"Hänsel und Gretel" – ein wunderbares Werk mit phantastischer Musik lässt keine Langeweile aufkommen

Foto: (C) Jörg Michel

Traditionell zur Weihnachtszeit entführt die Staatsoper Hamburg in die Märchenwelt mit Aufführungen von Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“, dem mit Abstand bekanntesten und beliebtesten Werk des spätromantischen Komponisten. Lediglich vier Aufführungen stehen diese Saison zu Buche, von denen jeweils zwei an einem Tag dargeboten werden.

Staatsoper Hamburg, 12. Dezember 2021

Engelbert Humperdinck,  Hänsel und Gretel

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Volker Krafft Musikalische Leitung

von David Nagel

Eine Vorgehensweise, die wohl sonst keine Oper erfährt und weswegen es nicht verwunderlich ist, dass einige Rollen doppelt besetzt sind: So werden die beiden Titelfiguren, Mutter Gertrud sowie die Knusperhexe in den beiden jeweiligen Tagesvorstellungen von unterschiedlichen Sängerinnen bzw. Sängern dargestellt – interessant hierbei vor allem, dass die Hexe in der Nachmittagsperformance von einem Mann (Jürgen Sacher) und am Abend von einer Frau (Hellen Kwon) verkörpert wird. „Engelbert Humperdinck, Hänsel und Gretel,
Staatsoper Hamburg, 12. Dezember 2021“
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Überragendes Ensemble begeistert das Publikum bei der dernière Agrippina

Julia Lezhneva ist als Poppea der eigentliche Star des Abends. Was für eine Geläufigkeit der Stimme, schimmernden Perlen gleich ist ihre Emission, glitzernde Staccati, wunderbar klangvolle, lang gehaltene Piani, aber auch berückende Tonbindungen führen nach ihrer Auftrittsarie beim enthusiasmierten Publikum zu überwältigendem, lang anhaltenden Jubel.

Staatsoper Hamburg, 15. Dezember 2021

Georg Friedrich Händel, Agrippina

 

Foto: Franco Fagioli (Nerone), Alice Coote (Agrippina), Julia Lezhneva (Poppea), Iestyn Davies (Ottone), Luca Tittoto (Claudio), Renato Dolcini (Pallante), vorn Riccardo Minasi (musikalische Leitung) (Foto RW)

von Dr. Ralf Wegner

Ich würde mich nicht als Freund von Barockopern bezeichnen, zu viel ratternde Nähmaschine, zu hoch liegende Männerstimmen, zu viel Kammerspiel, oft zu elegisch und von der Handlung her hahnebüchen bis undurchsichtig. Das gilt auch für Händels Oper Agrippina.

Schon die altrömische Historie ist komplex: Agrippina die Jüngere (16-59), Gründerin der Stadt Köln, Urenkelin des Kaisers Augustus (-63-14), Tochter des Germanicus (-15-19), in dritter Ehe mit ihrem Onkel, Kaiser Claudius (-10-54), verheiratet, versucht, ihrem Sohn aus erster Ehe, Nero (37-68), die kaiserliche Nachfolge zu sichern. Die schöne Poppea (32-65) heiratet in zweiter Ehe Otho (32-69), einen Gefolgsmann Neros, aber offenbar mit dem Hintergedanken, über diesen den Kaiser Nero selbst zu ehelichen; was ihr in dritter Ehe gelingt. Die ihr im Wege stehende Agrippina wird von Nero ermordet, Poppea später von Nero ebenfalls getötet.

Händels Oper Agrippina schildert eine raffinierte, intrigante Agrippina und eine ebenso mit weiblicher Raffinesse vorgehende Poppea. Die beiden Damen gegenüber stehenden sechs Männer sind mehr oder weniger selbstverliebte Gockel, die den Frauen auf den Leim gehen. „Georg Friedrich Händel, Agrippina
Staatsoper Hamburg, 15. Dezember 2021“
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Die Inszenierung ist bewegungsarm und spartanisch – Pretty Yende beeindruckt als Violetta

Foto: Pretty Yende © 2021/Hans Jörg Michel

Zum vorletzten Mal in diesem Jahr steht in der Staatsoper Hamburg Giuseppe Verdis „La Traviata“ auf dem Programm. Das von Alexandre Dumas d.J. Roman „Die Kameliendame“ inspirierte Werk war zu damaligen Zeiten skandalöser Stoff, gilt heute jedoch selbstredend als Meisterwerk. In einer musikalisch durchgängig überzeugenden Aufführung sticht insbesondere Pretty Yende in der Hauptrolle hervor.

von David Nagel

Für ihre Interpretation als Edelkurtisane Violetta Valéry wurde die Südafrikanerin Pretty Yende bereits zuvor andernorts gefeiert und am heutigen Abend in Hamburg beweist sie einmal mehr eindrucksvoll, warum dies so ist. Die schwierige und umfangreiche Rolle der von der Männerwelt umschwärmten Dame meistert die 36-jährige scheinbar mühelos und mit viel Charisma und Leidenschaft. Hohe Töne und knifflige Koloraturen („Sempre Libera“) stellen für sie offensichtlich keine Probleme dar und werden, ohne dass es je forciert wirken würde mit Leichtigkeit, Klangschönheit und grandioser Forte/Piano-Dynamik performt, dass es eine wahre Freude ist. Das Publikum lauscht ihr gebannt, man könnte im Zuschauerraum mitunter eine Stecknadel fallen hören. Mit ihrer Ausstrahlung schafft es Pretty Yende auch schauspielerisch zu überzeugen, obwohl die bewegungsarme und spartanische Inszenierung von Johannes Erath diesbezüglich eher wenig hergibt. „Giuseppe Verdis „La Traviata“,
Hamburgische Staatsoper, 14. Dezember 2021“
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Pretty Yende adelt eine missratene Johannes-Erath-Inszenierung

Foto: Pretty Yende nach Ende der Vorstellung (Foto: RW)

Staatsoper Hamburg, 9. Dezember 2021

Noch beeindruckender ist Yendes gesangliche Gestaltung. Weich, rund und farbenreich klingt die Stimme, mit wunderbarem Legato und Messa-di-voce-Kultur bewältigt sie die schwierigen Passagen der Violetta, vor allem aber gelangen ihre engelgleichen Piani wie direkt aus der Seele zu den Zuhörern.

von Dr. Ralf Wegner

Selten habe ich eine so missratene Inszenierung gesehen, und sie wird seit 2013 unverändert zur Beschwernis der Sängerinnen und Sänger aufgeführt. Von einem Bühnenbild ist nicht zu sprechen, die gesamte Bühne einschließlich Seiten- und Hinterbühne ist leergeräumt. Die sängerische Immission verpufft daher weitgehend auf dem ohne Bühnenaufbauten resonanzlosen Podium. In der Mitte kreist eine Drehscheibe, auf der die Protagonisten, auch während schwieriger Arien in Bewegung bleiben. Sie werden damit zu einer Mobilität gezwungen, die sich nicht aus dem musikalischen Vorgang herleiten lässt und diesen stört. „Giuseppe Verdi, La Traviata,
Hamburgische Staatsoper, 9. Dezember 2021“
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Weihnachtliche Stimmung in der Staatsoper Hamburg

Bühnenbild von Jürgen Rose zum Nussknacker, mittig Silvia Azzoni (Esmeralda), rechts Greta Jörgens und David Rodriguez (La Fille du Pharaon) (Foto RW)

Manches sticht heraus, so Alexandre Riabkos unglaubliche  Mühelosigkeit, mit der er Emilie Mazońoder Madoka Sugai (Der chinesische Vogel)  partnert, die Leichtigkeit der Sprünge von Christopher Evans, nie hört man seinen Bodenkontakt, die Eleganz von Anna Laudere bei ihren Figuren oder die tänzerische Strahlkraft von Silvia Azzoni als Esmeralda.

Hamburg Ballett, John Neumeier

Der Nussknacker
Musik: Peter I. Tschaikowsky

Hamburger Staatsoper, 30. November 2021

von Dr. Ralf Wegner (Text und Fotos)

Bis auf den letzten Platz ausverkauft, wie auch die folgenden Aufführungen dieses Balletts, so etwas hat man seit fast zwei Jahren nicht mehr erlebt. Vor den Eingängen bildeten sich lange Schlangen, 2G wurde überprüft; im Haus eine festliche Stimmung mit zahlreichen Kindern und auch vielen Jugendlichen und jungen Leuten. Es gab schönes zu sehen, sowohl tänzerisch, als auch das von Jürgen Rose geschaffene Bühnenbild sowie die opulenten Kostüme.

Emilie Mazoń war wieder Marie, ein junges, an der Schwelle zur jungen Frau stehendes Mädchen, deren zwischen unbändiger Freude, Schüchternheit und Neugier wechselnden Gemütszustände von der Tänzerin mit großer Empathie gezeigt wurden. Marie feiert Geburtstag; alle kommen, auch der Tanzlehrer Drosselmeier (Alexandre Riabko), ihre Schwester Louise (Anna Laudere, auch Primaballerina), deren Freund Günther (Christopher Evans, auch Premier Danseur) und viele andere. Günther, den Marie anhimmelt, schenkt ihr einen Nussknacker, Drosselmeier Ballettschuhe. „Peter I. Tschaikowsky, Der Nussknacker, Inszenierung John Neumeier,
Staatsoper Hamburg, 30. November 2021“
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„Elektra“-Premiere in Hamburg: Buh-Rufe für Kent Nagano und das Orchester

Dafür aber umso mehr Applaus und Bravo-Rufe für die drei Sängerinnen in den Hauptrollen, und das absolut verdient! Leider ist bei Richard Strauss der Klang aus dem Graben mindestens genauso wichtig wie der von der Bühne. Für eine richtig gute „Elektra“ hätte es auch ein richtig gutes Orchester und einen ebenso guten Dirigenten gebraucht.

Foto: Jennifer Holloway, Aušrinė Stundytė, © Monika Rittershaus

Staatsoper Hamburg, 28. November 2021 (PREMIERE)

Elektra
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

Die Serie der überzeugenden Premieren am Gänsemarkt wird fortgesetzt – vor allem auf der Bühne. Sehr solide Leistungen der Solo-Partien, weniger so aus dem Graben. Trotzdem eine sehr sehenswerte „Elektra“. Und endlich wieder mit Bravo- und Buh-Rufen für das Regie-Team – und sogar für den Dirigenten!

von Johannes Karl Fischer

Die letzten drei Premieren an der  Staatsoper Hamburg – „Agrippina“, „Les Contes d’Hoffmann“ und „Die Entführung aus dem Serail“ – waren alle sehr überzeugend, sängerisch wie szenisch. Und nun also endlich die „Elektra“, die eigentlich am  26. April 2020 dran sein sollte, seitdem aber mindestens dreimal aufgeschoben wurde.

Mit Aušrinė Stundytė und Violeta Urmana standen gleich zwei Sängerinnen der Ausnahme-Klasse auf der Besetzungsliste der Premiere. Vor allem Stundytė in der Titelrolle ist für diese eine Luxus-Besetzung – nicht umsonst hat sie zwei umjubelte Spielzeiten in Salzburg in dieser Rolle hinter sich. Auch an der Elbe war sie sehr überzeugend. Sängerisch eine Glanzleistung – vor allem in den Höhen – und ein sehr selbstbewusster Auftritt. Im Vergleich zu Salzburg vor 3 Monaten hat sie zwar einen Gang zurückgeschaltet. Aber das wäre in diesem Haus auch zu viel gewesen. Diese Sängerin möchte man in Hamburg – wie überall anders – gerne wieder hören! „Elektra, Richard Strauss,
Staatsoper Hamburg, 28. November 2021 (PREMIERE)“
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Richard Strauss’ „Elektra“ überzeugt als großbürgerliches Drama mit kriminellem Ende

Das Elektra-Ensemble nach der Vorstellung: Mit schwarzer Mütze Lauri Vasar (Orest), danach Jennifer Holloway (Chrysothemis), Aušrinė Stundytė (Elektra), Violeta Urmana (Klytämnestra) und John Daszak (Aegisth) (Foto RW)

Wie Violeta Urmana der Klytämnestra darstellerisch innere Glaubwürdigkeit verleiht und zudem noch stimmliche Kompetenz zeigt, ist bewunderungswürdig. Ihr steht aber auch eine nicht minder beeindruckende, aggressiv-neurotische Elektra gegenüber, die mit Aušrinė Stundytė herausragend besetzt ist.

Staatsoper Hamburg, 28. November 2021 (PREMIERE)

von Dr. Ralf Wegner

Das antike, heroische, götterbestimmte Atridendrama um Agamemnon, seine Ehefrau Klytämnestra, deren Liebhaber Aegisth, und den Kindern Iphigenie, Elektra, Chrysothemis und Orest ist uns durchaus bekannt: Der Vater opfert Iphigenie aus politischen Motiven, Klytämnestra und Aegisth erschlagen Agamemnon. Orest wird als Kleinkind zu Bauern gegeben, Elektra will ihren Vater rächen, Chrysothemis eine bürgerliche Existenz aufbauen.

Jennifer Holloway (Chrysothemis), Aušrinė Stundytė (Elektra) und Violeta Urmana (Klytämnestra) (Foto: Monika Rittershaus)

Da alles göttlich vorbestimmt ist, konnten wir uns als Zuschauer wohlig zurücklehnen und mit Elektra fühlen, zumal wenn sie von einer Grande Dame der Opernkunst wie Birgit Nilsson gesungen und gespielt wurde. Wir gaben uns dem Rausch der Musik und der Stimmen hin und verließen damals beflügelt das Theater. „Richard Strauss, Elektra,
Staatsoper Hamburg, 28. November 2021 (PREMIERE)“
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„Wahnsinn“ – ins Blut, ins Mark geht der erste Ton... und man ist Lise Davidsen sofort verfallen!

Foto: Regina Ströbl

Hamburgische Staatsoper, 19. November 2021
Lise Davidsen, Sopran, und Bryan Wagorn, Klavier

„The Art of Lise Davidsen“ – ein Abend mit Liedern und Arien 

von Dr. Andreas Ströbl

Nüchtern kann man über diesen Abend nicht berichten. Was für eine Stimme! Und was für ein Ausdruck! Dazu die einnehmende sympathische Erscheinung dieser skandinavischen Naturgewalt! So mancher Ehemann mochte sich auf dem Heimweg von seiner Gattin fragen lassen, ob sie sich Sorgen machen müsse – zumindest dem Rezensenten ging es so.

In der Tat ist Lise Davidsen ein Weltstar zum Verlieben. Man weiß gar nicht, welche ihrer Eigenschaften beim Schwärmen zuerst hervorgehoben werden müssen. Ob es ihr unglaubliches stimmliches Volumen ist, zumal in den Höhen und der Mittellage, oder ihre Vielseitigkeit im Ausdruck, verbunden mit einer angemessenen mimischen und gestischen Darstellung, oder ihre erfrischend natürliche Art, fernab jeglicher Allüren. „Lise Davidsen, Bryan Wagorn, „The Art of Lise Davidsen“,
Hamburgische Staatsoper, 19. November 2021“
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Stehende Ovationen für eine großartige Sängerin

Hamburgische Staatsoper, 19. November 2021
Lise Davidsen, Sopran, und Bryan Wagorn, Klavier

Es gibt sicher wärmere, engelgleichere Stimmen; was Davidsen aber vor allem auszeichnet, ist ihr Vermögen, den gesungenen Text zu beseelen, die in den Arien steckenden Emotionen direkt zum Herzen der Zuschauer zu transportieren.

von Dr. Ralf Wegner

Was für eine Stimme, welcher Schalldruck, der das Haus flutet, welch eine dunkel timbrierte, auch noch in der Tiefe klingende Stimme, kraftvoll wie blauer Stahl, mit was für einem Farbenreichtum und welchen Gestaltungsmöglichkeiten. Frau Davidsen begann mit der Arie der Leonora Pace, pace, mio Dio aus Verdis „Macht des Schicksals“ und überzeugte mit enormer Durchschlags­kraft, farbenreicher, ausgeglichener Mittellage und klangvollen Höhen. Das ging unter die Haut und stimmte das Publikum in einen besonderen, an der Hamburgischen Staatsoper lange nicht erlebten Gesangsabend ein. „Lise Davidsen, The Art of Lise Davidsen,
Hamburgische Staatsoper, 19. November 2021“
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Staatsoper Hamburg: ein ambitionierter, aber nicht überzeugender Abend mit einem Startenor

Roberto Alagna in der Hamburgischen Staatsoper, 12. November 2021

Foto: Roberto Alagna, © wikipedia.de

Von der einstmals glanzvollen, berückenden Stimme Alagnas waren an diesem Abend allenfalls noch Reste vorhanden. Gleichwohl, der Mehrheit des Publikums hat es, gemessen am Zwischen- und Schlussbeifall, gefallen.

von Dr. Ralf Wegner

Die Vorstellung war nur schwach besucht. Das mag auch an dem Titel der Aufführung gelegen haben: The Art of Roberto Alagna. Manch einer dachte wohl, der Tenor hätte sich mittlerweile der bildenden Kunst verschrieben und würde seine malerischen Werke vorstellen. Dem war nicht so. Zuletzt hatten wir Alagna vor drei Jahren gehört, als er um Manricos hohes C rang, unterstützt von einem gnädigen Pariser Publikum. An diesem Abend hatte sich der 58 Jahre alte Sänger ein umfangreiches, ambitioniertes Arienprogramm ausgesucht, allerdings ohne entsprechend exponierte Höhen. Es begann mit Barockmusik (Pergolesi, Arie des Ascanio) und endete nach einigen Arien aus dem romantischen Repertoire mit einer Komposition seines Bruders David Alagna.

Der Anfang war erschreckend, Alagnas Stimme klang brüchig, ohne Glanz oder Schmelz, eng, zuweilen blechern in der Höhe und mit tonlosen, kaum wahrnehmbaren Piani. Unschön gerieten Händels Ombra mai fu und Glucks Arie des Orfeo Che farò senza Euridice. Mit wenig Wohlklang gestaltete Alagna Mozarts Arie des Ferrando Un’aura amorosa. Auch das eher lyrische Ach so fromm aus Flotows „Martha“ war nicht schön anzuhören. „Roberto Alagna in der Hamburgischen Staatsoper, 12. November 2021“ weiterlesen