Mit dem Hamburger Kammerballett kommt ein Teil von „Kintsugi“ von Kiel nach Hamburg.
von Patrik Klein
Nachdem im ausverkauften kleinen Saal der Elbphilharmonie Hamburg bereits weite Teile der gerade erst erschienenen CD Musique Mélancholique des Hamburger Pianisten Leon Gurvitch vom bis dahin bereits begeisterten Publikum aufgenommen wurde, öffneten sich die Türen für das Hamburger Kammerballett und der finale Track „Melody from Childhood“ kam noch einmal „da capo“ und mit modernem Tanztheater daher.
Pianist, Komponist und Dirigent Leon Gurvitch; Foto Patrik Klein
A Survivor from Warsaw (Ein Überlebender aus Warschau) op. 46 für Sprecher, Männerchor und Orchester Entstehung: 1947 | Uraufführung: Albuquerque, 4. November 1948 | Dauer: ca. 7 Min.
LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770 – 1827)
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
für Soli, Chor und Orchester mit Schlusschor über Schillers Ode „An die Freude“ Entstehung: 1815; 1822–24 | Uraufführung: Wien, 7. Mai 1824 | Dauer: ca. 65 Min.
NDR Elbphilharmonie Orchester Alan Gilbert, Dirigent
Dominique Horwitz, Sprecher
Susanna Phillips, Sopran
Gerhild Romberger, Alt
Maximilian Schmitt, Tenor
Michael Nagy, Bariton
Rundfunkchor Berlin
Ines Kaun, Einstudierung Rundfunkchor Berlin
Elbphilharmonie, 3. Mai 2024
von Harald Nicolas Stazol
„Den Chor haben wir bis hierher gehört!“, sagt mir mein Ringel-Shirt-Mädchen an der Bar gerade – also über fünfzehn Meter durch den freien Raum bis zur Bar, davor die beiden Fort-Knox Türen des Hauses, dick und schwer und dennoch in hellem Holz – und da fragt sie gerade noch: „Sie gehen schon?“ (ja, ich mag die herausströmenden Massen nicht gerne) – „Ja, was soll denn jetzt noch kommen?“, lache ich, „Die Berliner haben „Freude schöner Götterfunken“ geschmettert, der Saal vibriert von Bravo – wie wir ja auch gerade hören – und alle stehen!“ „NDR Elbphilharmonie Orchester, Alan Gilbert, Dirigent, Beethoven und Schönberg Elbphilharmonie, 3. Mai 2024 “ weiterlesen
Wie studiert man Charles Ives’ 4. Symphonie ein? Denn es gilt ganz zu Anfang, Alan Gilbert und seinem Orchester größtes Lob auszusprechen, ihrer größten Leistung, des noch größeren Orchesters, denn zur Aufführung, die mit absoluter Sicherheit nicht mehr so schnell kommen wird, mit zwei notwendigen Dirigenten, oben, ganz oben links extra Schlagwerk, vorn der hundertköpfige Prager Chor, links auf Ebene 16 nochmal ein Miniorchester samt Harfe, zu schweigen von der donnernden Orgel und drei weiteren Tasteninstrumenten – wie übt man, und beherrscht man diesen unüberschaubaren See aus Musikern? „NDR Elbphilharmonie Orchester, Prager Philharmonischer Chor, Thomas Hampson Bariton Elbphilharmonie, 26. April 2024“ weiterlesen
Gustav Mahler (1860–1911) Sinfonie Nr. 5 cis-Moll (1901/02)
MÜNCHNER PHILHARMONIKER
Dirigent Daniel Harding
Elbphilharmonie, 16. April 2024
von Harald Nicolas Stazol
Ich schreie mich gerade heiser vor Begeisterung, „Bravo“ schreie ich „Bravo, bravo, bravo“, rasend vor Hingerissenheit, ja, ich vergesse mich geradezu, und ich weiß gerade gar nicht genau, wen ich meine, diesen wahnsinns-eleganten Dirigenten Daniel Harding (der beste Export nach dem Brexit), die Münchner Philharmoniker (der beste Export aus Bayern zur Elbe), oder diese Aufführung von Mahlers 5. (der beste Export – ach was, völlig egal), die sich ALLE bei mir in meiner Musikliebe und meiner Mahler-Liebe ohnehin schon jetzt so ins Gedächtnis eingebrannt hat, dass ich die Notizen wohl gar nicht benötige, und ja, ich bin immer noch heiser!
Großer Saal der Hamburger Elbphilharmonie, 14. April 2024
von Dr. Andreas Ströbl
Die „Ewigkeitsfragen“ sind es, „aus denen die Symphonie entstanden ist, die in ihr ihre Antwort finden sollten“ – das sagte Bruno Walter über eines der größten Werke, das je von Menschhand erschaffen wurde, eben über Gustav Mahlers 8. Symphonie. Dass deren Beiname, „Symphonie der Tausend“, der Marketingstrategie Emil Gutmanns entstammte, ist hinlänglich diskutiert worden und es ist auch gar nicht nötig, dass rund 1000 Mitwirkende diese erhabene Schöpfung zum Leuchten bringen. Mögen es bei der Münchner Uraufführung im Jahre 1910 tatsächlich 858 Chormitglieder und ein 171 Köpfe starkes Orchester gewesen sein, so genügte in Hamburg ein rund 200 Stimmen starker Chor und das NDR Elbphilharmonie Orchester.„NDR Elbphilharmonie Orchester / Semyon Bychkov, Mahlers 8 Elbphilharmonie, 14. April 2024“ weiterlesen
NDR Elbphilharmonie Orchester, Chöre und Solisten; Foto Patrik Klein
Mitten in der Mahler-Stadt Hamburg füllt das NDR Elbphilharmonie Orchester gemeinsam mit vier Chören die brillant klingende Elbphilharmonie mit Mahlers monumentaler achter Sinfonie. Unüberhörbar segelt vor allem Andreas Schagers Stahlkraft-Stimme wie ein Wagner’scher Heldentenor hoch über den bis in die Ränge verteilten Musiker.
Paul Hindemith
Trauermusik für Viola und Streichorchester
Wolfgang Amadeus Mozart
Rondo für Violine und Orchester C-Dur KV 373
Georg Philipp Telemann
Concerto G-Dur TWV 51/G9 für Viola, Streicher und Basso continuo
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie A-Dur KV 201
Elbphilharmonie, 5. April 2024
von Harald Nicolas Stazol
Da dreht er sich doch um, Maestro Pinchas Zukerman, der Weltbürger mit dem Welt-Orchester, und bittet mit nach unten strebenden Armen, nun 2100 Menschen dirigierend, zur Ruhe hin, kein Zwischenapplaus bei Mozarts Sinfonie A-Dur bitte, dem letzten Programmpunkt soll das heißen – das Konzert an sich dauert mit 25-minütiger Pause nur anderthalb Stunden – aber wie könnte man nicht klatschen? Bei jedem Satz, bei jedem Takt, bei jeder Note? „English Chamber Orchestra / Pinchas Zukerman Elbphilharmonie, 5. April 2024“ weiterlesen
Georg Friedrich Händel (1685-1759) – Israel in Egypt, Oratorium in zwei Teilen
Dirigent Peter Whelan
Monteverdi Choir English Baroque Soloists
Julia Doyle Sopran
Amy Wood Sopran
James Hall Countertenor
Nich Pritchard Tenor
Jack Comerford Bass-Bariton
Tristan Hambleton Bass-Bariton
Elbphilharmonie, Großer Saal, 26. März 2024
von Iris Röckrath
Frenetischer Jubel für die Protagonisten des groß angelegten Oratoriums, das 1739 in London zur Uraufführung gelangte. Zur damaligen Zeit wurde es nur dreimal aufgeführt und für einige Jahre abgesetzt, weil es den Geschmack des Publikums nicht traf. Viele Stellen wurden von Händel immer wieder verändert und umgeschrieben, bis es ihm dann in den 50er Jahren gelang, durch Einfügen von Arien den Trend der Zeit zu finden. Heute gehört es zu den beliebtesten Stücken, allerdings kann ich den Grund hierfür nicht wirklich sehen.
Was ist nur in den so eleganten Herrn mit den schneeweißen Manschetten einen Platz weiter rechts von mir gefahren? Der Rhythmus ist offenbar direkt in sein Blut! Und auch der andere graumelierte Herr vor mir bricht in Tanzbewegungen aus, so sehr es der knappe Raum seines Platzes in der Elphi erlaubt… und ja, die junge Frau mit dem Elphi-Ausweis um den Hals neben mir, „nun wird es lebensfroh“ sagt sie noch vor der Pause – auch sie swingt plötzlich mit. Zu schweigen vom Mann ganz unten im Parkett ganz rechts, der in den afrikanischen Klängen tatsächlich immer wieder die Arme hochreißt… und der kleine, blonde Steppke hinter mir schnippt schon seit fünf Minuten ekstatisch mit den Fingern – und plötzlich erwische ich mich bei einem zarten Head-Banging, natürlich würdevoll und elphigerecht!
Denn ja, der Saal brodelt. Nein, er kocht fast über. Sowas habe ich wirklich vor Ort noch nie erlebt: Auf den Rängen tanzen die Menschen. Tanzen? Warum?
Weil Angélique Kidjo, die völlig zu Recht berühmteste Stimme des schwarzen Kontinents, gerade „Pata-pata“ gibt, und vorher schon singen wir alle mit, bei „Mama Africa“ der „Afrikanischen Symphonie“, ihr direkt auf den Leib geschrieben, der Schwarzen im seiden-flammend-orangen Kleid und dem azurblauen Turban und doch einigem Schmuck, ich erspähe eine Tansanit Kette samt passenden Ohrringen, da ruft sie, die stimmliche Wucht aus Benin, den Saal auffordernd zum Mitsingen, „das könnt ihr doch besser? Auch als Deutsche?“ – und dann legen wir alle los, und klatschen mit, und singen „Mama Africa“ noch lauter, wer kann der Kidjo und ihrem Anfeuern schon widerstehen – die Elbphilharmonie am Siedepunkt!
„Die African Symphony ist eine Sammlung zeitloser Lieder, die in Afrika und weltweit Eindruck hinterlassen haben – Musik von Legenden wie Miriam Makeba, Fela Kuti und Youssou N’Dour, aber auch von angesagten jungen Künstlern wie Rema und Burna Boy.“ steht im Büchlein, und so kann man wohl von einer „Schwarzen Klassik“ sprechen? Wenn das die political correctnesses erlaubt?
Dass André Heller ein Händchen für tolle Frauen hat, weiß ich, habe ich doch Erika Pluhar, für den „stern“ vor roundabout 20 Jahren auf ihrer Tournee begleitet – aber was er hier und heute Abend auf die Bühne gebracht hat, es spottet jeglicher Beschreibung – aber ich mühe mich nach Kräften!
„Heute ist ein Heute-Heute-Tag“, spricht Heller, das Allround-Genie, gerade zur Einführung im roten Samtsakko, „ein wenig in die Jahre gekommen“ heißt es unten auf dem „Platz der Deutschen Einheit 1“ bei der Raucherpause, „wie wir alle“, aber die paar Sätze, die der Mann mit dem Geschmack für außergewöhnliche Frauen gerade gibt, sind nun wirklich einstimmend-ergreifend, „wir hörten, die ganze Familie, im Radio Salzburg mit Hilde Güden, die Familie saß vor dem Gerät auf dem nie benutzten Ehebett (das sagt er wirklich!), „mir wurde sogar ein kleiner Smoking geschneidert“, und diese Übertragungen waren für Familie samt Zugehfrau eben ein „Heute-Heute Tag“ – und heute Abend kann man den so berühmten Österreicher, der für eine Woche die Philharmonie bespielt, beim Wort nehmen!
Ein „Abend-Abend“-Abend, an einem Donnerstag, der einen aus dem Staunen nicht mehr herauslässt, ich jedenfalls bin total von meinen roten Socken.
Duftend-duftige, aquarellfarbene Rosenblätter auf der Bühne, so beginnt es, in einem Kreis gestreut, ein Mann am Piano, und dann tritt sie auf: Camilla Nylund. So stelle ich mir die Erscheinung der Venus von Milo vor, und in der Berühmt-gerühmten Präsenz im Spotlight scheinen im ausverkauften Haus alle zusammenzuschmelzen in ihre Richtung, ganz ins Zentrum, und, Wunder über Wunder, währen die Grande Dame uns Dispens erteilt, „Sie dürfen gerne nach jedem Song klatschen“ – da kommt man aus dem Klatschen also gar nicht mehr heraus.
Manchmal beginnen große Lieben mit einer Kleinigkeit. Aber wie man diese Finnin, ganz in Schwarz, brillantbestickt, funkelnd, wie ihre so einzigartige Stimme, nicht in Liebe verfallen kann, beim „Great American Songbook“, es ist schlicht unmöglich. Liebe auf den ersten Ton, könnte man sagen, da schwingt sie sich schon empor bei Gershwin, bei „The man I love“, sie hält eine Hand auf dem Steinway (wo ist bloß mein Notizheft? Vor Begeisterung im Apartment verschwunden?) – und ja, man denkt Act after Act, „Das ist mein Lieblingslied, nein das ist mein favourite song, nein der, nein jener…“
Und wie sich Camilla Nylund, „Hellers Lieblingssängerin“, entfaltet, sich nach oben, ganz oben rankend, wie eine Rosenknospe, um ganz oben, schwerelos, beim dreigestrichenen C, aufzublühen, das ist schon ein Naturereignis. Es ist, als sänge eine Fee. 2000 Menschen sind auf einen Schlag verzaubert!
Das Ganze untermalt, höchst erstaunlich, von der „Hamburger Camerata“, einem Orchester, das heute zwischen zwei Kontinenten ja fast ein Kontrastprogramm bietet, von den Swingin’ States zu einem Afrika, mit dem Angélique Kidio auch das „Diverse“ feiern will: „Stellt euch vor, wir sähen alle gleich aus: Schrecklich!“ Doch keine Sorge – zum ersten Male (wann wieder?) ertönt nicht nur absolut überwältigender Applaus, nein, eine Frauenstimme erhebt sich zu dem „ULULULULU“, das zur Folklore gehört, und das nachzusingen ich jedem empfehlen kann, als Ausdruck des Glückes – nur die Warnung vorweg: Einfach ist es nicht!
Zwei Kontinente, zwei Epochen, zwei Sängerinnen, wie sie unterschiedlicher und gegensätzlicher nicht sein könnten.
Und das in Hamburg!
Jenseits von Afrika.
Fehlt nur noch „The man I love“…
Harald Nicolas Stazol, 22. März 2024, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Zwei Sängerinnen aus zwei Musikwelten, ganz in der Musik vereint
Es muss auch nicht immer Klassik sein… das zeigt nun auch die weltbeste Wagner-Isolde im teuersten Klassik-Konzertsaal der Welt. Mit Auszügen aus The Great American Songbook begeistert sie das Hamburger Elbphilharmonie-Publikum ebenso wie die Singer-Songwriterin Angélique Kidjo mit feurigem Gesang und Tanz. So kann auch die Elbphilharmonie mal richtig grooven!
Reflektor André Heller
Camilla Nylund, Gesang Angélique Kidjo, Gesang
Florian Sitzmann, Klavier Amen Viana, Gitarre David Donatien, Perkussion
Hamburger Camerata Christian Reif, Dirigent
Elbphilharmonie Hamburg, 21. März 2024
von Johannes Karl Fischer
Regelmäßig berichtet die Presse teils sehr kritisch über das Publikumsverhalten in der Hamburger Elbphilharmonie.
Klatschen zwischen den Sätzen? Geht gar nicht. Das muss man doch als Klassik-Konzertbesucher wohl wissen! Nun wird mal andersrum ein Schuh draus. Zwischen zwei federleicht gesungenen Nummern ihres Programms aus The Great American Songbook erklärt die Sopranistin Camilla Nylund – die erst kürzlich die hochdramatischen Wagnerpartien Isolde und Brünnhilde zu grenzenloser Begeisterung sang – ganz entspannt in einem kleinen Einschub, anders als in Klassik-Konzerten dürfe man hier nach jeder Nummer klatschen. „Hamburger Camerata, Christian Reif, Dirigent, Camilla Nylund und Angélique Kidjo Elbphilharmonie Hamburg, 21. März 2024“ weiterlesen