Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende...

Ein glücklicher Alexandr Trusch und ein strahlender John Neumeier nach einer überaus erfolgreichen Aufführung des Balletts Beethoven II im Jahre 2022 (Foto: RW)

Kommentar zur aktuellen Situation beim Hamburg Ballett

Warum soll die immense Schatzkiste, die John Neumeier in Hamburg mit kostbarsten Juwelen gefüllt hat, in der Elbe versenkt werden? Um sich anschließend mit Kunstkristallen zu schmücken?

von Dr. Ralf Wegner

Es ist aus Zuschauersicht geradezu furchtbar, Demis Volpi hat die Hamburger Ballett-Truppe gegen sich aufgebracht. Wie man hört und lesen kann, haben sich mehr als die Hälfte der Hamburger Tänzerinnen und Tänzer einer Art Petition an den Kultursenator Brosda angeschlossen: Der Erste Solist Alexandr Trusch, einer der weltbesten Tänzer, hat sich schriftlich an diesen gewandt, um das unter dem neuen Kapitän auf einen Eisberg zusteuernde Schiff des Hamburg Balletts noch aus der Gefahrenzone zu manövrieren. „Kommentar zur aktuellen Situation beim Hamburg Ballett
Hamburgische Staatsoper, 6. Mai 2025“
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Auf den Punkt 56: Der Hamburger Ja-aber-Parsifal

Benjamin Bruns © Sara Schöngen

Andreas Schmidt, der Herausgeber von klassik-begeistert, denkt Tag und Nacht an seine Leser.  Ja, das ist gut für Sie, liebe Leser. Aber für uns Autoren ist das zuweilen recht anstrengend. Vor dem Hamburger Parsifal erreichte mich mal wieder eine SMS von Andreas:

Denk’ dran, die Oper müsste eigentlich Gurnemanz heißen. Denn der hat deutlich  mehr Text zu singen als Parsifal… Andreas hat ja recht. Aber bei der Rollenbesetzung, da hatte Parsifal Priorität. Denn der war mit dem angehenden Hannoveraner Weltklasse-Parsifal-Tenor Benjamin Bruns besetzt.

Richard Wagner,  Parsifal

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

Patrick Hahn, Dirigent

Hamburgische Staatsoper, 4. Mai 2025

 von Jörn Schmidt

Die anderen Sänger, die hatten es schwer, in seinem langen Schatten zu glänzen. Aber der Hannoveraner  Bariton Christoph Pohl (Amfortas), Bass Kwangchul Youn (Gurnemanz) und Bariton Mark Stone (Klingsor), die waren auch nicht gerade ein Totalausfall. „Auf den Punkt 56: Richard Wagner, Parsifal
Hamburgische Staatsoper, 4. Mai 2025“
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Neumeiers Ballett Endstation Sehnsucht hat doch etwas von der Zeitlosigkeit seiner anderen Choreographien verloren

Ana Torrequebrada (Stella), Matias Oberlin (Stanley Kowalski), Ida Praetorius (Blanche DuBois), Christopher Evans (Harold Mitchell), Jacopo Bellussi (Allan Gray) (Foto: RW)

Man musste schon genau hinschauen, um Louis Musins großartige Spagatsprünge und die mit hohem Drehspin gezeigten Tours en l’air im Bühnenhintergrund wahrnehmen zu können. Sein im wahrsten Sinne unter den anderen Tänzern herausragendes technisches Können und seine in anderen Balletten gezeigte intensive Darstellungskunst prädestinieren ihn geradezu zum Ersten Solisten.

Endstation Sehnsucht, Ballett von John Neumeier
nach Tennessee Williams

Musik: Sergej Prokofjew und Alfred Schnittke

Choreographie, Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme und Lichtkonzept: John Neumeier

Pianist: Ondrej Rudčenko, und Musik vom Tonträger

Hamburg Ballett, Hamburgische Staatsoper, 2. Mai 202

von Dr. Ralf Wegner

John Neumeiers Endstation Sehnsucht zählt für mich nicht zu seinen stärksten Werken, anders als seine ebenfalls auf einem Stück von Tennessee Williams basierende Glasmenagerie. Im Gegensatz zu Blanche in der Endstation ist die sich ebenfalls in einer Traumwelt verlierende, aber dennoch ihr Schicksal ohne Harm oder Hass annehmende Hauptfigur Laura in der Glasmenagerie psychologisch tiefer empfunden und berührt die Seele, gerade weil ihr jeder mitleidheischende Effekt abgeht. „Endstation Sehnsucht, Ballett von John Neumeier
Hamburgische Staatsoper, 2. Mai 2025“
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Achim Freyers verrätselte, noch aktuelle Inszenierung kann das Haus nicht mehr füllen

Parsifal, Bühnenbild (Achim Freyer) 2. Aufzug © Hans Jörg Michels

Tempi passati: Wie wäre es mit Wagners Parsifal in Ernst Fuchs’ genialen Bühnenbildern? 

Von den sechs seit 1914 im Hamburger Opernhaus gezeigten Parsifal-Inszenierungen habe ich seit 1968 vier gesehen. Ohne jeden Zweifel war jene des damaligen Opernintendanten August Everding in den Bühnenbilder von Ernst Fuchs (1976) die mit großem Abstand beste.

Parsifal, Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner

Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht: Achim Freyer

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung   Patrick Hahn

12. Vorstellung seit der Premiere am 16. September 2017

Hamburgische Staatsoper, 27. April 2025

von Dr. Ralf Wegner

Der erste Aufzug von Wagners Heilsbringeroper Parsifal hängt schon arg durch. Vor allem wenn dem Haus für die Partie des Gurnemanz keine so charismatischen und allein schon gesanglich die Spannung hochhaltenden Bässe wie Martti Talvela, Kurt Moll oder Peter Rose zur Verfügung stehen. Der auf sein 60. Lebensjahr zugehende südkoreanische Bass Kwangchul Youn gestaltete die Erzählung des Gurnemanz relativ emotionslos und sängerisch leider mit erheblich störendem Vibrato. Inszenierungsbedingt gab es für ihn aber auch keine Möglichkeit, sich mimisch oder darstellerisch stärker einzubringen. „Richard Wagner, Parsifal
Hamburgische Staatsoper, 27. April 2025“
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Meuterei beim Hamburg Ballett? Die Offiziere gehen von Bord

Madoka Sugai und Alexandr Trusch 2017 (Don Quixote) und 2024 (Schwanensee) (Fotos: RW)

Was macht die Weltgeltung des Hamburger Balletts aus? Sicher nicht die austauschbaren, auf die Bühne gehobenen Mehrteiler und auch kaum die Handlungsballette anderer Choreographen. Die Weltgeltung basiert vielmehr auf dem unerschöpflichen choregraphischen Schatz, den John Neumeier hier hinterlassen hat und auf den von ihm gehegten und gepflegten phantastischen Tänzerinnen und Tänzern.

Eine Betrachtung von Dr. Ralf Wegner

Als Meuterei bezeichnet man im Allgemeinen den gemeinschaftlichen Widerstand gegen eine Anordnung der Schiffsführung mit Androhung oder Anwendung von Gewalt. Die Kündigung von 5 Ersten Solisten beim Hamburg Ballett ist demzufolge keine Meuterei, denn es wurde sich weder gemeinschaftlich einer Anordnung widersetzt noch Gewalt angedroht. „Betrachtung: Kündigung von 5 Ersten Solisten des Hamburger Balletts
Hamburgische Staatsoper, 18. April 2025“
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John Neumeiers Version der Matthäuspassion zeugt von tiefer Spiritualität

Aleix Martínez (Foto: RW)

Mit großer Intensität und beispielhaftem Ausdruck gestaltete Ida Stempelmann mehrere Rollen, auch Anna Laudere tauchte mit ihrem Spiel tief in die Passionsgeschichte ein und Artem Prokopchuk zeigte ein wildes, bei ihm die physischen Grenzen sprengendes Solo zu O Schmerz! hier zittert das gequälte Herz!

Matthäus-Passion, Ballett von John Neumeier
Choreographie, Inszenierung und Ausstattung: John Neumeier

Musik: Johann Sebastian Bach

Live-Aufnahme des NDR aus der St. Michaeliskirche vom 29. März 1980 (St.-Michaelis-Chor und -Orchester, Leitung Günter Jena, mit Peter Schreier, Bernd Weikl, Mitsuko Shirai, Marga Schiml und Franz Grundheber)

Hamburgische Staatsoper, 17. April 2025
221. Aufführung seit der Premiere am 10. November 1980


von Dr. Ralf Wegner

Fast vier Stunden Ballett auf der Bühne, das kann nur ein Werk von John Neumeier sein. Und hier treffen drei epochale künstlerische Komponenten zusammen, Johann Sebastian Bachs weltbewegendes kompositorisches Meisterwerk, John Neumeiers geniale Choreographie und eine Staunen machende Balletttruppe, die dieses Ballett bis an die Grenzen des physischen Leistungsvermögens realisiert. „Ballett John Neumeier, Matthäus-Passion
Hamburgische Staatsoper, 17. April 2025“
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Die italienischen Opernwochen nähern sich mit Verdis La Traviata ihrem Ende

Ruzan Mantashyan (Violetta Valéry) (Foto: RW)

Von den gesehenen Opern Maria Stuarda, Rigoletto, Fanciulla, Trovatore und jetzt La Traviata war die Fanciulla mit der herausragenden Besetzung Anna Pirozzi, Claudio Sgura und dem immer noch phänomenalen Tenor Gregory Kunde sicher die Beste.

La Traviata
Melodramma in vier Bildern nach Alexandre Dumas’ Kameliendame

Musik von Giuseppe Verdi

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung   Stefano Ranzani

Inszenierung:  Johannes Erath
Bühnenbild:  Annette Kurz
Kostüme:  Herbert Murauer

Hamburgische Staatsoper, 16. April 2025

von Dr. Ralf Wegner

Die gesanglichen Leistungen reichten von gut bis exzellent

Der Auftritt von Alexey Markov im zweiten Bild ließ aufhorchen. Was für eine große, schwingungsfrei (gemeint: kein störendes Vibrato) den Saal beschallende Stimme; das erinnerte an Sherrill Milnes, dessen „Röhre“ ich noch aus den 1970-Jahren in Erinnerung habe. Allerdings hatte Milnes mehr Glanz in der Höhe. Markovs Gesang wirkte wie ein hochgezogener Bass mit noch beeindruckender Tiefe. Manchmal klang sein Vortrag, etwa beim Di Provenza il mar, il suol, wie die Arie des Fürsten Gremin aus Tschaikowskys Eugen Onegin Ein jeder kennt die Lieb’ auf Erden auf Russisch gesungen. „Giuseppe Verdi, La Traviata
Hamburgische Staatsoper, 16. April 2025“
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Neumeiers Ballett Odyssee fordert Konzentration und Kenntnis der Handlung

Ida Stempelmann (Eurykleia), Madoka Sugai (Kirke), Hayley Page (Kalypso), Florian Pohl (Er, Polyphem), Anna Laudere (Penelope), Edvin Revazov (Odysseus), Ida Praetorius (Pallas Athene), Louis Musin (Telemachos), Alessandro Frola (Antinoos), Francesco Cortese (Leiokritos), Laura Cazzaniga (Antikleia) (Foto: RW)

Louis Musin beeindruckte als sprungstarker, empathischer und darstellerisch präsenter Telemachos. Wie die Pressestelle der Staatsoper mitteilte, hat Ballett-Intendant Demis Volpi diesen jungen 22-jährigen Tänzer für den mit 8.000 Euro dotierten Dr. Wilhelm Oberdörffer-Preis vorgeschlagen.

Odyssee
Ballett von John Neumeier
Choreographie und Inszenierung: John Neumeier

Bühnenbild und Kostüme: Yannis Kokkos
Musik: George Couroupos

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg,
Leitung: Markus Lehtinen

Hamburgische Staatsoper, 11. April 2025

von Dr. Ralf Wegner

Wer seinen Homer kennt, wird sich nicht langweilen

Neumeiers Ballett hat ein umfangreiches Personenverzeichnis, fast 30 Rollen werden benannt. Neben zahlreichen Götter, darunter Pallas Athene (Ida Praetorius), treten Haley Page als Kalypso, Eleanor Broughton als Nausikaa und Madoka Sugai als Kirke auf. Laura Cazzaniga ist Odysseus verstorbene Mutter Antikleia, Florian Pohl gestaltet mit Bravour den einäugigen Riesen Polyphem, außerdem fehlt es nicht an Lästrygonen, Sirenen, Gefährten und Kriegern. „Odyssee, Ballett von John Neumeier
Hamburgische Staatsoper, 11. April 2025“
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Auf den Punkt 54:  Die Sänger-Folge

Foto Archiv Falstaff © Monika Rittershaus

Schreib’ doch bitte mehr über die Sänger, hat mir Andreas Schmidt, der Herausgeber von klassik-begeistert, neulich mit einer schönen Portion Wohlwollen zugerufen. Sänger, Sänger, Sänger. Das interessiert die Leser. Nö, habe ich gedacht und erst mal Folge 50 über den in Wien geborenen Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek abgeliefert. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Denn gestern gab’s in  Hamburg Giuseppe Verdis Alterswerk Falstaff mit einem in der Summe schlichtweg umwerfenden, ziemlich englischen Sänger-Ensemble. Mastermind war indes Finnegan Downie Dear.

Giuseppe Verdi / Falstaff

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

Finnegan Downie Dear / Dirigent

Die Hamburgische Staatsoper, 10. April 2025

von Jörn Schmidt

Sir John Falstaff war mit dem Briten Christopher Purves besetzt. Der katalanische Regisseur Calixto Bieito hat die Titelrolle als primitiven alten Sack angelegt. Lässt ihn als Trottel dastehen, der andere Menschen ausnutzt. „Auf den Punkt 54:  Die Sänger-Folge
Hamburgische Staatsoper, 10. April 2025“
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Puccinis fast vergessener Italo-Western „La fanciulla del West“ kulminiert in einem rauschenden Stimmenfest

Foto: Archiv 2015 © Brinkhoff / Mögenburg

Im Schlussbild des dritten Aufzuges, vom Bühnenbild her eher anspruchslos, kommt es zu einem wahren Stimmenfest auf voll besetzter Bühne. Kein Trauerschmerz, nur Klangschönheit pur. Eine grandiose Aufführung einer Oper, die ohne große Fülle an Einzelarien auskommt und trotzdem ihre emotionale Wirkung nicht verfehlt. 

Giacomo Puccini: „La fanciulla del West“
Oper in drei Akten

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Antonino Fogliani

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Chorleitung: Christian Günther

Hamburgische Staatsoper, 4. April 2025

von Dr. Holger Voigt

Wann bietet sich tatsächlich einmal die Gelegenheit, Giacomo Puccinis Oper „La fanciulla del West“ (deutsch: „Das Mädchen aus dem Goldenen Westen“) auf der Opernbühne zu erleben? Dieses Werk, am 10. Dezember 1910 an der Metropolitan Opera in New York City uraufgeführt, fristet auf den internationalen Spielplänen ein wahres Schattendasein. „Giacomo Puccini, La fanciulla del West
Hamburgische Staatsoper, 4. April 2025“
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