Auf den Punkt 36:  Erziehungsratgeber ohne Ohrwürmer

Foto: Archiv 2014 Luisa Miller © Monika Rittershaus

Please take an educated guess. Auf der Bühne liegen zwei Liebende. Beide tot, erweiterter Suizid. Gift war auch im Spiel. Wie heißen die Hauptpersonen der Oper? Romeo und Julia, sagen Sie spontan? Bei meinen spärlichen Hinweisen eine gute Antwort, ist indes gleich doppelt falsch. 

Giuseppe Verdi / Luisa Miller

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Lorenzo Passerini / Musikalische Leitung
Andreas Homoki / Inszenierung

 Staatsoper Hamburg / 4. Dezember 2024

von Jörn Schmidt

Tot sind am Ende Luisa Miller und Rodolfo. Die beiden sind ein Liebespaar, aber mitnichten die Hauptpersonen. Hauptpersonen sind ihre Väter, Herr Miller und Graf von Walter. Die beide Erziehungsberechtigten, so unterschiedlich sie sind, haben eines gemeinsam. Auf sie trifft zu: Gut gemeint ist noch lange nicht  gut gemacht. „Auf den Punkt 36: Erziehungsratgeber ohne Ohrwürmer
 Staatsoper Hamburg / 4. Dezember 2024“
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Auf den Punkt 35: Brahms 4 kann jeder?

Han-Na Chang © Ole Wuttudal

Bundestrainer kann jeder“ ist ein launiger Kommentar von Joscha Weber. Auslöser des Artikels war eine 2:3 Niederlage der deutschen Nationalmannschaft (Herren) gegen England im Jahr 2016. Weiter im Text führt der Kollege aus: „Jeder Wackler wird seziert, kritisiert und dramatisiert“, Granteln sei ja schließlich deutsches Kulturgut. Sie erkennen sicher die Parallelen. Wackler gab es gestern so einige, zuvörderst die Hörner der Symphoniker Hamburg. Und Brahms in der Laeiszhalle aufzuführen, das ist wie ein Match im Mutterland des Fußballs.

Symphoniker Hamburg

Han-Na Chang / Dirigentin
Veronika Eberle / Violine

Weber / Ouvertüre zu „Der Freischütz“
Mendelssohn Bartholdy / Violinkonzert e-Moll
Brahms / Sinfonie Nr. 4

Laeiszhalle, Großer Saal, 1. Dezember 2024 

von Jörn Schmidt

So wie Ihnen auch jeder Zuschauer und erst recht jeder Rezensent sagen kann, wie Brahms klingen soll. Bedacht, wehmütig, aber bloß nie auftrumpfend, sagt der eine. Wie langweilig, wird man Ihnen entgegnen, wenn Sie so argumentieren. Straff, dramatisch und vor allem, rhythmisch zupackend. So und nicht anders soll Brahms klingen. Sonst geht der große Bogen verloren. Manch einer hat den Hang zu vermitteln. Fix, aufrichtig und bewegend, so ginge Brahms. „Auf den Punkt 35: Brahms 4 kann jeder?
Laeiszhalle, Großer Saal, 1. Dezember 2024“
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Auf den Punkt 34: Show me your bells! Das Orchestre symphonique de Montréal und seine Hidden Assets

Glockensatz hr-sinfonieorchester, (Royal Eijsbouts Glockengießerei) © Andreas Maul

Überschriften sind wichtig, damit ein Artikel seine Leser findet. ACHTSAM STALKEN, so wollte ich heute titeln und das Thema im Text fortführen. Achtsamkeit ist gerade ziemlich angesagt, und man kann die Geschichte der  Symphonie fantastique heutzutage leicht in Richtung Stalking biegen. Berlioz war schwer in Harriet Smithson verliebt, und zur Balz hat er mal eben seine Symphonie fantastique komponiert. Ausgangspunkt der Symphonie ist die Liebe des Komponisten zu eben jener Harriet. Aber was harmlos beginnt, endet in der Partitur böse. Weil sie Hectors Liebe nicht erwidert, killt er Harriet im Opiumrausch. Harriet hat diese  Botschaft verstanden und den Komponisten im richtigen Leben vorsichtshalber geheiratet. 

Orchestre symphonique de Montréal
Rafael Payare / Dirigent

Daniil Trifonov / Klavier

Robert Schumann / Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54
Hector Berlioz / Symphonie fantastique, Épisode de la vie d’un artiste op. 14

Elbphilharmonie, Großer Saal, 24. November 2024

 von Jörn Schmidt

Wo ist nun das Problem mit dem Titel?  Wenn man Berlioz und Stalker bei Google eingibt, findet man einige Beiträge zum Thema. Die meisten in englischer Sprache verfasst, aber man will ja keinen Abklatsch produzieren. Auch das Thema Achtsamkeit war schnell raus, weil ebenfalls schon recht ähnlich verarbeitet. Es gibt eine Romanverfilmung, die heißt „Achtsam Morden“. „Auf den Punkt 34: Show me your bells!
Elbphilharmonie, 24. November 2024“
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Auf den Punkt 33: Max hat Bindungsangst… und Yoel Gamzou den Freischütz-Groove

Carl Maria von Weber DER FREISCHÜTZ © Brinkhoff-Moegenburg

Carl Maria von Weber, Der Freischütz

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Musikalische Leitung:  Yoel Gamzou

Inszenierung:  Andreas Kriegenburg

 Staatsoper Hamburg, 23. November 2024

von Jörn Schmidt

Der Freischütz ist im Grunde eine phantastische Oper, ein Meilenstein der Musikgeschichte. Während Mozart Emotionen nur mit Klangfarben ausdrückte, ordnet von Weber den Gefühlen musikalische Themen zu. Richard Wagner hat sofort erkannt, wie genial sich mit solchen Leitmotiven arbeiten lässt. Hector Berlioz übrigens auch, da heißen die Leitthemen idée fixe. Aber was bei Wagner und Berlioz zeitlos-elegant kommt, lässt mich seit jeher mit dem Freischütz fremdeln. Die Oper hinterlässt bei mir immer auch ein Gefühl von Konformismus und Enge. „Auf den Punkt 33:  Webers Freischütz
Staatsoper Hamburg, 23. November 2024“
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Auf den Punkt 32: Silberne Rose statt blutiges Beil

Die traditionelle Übergabe der silbernen Rose vermeldet in Richard Strauss’ Oper Der Rosekavalier die Ankunft des Bräutigams. Im Vorgänger Elektra wird deren Vater mit einem Beil erschlagen, das fortan stets präsent ist. Beides führt zu einigen Konflikten, die unterschiedlich gelöst werden. Im Rosenkavalier unblutig, mit viel Humor, in der Elektra ziemlich blutig.

Staatsoper Hamburg, 10. November 2024
Richard Strauss, Elektra

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano / Dirigent; Foto: © Felix Broede

 von Jörn Schmidt

In der Hamburger Inszenierung von Dmitri Tcherniakov wird es noch blutiger, es geht dort zusätzlich  Chrysothemis (Jennifer Holloway) an den Kragen. Orest (Kyle Ketelsen) ist halt ein Killer durch und durch. Das Libretto (Hugo von Hofmannsthal) gibt das nicht her. Schlüssig ist dieser Ansatz auch sonst  nicht, jedenfalls nicht für mich. Aber Regietheater ist heute nicht das Thema. „Richard Strauss, Elektra, Kent Nagano
Staatsoper Hamburg, 10. November 2024 “
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Auf den Punkt 31: Nachruf Jo Bohnsack

© jobohnsack.de

In der letzten Folge habe ich über den Tod geschrieben, und wie man damit umgeht. Sowas wirkt nach, auch beim Autor. Zum Glück bin ich nicht abergläubisch, denn just als der Artikel online war, erreichte mich die Nachricht vom Tod des Sylter Blues und Boogie-Woogie Pianisten. Jo Bohnsack ist nach schwerer Krankheit am 25. Oktober 2024 im Alter von 64 Jahren in Westerland auf Sylt gestorben. 

 von Jörn Schmidt

Jo war sein Leben lang Musik-begeistert, einer seiner Mentoren war Champion Jack Dupree, die beiden sind später zusammen auf Tournee gegangen. In der Boogie-Woogie-Szene war Jo so bekannt wie  anerkannt. Auch bei Axel Zwingenberger, der hat Jo zuweilen auf Sylt besucht. Als kleiner Junge habe ich Jo auch mal daheim besucht, und das kam so. „Auf den Punkt 31: Nachruf Jo Bohnsack“ weiterlesen

Auf den Punkt 30: Bei Tugan Sokhiev tickt die Totenuhr ziemlich entspannt

Foto: alte Uhr – Lizenzfreies Bild/Panther Media

Im Tod sind alle gleich, heißt es. Niemand findet es schön, zu sterben. Der Tod ist nun wirklich kein Spaß. Aber im Grunde sind das die einzigen Gemeinsamkeiten. Wie wir mit dem Tod umgehen, das ist höchst unterschiedlich. Man kann das Thema verdrängen oder Antworten in der Religion suchen. Philosophie kann äußerst hilfreich sein, mit der eigenen Sterblichkeit umzugehen. Desgleichen gibt es seit jeher ein kulturelles Zusammenspiel von Musik und Tod. Der Tod wurde mannigfaltig vertont, dazu fallen Ihnen sofort Beispiele ein. Aber wie klingt es, was der Sterbende hört? Kann man sterbend überhaupt noch hören und das Gehörte verständig eingeordnet werden? Eine kurze Recherche anlässlich Bruckners Totenuhr-Coda. 

Münchner Philharmoniker
Tugan Sokhiev / Dirigent

 Anton Bruckner / Sinfonie Nr. 8 c-Moll (Zweite Fassung)

Elbphilharmonie, Großer Saal, 31. Oktober 2024

 von Jörn Schmidt

Auch wenn man das heutzutage zuweilen gar nicht glauben mag, für den Journalismus gibt es ethische Standards. Lange Zeit waren das allgemeingültige publizistische Grundsätze, die ohne Kodizes und dergleichen beherzigt wurden. 1973 hat der Deutsche Presserat eine Sammlung journalistisch-ethischer Grundregeln kodifiziert. Verleger und Journalisten haben diese Zusammenstellung abgesegnet, das Regelwerk firmiert seither als Pressekodex. Die aktuelle Fassung datiert auf 18. September 2024, ethische Grundsätze unterliegen offensichtlich dem Zeitgeist. Da muss man öfter mal nachjustieren. „Auf den Punkt 30: Tugan Sokhiev
klassik-begeistert.de, 1. November 2024“
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Auf den Punkt 29: Wegen geringer Auslastung – AIDA und die Pausen-Einlasskontrollen in der Staatsoper Hamburg

La clemenza di Tito @ 2024 Hans Jörg Michel

In der letzten Folge meiner Kolumne habe ich zur Wiederaufnahme von Mozarts La clemenza di Tito an der Staatsoper Hamburg geschrieben. Mir hat es gefallen, das können Sie hier bei klassik-begeistert nachlesen. Einen Aspekt möchte ich heute nachtragen. Nach der Pause [sic!], auf dem Weg zurück von der Bar in den Saal, wurde ich aufgefordert, meine Konzertkarte vorzuzeigen. Wenn Sie jetzt denken, na prima, das ist wieder einer meiner Späße. Dann kann ich anwaltlich versichern, dass dies die Wahrheit ist und nichts als die Wahrheit.

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) / La clemenza di Tito

Chor und Orchester der Staatsoper Hamburg
Ben Glassberg / Musikalische Leitung
Jetske Mijnssen / Inszenierung

Staatsoper Hamburg, 22. Oktober 2024

von Jörn Schmidt

Auf meinen freundlichen Hinweis hin, dass ich mich bereits vor Beginn der Oper legitimiert hätte, wähnte ich die Angelegenheit erledigt. Ich wurde indes recht streng aufgefordert, nun bitte die Karte vorzulegen. Mir stellte sich die Situation als Generalprobe für den 1. April 2025 dar, eine Pausen-Einlasskontrolle hatte ich bislang nicht erlebt. Und das war nicht mein erster Opernbesuch.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Staatsoper Hamburg  hat Pausen-Einlasskontrolle eingeführt als Reaktion auf eine eher geringe Auslastung. Jetzt mache ich aber wirklich Spaß, meinen Sie? Mitnichten! Aber der Reihe nach. „Auf den Punkt 29: Geringe Auslastung… Pausenkontrollen
klassik-begeistert.de, 24. Oktober 2024“
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Auf den Punkt 28: La clemenza di Tito REVISITED... Premiere vs. Wiederaufnahme

Katharina Konradi, Kangmin Justin Kim © Hans Jörg Michel

Zur Premiere der Hamburger La clemenza di Tito am 28. April 2024 hatte ich bereits am Morgen des nächsten Tages eine Rezension veröffentlicht, seinerzeit als Autoren-Duo zusammen mit Regina König. Ich glaube, wir waren damit als erste online. Verbindlich bestätigen kann das aber nur der Herausgeber von klassik-begeistert, Andreas Schmidt – wobei Tempo natürlich rein gar nichts über die Qualität einer Rezension aussagt…Mittlerweile ist der Glanz der Premiere verblasst, Titus ist jetzt schnödes Repertoire. Aber wie fällt der Vergleich Premiere/Wiederaufnahme aus? Hier eine Analyse entlang der damaligen Aussagen. Verglichen wurden Dirigat, Inszenierung, Sänger und Publikum. Je Kategorie gab es einen Punkt.

 Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791), La clemenza di Tito

Chor und Orchester der Staatsoper Hamburg

Ben Glassberg, Musikalische Leitung
Jetske Mijnssen, Inszenierung

Staatsoper Hamburg, 22. Oktober 2024

von Jörn Schmidt

Titus ist ein Herrscher, dem das Leben allerhand zumutet. Er hätte seine Mittel, damit umzugehen, sich zu wehren und zu strafen – namentlich Macht und Herrschaft. Doch er lässt Milde walten, ganz der humanistischen  Geisteshaltung verpflichtet. So wollte es Mozart…? „Auf den Punkt 28: La clemenza di Tito
klassik-begeistert.de, 23. Oktober 2024“
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Auf den Punkt 27: Schrankwand-Vibes in der Laeiszhalle ... und was sonst noch geschah

Stellen Sie sich vor, Sie sind skandinavisch eingerichtet. Überall gedeckte Erdtöne, Pastellfarben und leicht kombinierbare Weiß- und Grautöne. Nur die Fernsehcouch ist rot, ein wenig Farbe muss sein. So wie ein dunkler Anzug viel durch ein farbiges Einstecktuch gewinnt. Eines Abends  kommen Sie heim, nichts böses ahnend natürlich. Dort, wo Ihr Flatscreen an der Wand hing, steht jetzt eine Schrankwand in recht dunklem Holz. Mal angenommen, Ihre Partnerin hat das zu verantworten. Malen Sie sich doch mal den weiteren Verlauf des Abends aus…

Hector Berlioz (1803‑1869)
Roméo et Juliette, Dramatische Sinfonie op. 17 

Symphoniker Hamburg

Slowakischer Philharmonischer Chor
Sylvain Cambreling / Dirigent

Catriona Morison / Alt
Cyrille Dubois / Tenor
Luca Pisaroni / Bass

 Laeiszhalle, Großer Saal, 13. Oktober 2024

von Jörn Schmidt

Nun ist die Laeiszhalle nicht von einem skandinavischen Innenarchitekten eingerichtet. Der Vergleich soll nur eine Idee geben, wie es dort die letzten Jahre aussah. Cremefarben, inklusive Orgel. Von 1908 bis 1950 war eine Orgel im deutsch-romantischen Stil der Firma E. F. Walcker & Cie. verbaut. Seit 1950, bis zur Generalsanierung der Laeiszhalle, erklang dort eine Orgel des Hamburger Orgelbauers Rudolf von Beckerath, der einige Defizite nachgesagt wurden. Warum man die seinerzeit eingebaut hatte, weiß vermutlich niemand so recht. Im Rahmen der Sanierung wurde nun die  Walcker-Orgel rekonstruiert. Aber erstmal zurück zu den Schrankwänden… „Auf den Punkt 27: Schrankwand-Vibes in der Laeiszhalle
klassik-begeistert.de, 14. Oktober 2024“
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