Lorenzo Viotti am Pult der Wiener Symphoniker © Antonia Wechner / Wiener Konzerthaus
Das letzte Festkonzert der Wiener Symphoniker unter Lorenzo Viotti brachte drei Stücke, die vor allem von ihrer Klangwirkung leben. Das symphonische Erstlingswerk “Im Sommerwind” von Anton Webern, das beliebte Cellokonzert von Camille Saint-Saëns mit Sol Gabetta und die groß angelegte symphonische Suite “Scheherazade” von Nikolai Rimski-Korsakow ließen das Publikum jubeln.
Anton Webern
Im Sommerwind. Idylle für großes Orchester
Camille Saint-Saëns
Konzert für Violoncello und Orchester Nr.1 a-moll op. 33
Nikolai Rimski-Korsakow
Scheherazade. Suite symphonique op. 35
Wiener Symphoniker
Violoncello: Sol Gabetta
Dirigent: Lorenzo Viotti
Wiener Konzerthaus, 12. Juni 2025
von Dr. Rudi Frühwirth
Der Abend began mit Im Sommerwind von Anton Webern, seinem Erstlingswerk für Orchester. Webern komponierte es, bevor er 1904 Schüler von Arnold Schönberg wurde. Als Inspiration diente ihm das gleichnamige Gedicht von Bruno Wille. Wie die Gurrelieder seines Lehrers ist das Werk der Spätromantik verpflichtet. Webern schildert freilich nicht des Sommerwindes wilde Jagd, mit der die Tragödie der Gurrelieder in den ewigen Kreislauf der Natur sublimiert und verklärt wird; sein Sommerwind beginnt mit ruhig atmenden Tönen der Kontrabässe, aus denen sich eine fein empfundene, weitgehend sanfte Naturschilderung entwickelt.
Weberns faszinierendes Gefühl für Klangfarben, das sein asketisches, ja minimalistisches Hauptwerk kennzeichnet, ist in diesem seinem ersten Orchesterwerk schon deutlich hörbar. Dirigent Lorenzo Viotti entlockte den Symphonikern delikate Töne und kostete die Höhepunkte wie die Ruhepausen voll aus. Am Ende verklang die Idylle langsam in die Stille, die Unhörbarkeit.
Es folgte das erste Cellokonzert von Camille Saint-Saëns mit Sol Gabetta als Solistin. Das Orchester dominiert in keinem Takt des Konzerts, die Solistin steht stets im Vordergrund. Gabetta beherrscht den virtuosen Solopart natürlich perfekt. Die raschen Triolen des Hauptthemas, die ausdrucksvollen Kantilenen des Seitenthemas, wie auch die technisch höchst anspruchsvollen Stellen im Schlussteil waren bewundernswert ausgeführt. Viotti ließ die Symphoniker aufmerksam und zurückhaltend begleiten.
Das Konzert als ganzes betrachtet hinterließ mir allerdings keinen sonderlich starken Eindruck. Ich schreibe das der recht konventionellen musikalischen Anlage zu, deren harmonisches Repertoire das von Schumann und Mendelssohn kaum übersteigt. Die lautstarke Begeisterung des Publikums war wohl vorwiegend der grandiosen Leistung der Solistin geschuldet. Gabetta bedankte sich mit einer hübschen Zugabe, dem Flamenco für Solocello aus der Suite Espagnole Nr. 1 von Rogelio Huguet I Tagell.

Nach der Pause kam der Höhepunkt des Abends, die symphonische Suite Scheherazade von Nikolai Rimski-Korsakow. Exakt und doch höchst temperamentvoll geleitet von Lorenzo Viotti, bot das Orchester eine Glanzleistung. Die Suite verlangt eine deutlich größere Besetzung als das Cellokonzert, und die Stimmführer aller Orchestergruppen kommen zu Wort. Eine wichtige Rolle spielt die Solovioline; durch sie wird die Stimme der Erzählerin aus Tausendundeiner Nacht hörbar. Konzertmeister Anton Sorokow spielte die zahlreichen heiklen Passagen makellos. Auch die teils traurigen, teils heiteren exotischen Melodien des Mittelteils wurden von Oboe, Klarinette und Flöte wunderschön zum Leben erweckt.
Die Instrumentierung der Suite zeigt, dass Rimski-Korsakow ein wahrer Meister der Orchesterbehandlung war. Das kunstvolle, berückende Klangbild braucht den Vergleich mit Debussy und Ravel nicht zu scheuen.
Ich vermute, dass Igor Strawinski die Partitur der Scheherazade sehr genau studiert hat; anders kann ich mir die Anklänge an den Tanz des Zauberers Kastschej im Feuervogel nicht erklären. Die zahlreichen rhythmischen Wechsel gegen Ende, die schmetternden Akkorde der Trompeten, aber auch die Behandlung des Fagotts als gleichwertiges Soloinstrument in der Holzbläserfamilie ließen mich wiederum an das Sacre du printemps denken.
Nach dem letzten großen Ausbruch des Orchesters beschließt Scheherazade mit den Flageolett-Tönen der Solovioline die Suite. Heftiger Beifall feierte den Dirigenten und das Orchester für eine durchwegs gelungene Interpretation.
Dr. Rudi Frühwirth, 13. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wiener Symphoniker/Sol Gabetta,Lorenzo Viotti, Dirigent Wiener Konzerthaus, 12. Juni 2025
Orchestre national du Capitole de Toulouse, Sol Gabetta Kölner Philharmonie, 12. März 2025