„This is not a small voice“: Werke aus den USA eröffnen furios die neue Elbphilharmonie-Saison

“This is not a small voice” – das gilt für all die Stimmen der Komponistinnen und der Solistin dieses zauberhaften, berauschenden Konzertabends!

Elbphilharmonie Saisoneröffnung 2022/23, Foto: Dr. R. Ströbl

Großer Saal der Hamburger Elbphilharmonie, 30. August 2022

The Philadelphia Orchestra
Angel Blue, Sopran
Yannick Nézet-Séguin, Dirigent

Saisoneröffnung mit Kompositionen von Gabriela Lena Frank, Samuel Barber, Valerie Coleman und Florence Price

von Dr. Andreas Ströbl

In Zeiten hitziger Diskussionen über vermeintliche oder tatsächliche kulturelle Aneignungen darf man dankbar sein, wenn sowohl durch Werke als auch Ausführende bewiesen wird, was für glanzvolle und für Alle verständliche Kulturerzeugnisse entstehen können, wenn man das Beste aus verschiedenen Ethnien und ihrer Schöpfungen kombiniert.

Das sensibel und klug zusammengestellte Programm für das Konzert zur Saisoneröffnung präsentierte neben einem Stück von Samuel Barber hierzulande unbekannte Werke von Gabriela Lena Frank und Valerie Coleman, beides zeitgenössische Komponistinnen, und die erste Symphonie der jüngst zu spätem Ruhm gekommenen Florence Price. Für die zu Unrecht vergessene Musik der ersten Afro-Amerikanerin, die als namhafte Komponistin in den USA bekannt wurde, setzt sich der Dirigent Yannick Nézet-Séguin leidenschaftlich ein und veröffentlichte 2021 eine Einspielung ihrer ersten und dritten Symphonien. „Saisoneröffnung in der Elbphilharmonie, Werke aus der USA
Hamburger Elbphilharmonie, 30. August 2022“
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Elbphilharmonie Hamburg: Ich weiß nicht, ob man ein Konzert als „politisch“ bezeichnen sollte

Foto: © DanielDittus.com

Elbphilharmonie, 13. August 2022

Silvestrov / Chopin / Brahms – Elbphilharmonie Sommer

Ukrainian Freedom Orchestra
Ljudmyla Monastyrska Sopran
Anna Fedorova Klavier
Keri-Lynn Wilson Dirigentin

Valentin Silvestrov
Sinfonie Nr. 7

Frédéric Chopin
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21

Ludwig van Beethoven
»Abscheulicher! Wo eilst du hin?« / Arie der Leonore aus der Oper »Fidelio« op. 72

Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

von Harald Nicolas Stazol

„Sowas hat man seit dem 2.Weltkrieg nicht mehr gesehen“, schreit mir mein Begleiter, der Sohn eines Intendanten und einer Opernsängerin, ins Ohr, er muss es, denn die Ovationen an diesem Abend in der Elbphilhamonie erreichen Orkanstärke, „ein Orchester aus lauter Exilanten“. „UKRAINIAN FREEDOM ORCHESTRA, Silvestrov / Chopin / Brahms
Elbphilharmonie, 13. August 2022“
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Wenig Neues

Foto: © Maxim Schulz

Elbphilharmonie, 10. August 2022

Elbphilharmonie Sommer
Jazz in der Elbphilharmonie

Kenny Barron Quartet:

Kenny Barron piano
Peter Washington bass
Justin Faulkner drums
Jesse Davis saxophone

von Nikolai Röckrath

Magisch, diese Momente vor dem Konzert. Erwartungsvoll steht der glänzende Flügel im Raum, daneben der Bass in yogischer Tiefenentspannung, im „Savasana“. Alles ist bereit für den großen Moment, den Moment, in dem die Saiten in Schwingung versetzt werden und sich das gedämpfte Murmeln im Raum und die darauffolgende sehnsüchtige Stille in Klang verwandeln.

Auftritt der Musiker. Träge, beiläufig betreten sie den nahezu ausverkauften Saal der Elbphilharmonie, finden ihre jeweiligen Instrumente und – noch bevor überhaupt ein Ansatz von Stille den Raum verhüllt – beginnen sie das Murmeln, Husten und Rascheln mit Bill Evans‘ „Like Someone in Love“ zu umspielen. Verweben es mit subtilen, zarten sechzehntel Läufen, sind direkt mittendrin, ganz so als wäre das Publikum soeben ins zweite Set geplatzt. Wenig Raum bleibt da für Zauber.

Gedankensprung. Eine Frage, die mich das Konzert über nicht loslässt aber elementar ist, um darauffolgende Ausführungen einzuordnen: Muss Musik „Neues“ schaffen? Und weiter: Muss mit Kenny Barron ein fast 80-jähriger Pianist in einem seiner etlichen Konzerte womöglich am Ende seiner pianistischen Laufbahn „Neues“ schaffen? Oder Peter Washington, der in seiner langen Wirkenszeit bereits über 450 Titel eingespielt hat und damit womöglich der gefragteste Bassist unserer Zeit ist?

Wenn es die Beiden nicht tun, muss dann zumindest ein Funke „Neues“ von dem nur 31-jährigen Schlagzeuger Justin Faulkner überspringen, etwas Unerwartetes, etwas, das hinhorchen lässt? Etwas, was einen an die Kante des Stuhls rücken lässt, angeregt fragend, wohin die Reise geht und was um Steigerung, spannungsvolle Zerrissenheit und deren Auflösung fleht.
Kurzum, Musik, die bewegt.

Zumindest die übergeordnete Frage beantworte ich für mich mit: Ja. Wer dies nicht tut, möge diesen Eintrag getrost zur Seite legen, möge die einwandfrei vorgetragenen, technisch makellosen und wundervoll klingenden Jazzstandards an diesem Abend genussvoll nachwirken lassen. Denn daran gibt es keine Zweifel: alle hier anwesenden Musiker stehen fraglos mit größter Berechtigung seit Jahren an der Weltspitze und haben in der Jazzwelt dank großer, innovativer Einspielungen bereits ihren eigenen Fußabdruck hinterlassen.

Handwerklich spielen die vier Musiker jeder für sich einwandfrei, spicken ihr Spiel mit schönen melodischen Linien, perlenden Läufen und konstanten, ungehetzten Tempi. Faulkner darf dabei in schnelleren Stücken voranschreiten, wird jedoch stets durch den unaufgeregten Peter Washington auf Linie gehalten, Jesse Davis kreiert besonders in den Balladen wärmste Klänge und schnörkellose Melodielinien auf seinem Saxophon.

Innovative Ideen werden jedoch bei so viel trockener Abgeklärtheit im Keime erstickt. Pflichtbewusst, wenig ambitioniert, ja geradezu eingestaubt wirkt das. Wenig Platz bleibt für die gemeinsame Exploration und das Suchen nach Antworten. Fast schon karikativ, wie Faulkner alle seine explosiven Kräfte zu bündeln scheint vor seinen phlegmatischen Kollegen und sie in seinen Soli immer wieder ansatzweise entflammen. Lichtblick dabei der Auftakt zu Thelonious Monks‘ „Well You Needn’t“, bei dem Barron und Faulkner im Duo einsteigen. Es entsteht kurzzeitig der Eindruck, da säßen sich Lehrer und Schüler gegenüber, wobei der Lehrer diesmal durchaus gewillt ist, seinem engagierten Schüler Gehör zu schenken und dessen Ideen fortzuspinnen. Diese Lebendigkeit und das gegenseitige Eingeständnis zu Fehlern sind an diesem Abend jedoch Mangelware.

Wer vor knapp vier Monaten besagten Justin Faulkner in der Laeiszhalle an der Seite von alten Jazzgrößen wie Branford Marsalis und Joey Calderazzo gehört, gesehen und erlebt hat weiß mit Sicherheit: selbst ein über 30 Jahre hinweg bestehendes Quartett kann sich ständig neu erfinden und sich an einem Abend in absolute Ekstase spielen. Was es dazu braucht: Das absolute Eingeständnis von Experimentierfreude, Lust auf das Neue, das Bedürfnis, mit der Musik etwas auszudrücken, etwas, das unmittelbar von Innen kommt.

Dieses Wagnis geht der heutige Abend nicht ein. Er strebt nach Perfektion und stürzt dadurch ins Klischeehafte. Auch der unerschöpfliche und unübertroffene Ideenreichtum von Kenny Barrons Spiel sowie dessen schlichte Eleganz in den großartigen Alben wie „Live at Bradley’s“, „What if?“ oder „Landscape“ bleiben am heutigen Abend ein uneingelöstes Versprechen.

Nach Blue Mitchells‘ „Fungji Mama“, dem siebten und letzten Stück vor der Blueszugabe treten die Musiker schließlich ganz physisch in Interaktion, etwas ungelenk wirkt die Verbeugung vor den sich genügsam zeigenden, applaudierenden und sich langsam leerenden Rängen.

Kenny Barron merkte gleich zu Beginn über die seit den 80ern nicht mehr besuchte Hansestadt an: „It changed a lot“. Vielleicht ist zu viel Wandel auch gar nicht unbedingt wünschenswert. Zumindest hier und heute bleibt alles beim Alten. Und damals war ja auch nicht alles schlechter, mögen sich einige denken.

Nikolai Röckrath, 12. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Branford Marsalis Quartet, »The Secret Between the Shadow and the Soul«, Laeiszhalle,  4. April 2022

SWR Symphonieorchester, Antoine Tamestit, Viola, Teodor Currentzis, Elbphilharmonie, 2. April 2022

Branford Marsalis Quartet, Elbphilharmonie Hamburg, 9. März 2019

Cello und Klavier im Unisono – was für ein großartiger Auftakt in die neue Konzertsaison!

Elbphilharmonie Hamburg, Großer Saal, 08. August 2022

Foto: Sol Gabetta und Bertrand Chamayou in der Elbphilharmonie © Pressestelle Schleswig-Holstein Musik Festival

Felix Mendelssohn: Sonate für Violoncello und Klavier B-Dur op. 45

Johannes Brahms: Sonate für Violoncello und Klavier e-Moll op. 38

Felix Mendelssohn: „Variationes concertantes“ für Violoncello und Klavier D-Dur op. 17

Frederic Chopin: Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 65

Sol Gabetta Violoncello
Bertrand Chamayou Klavier

von Elżbieta Rydz

Das erste Konzert in der Elphi nach der Sommerpause. Nach zwei Jahren Einschränkungen, leeren Plätzen und Masken fühlt es sich befremdlich an, eng an eng, ohne Maske in dem ausverkauften Saal zu sitzen. Herr Kuhnt begrüßt herzerwärmend die Hörer und führt in seiner pädagogisch leicht verständlichen Art durch die Umstellungen im Programm, gibt Hinweise auf die mathematisch zu errechnende  Zusammensetzung der Stücke und die Gepflogenheiten bezüglich Klatschen, Husten, Handy abstellen.

Mit dem Allegro vivace der Sonate B-Dur von Mendelssohn wird das Konzert eröffnet: sanft aufsteigend schwingen die Instrumente zu ungeahnten Höhen heroischer Kraft. Das Hauptthema spaltet sich dialogisch zwischen der rechten Hand im Klavier und dem Streichinstrument, düster-heroisch herausgelockt, wehmütig drängend im weiteren Verlauf. Aus den beeindruckenden Triolen im Cello entwickelt sich ein Seitenthema: der zart pulsierende Dialog zwischen den Instrumenten steigert sich allmählich und führt zum strahlenden zweiten Thema. Das helle Leuchten ist kurz, fast ungreifbar, flüchtig. Nach der krönenden, brillant gespielten Coda legt schon mancher Hörer die Hände zum Klatschen zusammen…

Foto: Sol Gabetta und Bertrand Chamayou in der Elbphilharmonie © Pressestelle Schleswig-Holstein Musik Festival

Im zweiten Satz Andante legt ein wehmütiges Impromptu in g-Moll sanft wiegend, klanglich bezaubernd, geprägt von zartestem Klavieranschlag Bernand Chamayous und gezupften Cellosaiten Sol Gabettas den Grundstock. Lieblich melancholisch singende Ländlerweise, Pizzicato-Akkorde werden kurz von einem lichten Dur-Moment im Cello durchbrochen.

Das Finale im Allegro assai ist unendlich lyrisch, am Klavier auftrumpfend und schon fast überraschend sanft in dem zurückgenommenen Schluss. Sol Gabetta zieht aus dem 3. Satz die zarteste Konsequenz durch die scheinbar unendliche, konstant warme Bogenführung auf dem letzten Ton. „SOL GABETTA / BERTRAND CHAMAYOU Schleswig-Holstein Musik Festival
Elbphilharmonie Hamburg, Großer Saal, 08. August 2022“
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Gropius-Quartett begeistert mit seinem Programm an der Elbe

Foto: facebook Gropius Quartett @gropiusquartett Gesellschafts- und Kultur-Website

Elbphilharmonie Hamburg, Kleiner Saal, 3. Juli 2022

Camille Thomas, Violoncello
Lily Maisky, Klavier

Gropius Quartett: Friedemann Eichhorn (Violine), Indira Koch (Violine), Alexia Eichhorn (Viola), Wolfgang Emanuel Schmidt (Violoncello)

Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Frédéric Chopin, David Popper und Robert Schumann

Dieses Quartett spielt mit einer Seele vier Instrumente. Zwei Meisterwerke, zwei Raritäten, zwei Zugaben, die zusammen ein Spektrum an Emotionen wecken. So hat die Klassik wieder eine Zukunft!

von Johannes Karl Fischer

So ein begeisterndes, eklektisches Programm habe ich seit Jahren nicht mehr gehört. Zu Zeiten Mendelssohns und Schumanns standen Meisterwerke Seite an Seite mit Uraufführungen, Konzerte waren lebendige Ereignisse, über die die ganze Stadt plauderte. Das waren Zeiten… Solche Programme gehören zum Glück nicht nur der Vergangenheit an, auch 2022 kann man damit HörerInnen begeistern. Prompt bricht der Altersdurchschnitt im Publikum ein, Klassik ist plötzlich nicht mehr nur für alte, weiße Männer.

Mal von dem künstlerischen Niveau ganz zu schweigen… Dieses Quartett spielt mit einer Seele vier Instrumente! Jeder Akkord saß sattelfest, als würde ein einzelnes Instrument fünf und zehn Töne spielen. Melodien verschmolzen zu einem farbenfrohen Klanggemälde, als hätte man eine köstliche Kartoffelcremesuppe im Mund. „Die holde Kunst, sie werde jetzt zur Tat“, hätte Wagner dazu wohl gesagt. Selbst der hartnäckige anti-Semit konnte der Magie eines Mendelssohn-Satzes bekanntlich nicht widerstehen. „Gropius Quartett, Camille Thomas, Violoncello Lily Maisky, Klavier
Elbphilharmonie, 3. Juli 2022“
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Wie sich Wiener Wahn mit italienischem Affekt mischt

Foto: Piotr Beczała © Julia Wesely

Elbphilharmonie, 30. Juni 2022

PIOTR BECZAŁA / KRISTIN OKERLUND / WIENER SOLISTENQUINTETT

Lehár / Strauß / Kálmán

von Jolanta Łada-Zielke

Zwar ist die Elbphilharmonie viel größer als ein Wiener Café; trotzdem habe ich mich an diesem Abend wie in einem solchen Kaffeehaus gefühlt.  Das Wiener Solistenquintett hat mir eine musikalische Melange serviert, die Klavierpartie von Kristin Okerlund war wie eine Portion Schlagsahne. Und ein großes Stück der leckersten Sachertorte war der Auftritt von Piotr Beczała, der eine breite Palette seines Repertoires, von Operetten über künstlerische (in dem Fall neapolitanische) Lieder bis hin zu Opernarien präsentiert hat.

WIEN, WIEN, ÜBERALL WIEN…

Richard Wagner sah eine Verbindung zwischen der Operette und der französischen opéra comique, vor allem in der Thematik: sie sei aus dem Volksleben genommen, die Texte hätten meist komischen Inhalt, voll vom derben und natürlichen Witz. In seinem Aufsatz „Über deutsches Musikwesen“ behauptet Wagner: „ Als vorzüglichste Heimat dieses Genres muss Wien betrachtet werden. Überhaupt hat sich in dieser Kaiserstadt von jeher die meiste Volkstümlichkeit erhalten; dem unschuldigen heiteren Sinne ihrer Einwohner sagte stets das am meisten zu, was ihrem natürlichen Witz und ihrer fröhlichen Einbildungskraft am fasslichsten war“.

Der spätere Schöpfer des „Ring des Nibelungen“ schrieb diese Worte in den Jahren 1840-41 in Paris. Die Operette lief noch in Kinderschuhen. Jacques Offenbach bereitete erst sein Debüt vor, und die größten Komponisten dieser Gattung – Franz Lehár, Emmerich Kálmán und Richard Strauss – kamen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Welt. Wagner gibt als Beispiel das Singspiel „Dorfbarbier“ von Johann Baptist Schenk 1785, „das wohl geeignet war, bei größerer Ausdehnung mit der Zeit das Genre bedeutender zu machen“. Der Komponist vermutete, dass die Operette bei ihrer Verschmelzung mit der größeren Opernmusik untergehen könne. Heute wissen wir, dass sie sich weiter entwickelt hat und ihr Niveau Schritt für Schritt gesteigert ist. Was von Wagner Text bleibt immer noch aktuell? Natürlich WIEN!

„PIOTR BECZAŁA / KRISTIN OKERLUND / WIENER SOLISTENQUINTETT
Elbphilharmonie, 30. Juni 2022“
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Wien, Neapel und Mailand treffen sich in der Elbphilharmonie: So klingt Hamburg am 30. Juni 2022

Es gibt noch Karten! Ein Muss für alle Fans des Weltstars Piotr Beczała… Ein Abend für Liebhaber phantastischer Melodien…

Foto: Elbphilharmonie, Hamburg, © eberhardt-travel.de

„Ein Konzertsaal mit der Bühne in der Mitte und dem Publikum, das rundherum sitzt, eignet sich eher für sinfonische als für vokale Musik, da der Sänger den Klang in eine bestimmte Richtung gestalten muss. Aber vielleicht werde ich eines Tages dort ein Solokonzert singen“, so äußerte sich der große polnische Tenor Piotr Beczała über den großen Konzertsaal der Elbphilharmonie im Februar 2017, als er dort in dem Kleinen Saal seinen ersten Liederabend gab. Am Klavier begleitete ihn damals der legendäre Helmut Deutsch. Seitdem sang der weltberühmte Tenor schon zweimal auch auf der großen Bühne der Elbphilharmonie, zuerst mit der rumänischen Sopranistin Angela Gheorghiu, dann mit der russischen Koloratursopranistin Olga Peretyatko. Die beiden Galakonzerte fanden 2019 statt.

Im Konzert am 30. Juni 2022 um 20:00 Uhr im Großen Saal der Elbphilharmonie begleiten den Sänger: zum einen die mit dem Opernrepertoire vertraute Pianistin Kristin Okerlund sowie das Streicherensemble „Wiener Solistenquintett“ mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker, des für sehr viele Kenner weltbesten und homogensten Klangkörpers der Welt. „PIOTR BECZAŁA / KRISTIN OKERLUND / WIENER SOLISTENQUINTETT
Elbphilharmonie, Hamburg, 30. Juni 20 Uhr, Großer Saal“
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Vom Kriegstrauma zum Märchen – Schostakowitsch und Zemlinsky bieten Schwebezustände

Elbphilharmonie, Photo: Hannes Rathjen

Großer Saal der Hamburger Elbphilharmonie, 26. Juni 2022

10. Philharmonisches Konzert

Dmitri Schostakowitsch, Symphonie Nr. 9 Es-Dur op. 70
Alexander Zemlinsky, Die Seejungfrau

 Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
James Conlon, Dirigent

von Dr. Andreas Ströbl

Von der inneren Ausrichtung her diametral entgegengesetzt sind die beiden Kompositionen, die am 26. Juni 2022 im Großen Saal der Hamburger Elbphilharmonie erklangen. Das Verbindende ist, wie im Programmheft beschrieben, der jeweilige Schwebezustand. Bei Schostakowitsch ist es einerseits das Taktieren und Balancieren zwischen dem Willen zur Umsetzung der eigenen Kunstauffassung und dem Abschätzen der Gefahren seitens des Stalin-Regimes, andererseits das Einsetzen unterschiedlicher, oft gegensätzlicher Ausdrucksformen, was ein Schweben zwischen den Extremen ausmacht. Für Zemlinsky wird dieser Zustand ebenfalls biographisch und künstlerisch konstatiert, da er, wie die Titelheldin seiner Märchenphantasie, zwischen den Welten wandelte und sich als ausgemachter Spätromantiker nicht dafür entscheiden konnte, sich mit der Moderne zu arrangieren.

Schostakowitsch schrieb seine 9. Symphonie als Auftragswerk zur Feier des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland. Künstlerisch lastete auf ihm die magische 9-Zahl, die für solche Giganten wie Beethoven, Schubert, Dvořák und Bruckner die symphonische Schaffensgrenze markierte, aber der gesellschaftliche und damit psychische Druck war viel stärker. Stalins Terrorregime hatte sich gerade erst warmgelaufen und die Angst davor bestimmte Leben und Schaffen nahezu aller, auch der hochdekorierten Kulturschaffenden. Julian Barnes hat mit „Der Lärm der Zeit“ 2017 ein eindrückliches Stimmungsbild dieser Zeit gemalt: Jeden Tag konnte jeder in Ungnade fallen und gestandene Mannsbilder sackten in sich zusammen, wenn man ihnen die Frage „Weiß Stalin davon?“ stellte, die nur noch durch die Bemerkung übertroffen wurde: „Stalin weiß davon“. „10. Philharmonisches Konzert, Dmitri Schostakowitsch, Symphonie Nr. 9 Es-Dur op. 70 Alexander Zemlinsky, Die Seejungfrau
Elbphilharmonie, 26. Juni 2022“
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Schwerer Humor und Alpenglühen – Schostakowitsch und Strauss begeistern zum Saisonabschluss

Alan Gilbert, Foto: Peter Hundert ©

Großer Saal der Hamburger Elbphilharmonie, 25. Juni 2022

Saisonabschluss-Konzert

Dmitri Schostakowitsch, 3. Streichquartett A-Dur op. 73

Richard Strauss, Eine Alpensymphonie op. 64

NDR Elbphilharmonie Orchester
Alan Gilbert, Dirigent
Noah Quartett

von Dr. Andreas Ströbl

Zum Finale der Saison 2021/22 hatten Alan Gilbert und das NDR Elbphilharmonie Orchester den Pianisten Yefim Bronfman eingeladen; er sollte im ersten Teil Béla Bartóks 2. Konzert für Klavier und Orchester spielen. Leider hatte er sich tags zuvor einen Finger verletzt und so präsentierte Alan Gilbert in seiner charmant-lockeren Art das Ersatzprogramm: Das Noah Quartett, bestehend aus Alexandra Psareva (Violine), Bettina Barbara Bertsch (Violoncello), Michael Stürzinger (Violine) und Erik Wenbo Xu (Viola) gab Schostakowitschs 3. Streichquartett in A-Dur, op. 73. Alle vier sind auch Mitglieder des Elbphilharmonie Orchesters und deren Darbietung war weit mehr als nur ein „Plan B“.

Das fünfsätzige Stück aus dem Jahr 1946 ist zwar stimmungsmäßig von den Kriegsjahren geprägt, aber Schostakowitsch spielt hier mit seinem hintergründigen und schweren Humor, indem er vermeintlich einfache Melodien mit seinen typischen Brüchen und Grotesken kombiniert und spielerische Elemente gleich wieder zur Parodie verzerrt. „Saisonabschluss-Konzert, NDR Elbphilharmonie Orchester, Alan Gilbert, Dirigent, Noah Quartett
Elbphilharmonie, 25. Juni 2022“
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Junggebliebener Jahrhundert-Meister: Herbert Blomstedt dirigiert Mozart und Bruckner in Hamburg

Deren Funke zumindest hatte das Publikum im Großen Saal in Schwelbrand gesetzt und erst nachdem Blomstedts rechte Hand langsam gesunken war, brandete der Beifall los. Niemand hatte es gewagt, zwischen den Sätzen zu klatschen, was einerseits an der stillen Autorität dieses Jahrhundert-Dirigenten lag; andererseits wusste dieses Publikum offenbar tatsächlich, was es hier erleben und würdigen durfte.

Foto: © Monika Rittershaus

Großer Saal der Hamburger Elbphilharmonie, 17. Juni 2022

Wolfgang Amadeus Mozart, Symphonie C-Dur KV 338

Anton Bruckner, Symphonie Nr. 7 E-Dur

NDR Elbphilharmonie Orchester
Herbert Blomstedt, Dirigent

von Dr. Andreas Ströbl

Die Konzerttermine für 2023 stehen bereits – dann wird Herbert Blomstedt 96 Jahre alt sein. Der schwedische Maestro hat die Feier seines 100. Geburtstags schon den Wiener Philharmonikern versprochen. Und ja, wer den bescheidenen, charmanten, schlichtweg großartigen Dirigenten
am 17. Juni im Großen Saal der Hamburger Elbphilharmonie erleben durfte, kann da durchaus zuversichtlich sein.

Nicht nur das auswendige, sondern durchweg stehende Dirigat (allein Bruckners „Siebte“ ist ungefähr 70 Minuten lang) ist für Blomstedt Ehrensache – Dirigieren im Sitzen sei „etwas für alte Männer“ bemerkte er augenzwinkernd noch kürzlich in einem Interview. Seinen Verzicht auf Alkohol, Nikotin und Fleisch führt er als Rezept fürs Jungbleiben auf, ebenso seine Verankerung in der Religion und vor allem die Musik, zumal in der Arbeit mit jungen Musikerinnen und Musikern. Vielleicht trägt auch seine sympathische Demut dazu bei, die denen fehlt, die viel Energie damit vergeuden, in dem sie immer die Besten, Strahlendsten sein wollen. „NDR Elbphilharmonie Orchester, Herbert Blomstedt, Dirigent
Elbphilharmonie, 17. Juni 2022“
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