Höchste Zeit sich als Musikliebhaber einmal neu mit der eigenen CD-Sammlung oder der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen.
Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der so genannten „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese teilweise sarkastische, teilweise brutal ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.
von Daniel Janz
Die Erzählung von Wilhelm Tell – ein epischer Stoff über einen schicksalsgeplagten Helden und Vater, der durch schieres Geschick seinen Sohn retten und anschließend eine ganze Nation gegen die Habsburger einen und befreien kann. Es verwundert nicht, dass diese Geschichte mit historischem Bezug literarisch sowie auch musikalisch schnell aufgegriffen wurde. Und wer sonst, als Rossini selbst, hätte es vollbringen können, ein nachhaltig so fetziges und wirksames Stück daraus zu komponieren. Was die Bekanntheit dieses Werks – besonders der Ouvertüre – angeht, können ihm nur wenige andere Opern das Wasser reichen. Oder? Zeit, sich diese vermeintlich bahnbrechende Musik genauer anzuschauen…
Wilhelm Tell ist womöglich der berühmteste Schweizer Volksheld. Legendär ist sein Schuss aus der Armbrust, mit dem er dazu gezwungen wurde, einen Apfel vom Kopf seines Sohns zu schießen. Die diesem Helden zugrundeliegende Geschichte wird auf 1307 datiert. Seitdem schafften es zahlreiche Adaptionen und Nacherzählungen – unter anderem von Aegidius Tschudi, Petermann Etterlin und Friedrich Schiller – in das kulturelle Gedächtnis. Tell gilt seit dem 19. Jahrhundert sogar als Nationalheld der Schweiz. Es ist also kein Wunder, dass seine Taten auch Rossini inspirierten.
Für seine Oper berief der Italiener sich insbesondere auf die – zu dem Zeitpunkt bereits äußert bekannte – Schauspielvorlage von Schiller. Zur Besseren Darstellbarkeit auf der Bühne reduzierte Rossini allerdings die Protagonisten von 42 auf 11 und legte auch mehr Wert auf Szenen, die das Libretto tragen konnten. Zentral ist auch hier der durch Tell und den Schweizer Arnold getragene Freiheitskampf inklusive der berühmten Schuss-Szene im dritten Satz und glücklichem Ende für die Eidgenossen. „Daniels Anti-Klassiker 47: Gioachino Rossini – Wilhelm Tell Ouvertüre (1829)“ weiterlesen