Mozarts „Nozze di Figaro“ überzeugt mit gut geprobtem Ensemblespiel, gesanglich bleiben allerdings Wünsche offen

Ganz anders Ailyn Pérez, die als Contessa interpretatorisch und gesanglich für sich einnahm. Vor allem die große Arie im dritten Akt Dove sono gelang ihr mit sanftig-seidigem, goldbraunem Stimmklang, schwebenden Piani und schönen, raumfüllenden Schwelltönen hervorragend. Christoph Pohl war ein ordentlicher Almaviva, der mit kräftigem, virilem Bariton die Dominanz und Führungsstärke der von ihm dargestellten Figur zum Ausdruck brachte.

Peter Galliard (Don Curzio), Chao Deng (Antonio), Sujin Choi (Barbarina), Jürgen Sacher (Don Basilio), Narea Son (Susanna), Alessio Arduini (Figaro), Nicolas André (musikalische Leitung), Ailyn Pérez (La Contessa d’Almaviva), Christoph Pohl (Il Conte d’Almaviva), Serena Malfi (Cherubino), Ulrike Helzel (Marcellina), Tigran Martirossian (Don Bartolo) (Foto RW)

Staatsoper Hamburg, 15. Juni 2022
34. 
Vorstellung seit der Premiere am 15.11.2015

Wolfgang Amadeus Mozart: Le Nozze di Figaro

 von Dr. Ralf Wegner

Der erste Akt zog sich bis zum Einschlafen, das lag an dem Protagonistenpaar, welches sich zunächst als schwach auf der Brust erwies. Narea Son (Susanna) wurde angesagt, später sang sie freier, in der sogenannten Rosenarie im vierten Akt auch berührender, aber ohne die notwendige Fülle der Stimme, mit welcher auch eine Susanna den Raum fluten kann. Ihr Partner Alessio Arduini (Figaro) verfügte über einen eher schmalen, recht hoch klingenden Bariton mit Schwierigkeiten, sich im Ensemble von der Lautstärke her durchzusetzen. Seine Diktion war dagegen perfekt.

Es ist schon bemerkenswert, wenn das zweite auftretende Paar (Marcellina und Don Bartolo) mit Ulrike Helzel und Tigran Martirossian deutlich prägnanter über die Rampe kam als Susanna und Figaro. Serena Malfi gelang es wiederum kaum, der Figur des postpubertär-schwärmerischen Cherubino mit einem gewissen Maß sexueller Unbestimmtheit spezifisches Profil zu geben. Zudem blieb ihr Mezzo stimmlich kaum im Ohr hängen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Le Nozze di Figaro
Staatsoper Hamburg, 15. Juni 2022“
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Stephan Herheims Figaro-Inszenierung begeistert am Gänsemarkt

Foto: © Karl Forster

Diese äußerst amüsierende Inszenierung gehört zu den Besten der Staatsoper Hamburg. Großes Gelächter im Publikum schon während der Ouvertüre. Zur Pause versinkt das Bühnenbild im Chaos der Notenblätter – besser könnte man diese Handlung nicht illustrieren. Ein Jammer, dass nicht einmal jeder zweite Platz besetzt war.  

Staatsoper Hamburg, 6. Juni 2022

Le Nozze di Figaro
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Lorenzo Da Ponte

von Johannes Karl Fischer

Bei all der Begeisterung für die Inszenierung: Vergessen wir bitte nicht die Stimmen, auch musikalisch war es ein sehr überzeugender Abend. Alessio Arduini in der Titelrolle gab einen herausragenden Figaro, humorvoll wie bestimmt. Sang er am Anfang noch den locker und lustig herummessenden Kammerdiener, machte er in „Se vuol ballare“ ernst: Mit ihm ist nicht zu spaßen, Herr Graf. Das Komödienhafte der Opera Buffa trug er die nächsten drei Stunden dann auf seinen Schultern.

Ihm gegenüber stand mit Narea Son eine brillierende Susanna, die Koloraturen segelte sie auf und ab wie von einem Lüftchen getragen. Beeindruckend – wie schon bei Arduini – auch das höchst deutlich artikulierte Libretto. Die Rezitative waren wahrhaftig rezitierend, wie gesprochene Sprache mit bestimmter Tonhöhe. Man freut sich darauf, mehr von ihr zu hören! „Le Nozze di Figaro, Wolfgang Amadeus Mozart
Staatsoper Hamburg, 6. Juni 2022“
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Emilie Mazońs Dornröschen: Standfest und emotional überzeugend

Foto: Madoka Sugai (Prinzessin Florine), Patricia Friza (Königinmutter), Christopher Evans (Haushofmeister Catalabutte), Emilie Mazoń (Aurora) und Jacopo Bellussi (Prinz Désiré) (RW)

Tiefenspannung ging vor allem von Emilie Mazoń aus. Wie sie den Hoftanzmeister oder die Amme neckte, sich wieder in ihr Buch vertiefte, ihre Eltern anstrahlte, sich vor den prinzlichen Bewerbern fürchtete und sich selbst Mut zusprach, wie sie sich in ihr Traumprinzenbild hineinsteigerte, gleichzeitig aber die um sie Werbenden mit einer gewissen Koketterie vom Halse hielt, war überaus reizvoll anzusehen.

Dornröschen, Ballett von John Neumeier
Musik: Peter I. Tschaikowsky

Staatsoper Hamburg, 28. Mai 2022
Hamburg Ballett

von Dr. Ralf Wegner

In der Lokalzeitung wurde heute von nachlassendem Kartenverkauf in Theatern und Konzerten berichtet. Trotz verkaufter Eintrittskarte würden viele ihre Sitzplätze verfallen lassen und nicht erscheinen. In der Coronaphase ausverkaufte, dann aber abgesagte Konzerte seien zum Teil beim Nachholabend nur noch zu einem Drittel gefüllt. Mancherlei wurde über die Ursachen spekuliert.

Beim Hamburger Ballett trat solches nicht ein, die im Juni 2021 geplanten und dann abgesagten Dornröschenaufführungen wurden jetzt nachgeholt. Und alle kamen, heute selbst die Älteren des Sonntagsabonnements. Kein Platz blieb leer, auch nicht an den anderen Aufführungstagen. Neumeier hat offenbar ein treues Publikum, welches alle möglichen Widrigkeiten in Kauf nimmt, um die Vorstellungen zu sehen; für die Oper gilt das nicht in diesem Ausmaß, selbst hochkarätig besetzte Aufführungen finden vor nicht wenigen leeren Plätzen statt. „Dornröschen, Ballett, Musik Peter I. Tschaikowsky
Staatsoper Hamburg, 28. Mai 2022“
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Alina Cojocaru und Alexandr Trusch – welch schönes, inniges Bild

Foto: Alina Cojocaru (Prinzessin Aurora) und Alexandr Trusch (Prinz Désiré) beim Schlussbeifall; links Niurka Moredo (Auroras Amme), Haley Page (Die Königin), Florian Pohl (König Florestan XXIV.), ganz rechts Patricia Friza (Die Königinmutter) (Foto: RW)

Was Trusch, der fast die ganze Zeit auf der Bühne stand, schon physisch leistete bis hin zum furiosen Schluss-Solo war allein schon aller Begeisterung wert. Wie er den Prinzen darstellte, mit welcher Sensibilität er sich seinen träumerischen Empfindungen hingab oder mit welcher Zartheit er sich Aurora näherte, zeugte von seiner hohen Darstellungskunst. Tanz ist bei Trusch Ausdruck der seelischen Verfassung der von ihm dargestellten Person, dazu kommen seine exzellenten Sprünge, perfekten Doppeldrehungen und sein phänomenales Hebevermögen.

Staatsoper Hamburg, 27. Mai 2022

Dornröschen
Ballett von John Neumeier

Peter I. Tschaikowsky, Musik

von Dr. Ralf Wegner

Was für ein Unterschied zur Berliner Dornröschenaufführung. Die Sprünge von Alexandr Trusch als Prinz Desiré waren der Freude und der Liebe geschuldet, jene von Daniil Simkin in Berlin einer vollendeten artistischen Leistung. Was Trusch, der fast die ganze Zeit auf der Bühne stand, schon physisch leistete bis hin zum furiosen Schluss-Solo war allein schon aller Begeisterung wert. Wie er den Prinzen darstellte, mit welcher Sensibilität er sich seinen träumerischen Empfindungen hingab oder mit welcher Zartheit er sich Aurora näherte, zeugte von seiner hohen Darstellungskunst. Tanz ist bei Trusch Ausdruck der seelischen Verfassung der von ihm dargestellten Person, dazu kommen seine exzellenten Sprünge, perfekten Doppeldrehungen und sein phänomenales Hebevermögen. Er durchschritt erneut die Bühne mit Anna Laudere als gute Fee, hochgestreckt getragen auf der nach oben gereckten linken Handfläche, ohne die rechte zum unterstützenden Halten nutzen zu müssen. Welch schönes, inniges Bild. „Dornröschen, Ballett von John Neumeier
Staatsoper Hamburg, 27. Mai 2022“
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„Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc – „Die Angst klebt wie eine Maske auf der Haut“

Fotos: © Paul Brinkhoff/Birgit Mögenburg

Staatsoper Hamburg, 19. Mai 2022

Francis Poulenc
Dialogues des Carmélites

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano  Dirigent
Nikolaus Lehnhoff  Inszenierung

von Dr. Andreas Ströbl

Nur wer schon einmal existentiell bedrohliche Situationen erlebt hat, kann ermessen, was es wirklich heißt, Angst um jemanden zu haben und wie zerbrechlich das menschliche Dasein ist.

So ging es Francis Poulenc, als er 1955 sein tragisches Meisterwerk „Dialogues des Carmélites“, also „Gespräche der Karmeliterinnen“, vollendete. Sein Lebensgefährte Lucien Roubert starb nach schwerer Krankheit, als er gerade die letzten Takte der Oper komponierte. Im Jahr zuvor musste sich Poulenc bereits nach einem Nervenzusammenbruch stationär behandeln lassen und so nimmt es nicht wunder, dass seine wichtigste Oper tief durchdrungen ist vom Wissen um die Angreifbarkeit des menschlichen Lebens, was sich auch musikalisch in drohenden, düster vorausweisenden Motiven offenbart.

Nach einer früheren Krise im Jahre 1936, ausgelöst durch den Unfalltod eines Kollegen, und seinem Aufenthalt im Kloster Rocamadour hatte der Komponist zur Religiosität seiner Kinderzeit zurückgefunden. Diese Frömmigkeit schlug sich inhaltlich in den „Dialogues“ nieder, wobei das Libretto alles andere als unreflektiert oder naiv-religiös gefärbt ist. Es basiert auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Georges Bernanos, dem wiederum die Novelle „Die Letzte am Schafott“ von Gertrud von Le Fort zugrunde liegt. „Francis Poulenc, Dialogues des Carmélites
Staatsoper Hamburg, 19. Mai 2022“
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John Neumeiers Ensemble fesselt von der ersten bis zur letzten Minute

Bei der heutigen Vorstellung wurde gefilmt (französische Produktionsfirma Telmondis für Mezzo TV  und der japa­nischen Rundfunkanstalt NHK). John Neumeier trat zu Beginn vor den Vorhang und bat um Ruhe während der gesamten Aufführung. Da der Ton mitgeschnitten würde, möge man zudem von Zwischenbeifall absehen und auch nicht seiner Verwunderung ob des sehr langen Tisches am Anfang des zweiten Aktes Ausdruck geben. Bei der Veran­staltung vor einer Woche hatte es deswegen Gelächter ge­­geben. Neumeier meinte, eine (durchaus sinnfällige) Asso­ziation mit dem weltbekannten Tisch (aus dem Kreml) sei nicht beabsichtigt.

Foto: Das Anna-Karenina-Ensemble (Aufnahme vom 06. Mai 2022, RW)

Staatsoper Hamburg, 13. Mai 2022

Anna Karenina
Ballett von John Neumeier, inspiriert von Leo Tolstoi

von Dr. Ralf Wegner

Während der Aufführung vor einer Woche kollabierte offenbar je­mand im Parkett in der Mitte der zweiten Reihe. Nach ei­niger Unruhe ließ der Dirigent nicht weiter spielen; Anna Laudere, gerade die Entbindungsszene hinter sich, verharr­te, regungslos ins Publikum schauend, auf ihrem Kreiß­saalbett. Es dauerte eine Weile, bis sich Fachpersonal zur erkrankten Person durch die Reihe quetschte und noch länger, bis das Publikum dieselbige verließ und den weiteren Helfern Platz machte. Am Ende gab es noch zwei kleine technische Pannen, zum einen entgleiste der Spielzeugzug nicht richtig, denn er spuckte keine Blitze, sondern blieb einfach stehen. Als Anna Laudere sich zeitgleich nie­derwarf, versank sie nicht wie sonst sofort in der Unter­bühne, sonder verblieb noch eine zeitlang regunsglos auf der schmalen Hebevorrichtung liegen.

Wir saßen während jener Aufführung in der 16. Reihe. Drei Reihen vor uns filmte eine Dame mit ihrem Handy fast un­unterbrochen die ersten Szenen. Infolge der Blendung durch das hochgehaltene helle Display wurde die Konzen­tration auf das Bühnengeschehen deut­lich beeinträchtigt. Aber niemand der Umsitzenden beschwerte sich. Schließ­lich rief ich leise nach vorn, man möge vorn das Handy ausschalten. Die Dame folgte dem Rat und drängelte sich 5 Minuten später durch die Zuschauerreihe und begab sich zum Ausgang.

NEUMEIERS BALLETT ANNA KARENINA WURDE VERFILMT

Bei der heutigen Vorstellung wurde gefilmt (französische Produktionsfirma Telmondis für Mezzo TV  und der japa­nischen Rundfunkanstalt NHK). John Neumeier trat zu Beginn vor den Vorhang und bat um Ruhe während der gesamten Aufführung. Da der Ton mitgeschnitten würde, möge man zudem von Zwischenbeifall absehen und auch nicht seiner Verwunderung ob des sehr langen Tisches am Anfang des zweiten Aktes Ausdruck geben. Bei der Veran­staltung vor einer Woche hatte es deswegen Gelächter ge­­geben. Neumeier meinte, eine (durchaus sinnfällige) Asso­ziation mit dem weltbekannten Tisch (aus dem Kreml) sei nicht beabsichtigt. „Ballett von John Neumeier, inspiriert von Leo Tolstoi, Anna Karenina
Staatsoper Hamburg, 13. Mai 2022“
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Anna Karenina – Neumeier gelingt es, die volle Bandbreite an Empfindungen von tiefer Trauer bis zum innigen Glück darzustellen

Aleix Martinez und Emilie Mazoń sind Lewin und Kitty, wie direkt aus Tolstois Roman entsprungen. Beide sind in ihrer darstellerischen Kraft unübertrefflich. Wie Martinez im ersten Akt unter einem übergroßen Mond von einem Heuballen herabsteigt und über Gott und die Welt sinniert (Cat Stevens: Moonshadow), ist großartig choreographiert und von dem Ersten Solisten des Hamburger Balletts mit dem ihm eigenen körperlichem Einsatz unnachahmlich interpretiert.

Italien-Pas de deux: Edvin Revazov (Graf Wronsky) und Anna Laudere (Anna Karenina) (Foto: Kiran West)

Staatsoper Hamburg, 6. Mai 2022

Anna Karenina
Ballett von John Neumeier, inspiriert von Leo Tolstoi

von Dr. Ralf Wegner

In Tolstois Roman gibt es zwei Personen, die eher negativ gezeichnet werden, das Geschwisterpaar Anna und Stiwa. Beide betrügen ihre Ehepartner, nur sie wird dafür gesellschaftlich abgestraft. Nicht wegen des Verhältnisses mit dem Grafen Wronsky, sondern wegen ihrer Unfähigkeit, das Liebesverhältnis unter der Decke zu halten. Sie will beides: Die gesellschaftliche Stellung und damit ihren Sohn Serjoscha nicht verlieren und gleichzeitig den Geliebten auf ewig an sich binden. Anna scheitert aber an dem Zwiespalt, wird eifersüchtig und entledigt sich des Konflikts durch Suizid „Ich kann sie nicht miteinander vereinen – und gerade das ist für mich eine Lebensnotwendigkeit. Wenn mir dies versagt bleibt, ist mir alles andere gleich, vollkommen gleich“. „Anna Karenina, Ballett von John Neumeier,
Staatsoper Hamburg, 06. Mai 2022“
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Richard Wagners „Tannhäuser“ kommt als skurriles Aussteiger-Kino auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper

Die Gesangssolisten zeigten – bis in die kleinsten Nebenrollen hinein – sehr gute Leistungen, die sich gleichermaßen auch auf darstellerische Aspekte beziehen. Es war den Mitwirkenden anzusehen, dass ihnen diese Opernaufführung sichtlich (Spiel-)Freude bereitete.

Foto: Klaus Florian Vogt, © Brinkhoff/Mögenburg

Hamburgische Staatsoper, 1. Mai 2022, Premiere B

Richard Wagner   Tannhäuser

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano   Musikalische Leitung

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Eberhard Friedrich   Leitung

Inszenierung: Kornél Mundruczó
Bühnenbild: Monika Pormale
Kostüme: Sophie Klenk-Wulff
Licht: Felice Ross
Dramaturgie: Kata Wéber

von Dr. Holger Voigt

Wer in Bayreuth die Biogasanlage der Tannhäuser-Inszenierung von Sebastian Baumgarten mit Erfolg überstanden hat, den kann so leicht nichts mehr schrecken, was weitere Neuinszenierungen anbetrifft. Gerade das ist ja der primäre Spannungsbogen, den jede Neuinszenierung umgibt.

Kornél Mundruczós Interpretation an der Hamburgischen Staatsoper zeigt die Welt einer Hippiegeneration, die schlussendlich bemerkt hat, dass die 68er-Jahre vorübergezogen sind und Realitäten hinterlassen haben, die nicht mehr in die utopische Lebensvision der Protagonisten hineinpassen. Folglich kommt es zu dem Versuch, aus dem Bisherigen auszubrechen, was natürlich nicht gelingen kann, da es die eigene Identität betrifft.

Immer und immer wieder will Tannhäuser zurück in diese Traumwelt, die er als Venusberg nur allzu gut als Zufluchtsstätte kennt. Doch dort gibt es keine Perspektive für ihn, und die „Draußen-Welt“ bietet sie auch nicht an, da sie zunehmend bedrohlich und beschwerlich geworden ist. Das alles wird in bunten, zum Teil bizarren, aber durchaus gelungenen Bühnenbildern visualisiert. So zeigt sich ein undurchsichtiges Dschungelpanorama nebst einem Kletterfelsen, dem man die Lebensbeschwernisse unvermittelt ansehen kann. Andere Szenenbilder zeigen den Sängerwettstreit inmitten einer Partygesellschaft, die allerdings nicht ganz ernst zu nehmen ist, da sie wiederholt durch kleine Slapstick-Ereignisse unterbrochen wird, wenn beispielsweise Geschirrtabletts geräuschintensiv zu Boden fallen oder Husten- und Lachanfälle einzelner Gäste Störungen hervorrufen. „Richard Wagner, Tannhäuser,
Hamburgische Staatsoper, 1. Mai 2022, Premiere B“
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"Tannhäuser" in HH: weder übermäßig innovativ noch allzu traditionell

Staatsoper Hamburg, 24. April 2022
Richard Wagner, Tannhäuser (Premiere)

von Jolanta Łada-Zielke

 Weiße Hirschköpfe und leuchtende Palmenblüten prägen den „Tannhäuser“ in der Staatsoper Hamburg

Kornél Mundruczós Neuinszenierung des „Tannhäuser“ in der Staatsoper Hamburg ist weder übermäßig innovativ noch allzu traditionell, immerhin interessant und stört die Musik nicht, sondern ergänzt sie. Ich schließe mich also der Meinung anderer Kollegen an, die überrascht sind, warum der Dirigent Kent Nagano und das Regieteam einige Buhrufe von dem Publikum bekommen haben. „Richard Wagner, Tannhäuser (Premiere)
Staatsoper Hamburg, 24. April 2022“
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Tannhäuser steigt aus dem Palmenhain

Im Gegensatz zum Lohengrin, Parsifal oder Siegmund ist Tannhäuser kein unbefleckter Held, Vogts knabenhelles Timbre irritiert daher vor allem im Zusammenklang mit dem üppigen, sinnlichen und expansiven Mezzo von Tanja Ariane Baumgartner. Seine Stimme liegt aber immer sicher über dem Orchester, und nach dem seelischen Zusammenbruch gegen Ende des zweiten Aufzugs passt der helle Klang auch besser zum kindlich-reuigen Sünder.

Der sich verbeugende Klaus Florian Vogt (Tannhäuser) im Palmenhain (Foto: RW (c))

Staatsoper Hamburg, 24. April 2022 PREMIERE

Richard Wagner, Tannhäuser

 von Dr. Ralf Wegner

Im Programmheft werden die Schwierigkeiten erwähnt, den Part des Tannhäuser zu singen.  Der dort gelobte Hans Beirer (1969) verfügte zwar immer über die notwendige Kraft für diese Rolle, sein Gesang war aber stets von einem starken Tremolo beeinträchtigt. Ernst Kozub (1971) überwand nie seine hölzerne Darstellungsart, Günther Neumann (1994-96) beeindruckte weniger mit gesanglichem Wohlklang als mit außergewöhnlich überzeugender Darstellungskunst. John Treleaven (2002/07) sang gut, ebenso Peter Seiffert (2019 in Berlin), besser noch Stephen Gould (2007), während Lance Ryan 2014 gnadenlos unterging. Im Programmheft wird bezüglich des heutigen Tannhäuser Klaus Florian Vogt bereits eingeschränkt, dass er „mit seiner hellen, manchmal beinahe ins Knabenhaft changierenden Stimme nicht den üblichen Klangerwartungen an Wagners schwere Helden“ entspreche.

Denn im Gegensatz zum Lohengrin, Parsifal oder Siegmund ist Tannhäuser kein unbefleckter Held, Vogts knabenhelles Timbre irritiert daher vor allem im Zusammenklang mit dem üppigen, sinnlichen und expansiven Mezzo von Tanja Ariane Baumgartner. Vogts Stimme liegt aber immer sicher über dem Orchester, und nach dem seelischen Zusammenbruch gegen Ende des zweiten Aufzugs passt der helle Klang auch besser zum kindlich-reuigen Sünder. Tannhäusers Erbarme Dich mein-Rufe habe ich so deutlich und überzeugend noch nie gehört. „Richard Wagner, Tannhäuser,
Staatsoper Hamburg, 24. April 2022 PREMIERE“
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