Russian-born composer and conductor Igor Stravinsky © Neale Osborne
Irgendwann sollten eigentlich alle Klischees erkannt sein. Doch die Aufführungspraxis schafft stets neue. Obwohl unser Autor bereits über 50 Klischees in der Klassischen Musikkultur behandelte, ist ein Ende noch nicht in Sicht. Deshalb widmet er noch fünf weitere Folgen so genannten „Klassikern“, von denen man derart übersättigt wird, dass sie zu nerven beginnen. Auch dies sind natürlich keine minderwertigen Werke. Doch durch ihre fast fundamentalistische Stellung im Konzertbetrieb ist es an der Zeit, auch ihnen teils sarkastisch, teils brutal ehrlich zu begegnen, um zu ergründen, warum sie so viel Aufmerksamkeit erhalten.
Unsere Konzertprogramme sind auch deshalb so einseitig, weil Paradestücke wie Strawinskys „Sacre du printemps“ alles andere verdrängen.
von Daniel Janz
29. Mai 1913: Es kommt zu einer geschichtsträchtigen Erstaufführung im Théâtre des Champs-Élysées, Paris. Der frisch durch „Feuervogel“ und „Petruschka“ berühmt gewordenen Komponist Igor Strawinsky sorgt mit seinem neuesten Werk für einen handfesten Skandal. Tumulte, Schlägereien und sogar ein Polizeieinsatz stören die Uraufführung seines „Sacre du printemps“ so sehr, dass zeitweise das Zuendebringen der Aufführung fraglich ist. Nichtsdestotrotz erlebt der „Sacre“ danach fulminante Erfolge in konzertanten Aufführungen. Rasant wird er zum weltbekannten Klassiker, als könnte nichts seinen Siegeszug stoppen… zum Leidwesen aller, die danach kamen.