Ballett premierte Werk führte beim Publikum, wohl wegen seines Broadway-typischen Tanz-Charakters und der mitreißenden Musik von Dan Beacon, zu Beifallsstürmen.

Dem 92-jährigen Hans von Manen standen für seine Choreographie Variations for Two Couples mit Madoka Sugai und Alexandr Trusch sowie Ida Praetorius und Matias Oberlin exzellente Erste Solisten zur Verfügung. In den kurzen Pas de deux sollte es um Varianten der Liebe, aber minimalistisch aufgefasst, also ohne Verzierungen, gehen. Das gelang vor allem dem ersten Paar überzeugend mit symbiotisch verschlungenen Bewegungen.

Variations for Two Couples: Madoka Sugai mit Alexandr Trusch, Ida Praetorius und Matias Oberlin  (Fotos: Kiran West)

Bei dem ersten Stück handelte es sich um eine Einstudierung einer offenbar weitgehend vergessenen Choreographie von Pina Bausch namens Adagio. Es wurde viel hin und gerannt; die Männer hoben die Frauen häufiger in verschiedenen Positionen hoch. Die neue Solistin Charlotte Kragh hatte ein Solo, in dem sie ihre langen Haare nach vorn und nach hinten schleuderte und Lormaigne Bockmühl zeigte am Schluss, wie sie, immer schneller werdend, im Kreis laufen kann. Der Tanz, die Bewegung soll aus dem Atem kommen, so hatte es Jo Ann Endicott in der Ballettwerkstatt erklärt. Vielleicht wurde deswegen soviel gelaufen, je schneller, desto mehr musste geatmet werden.

Adagio: Charlotte Kragh, das Ensemble (Fotos: Kiran West)

Ein Bühnenbild war praktisch nicht vorhanden. Während bei Pina Bausch im Hintergrund noch die Anmutung eines Festsaals mit Bühne zu erahnen war, blieb die Bühne bei den anderen Stücken, abgesehen von einem hinten herunter gelassenen Seestück bei Volpi, praktisch leer.

Zusammengefasst war es ein netter, unterhaltsamer Abend, der einen nicht überforderte. Die wirklichen Qualitäten der Hamburger Tänzerinnen und Tänzer wie ihre herausragenden darstellerischen Fähigkeiten, ihr Vermögen, tänzerisch Emotionen zu vermitteln und nicht zuletzt ihre tänzerisch-technischen Fähigkeiten wurden, abgesehen von Hans von Manens Choreographie, kaum gefordert. Die Diamanten und Rubine der Truppe ließ Demis Volpi noch weitgehend im Tresor. Das ist schade.

Dr. Ralf Wegner, 29. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ballett-Werkstatt I, The Times Are Racing Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 15. September 2024

Krabat, Ballett von Demis Volpi nach Ottfried Preussler Ballett am Rhein, Theater Duisburg, Premiere 1. Juni 2024

Giselle (Ballett) Jean Coralli, Jules Perrot Palais Garnier, Paris, 28. Mai 2024

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