In Völkerwanderungszeiten wie diesen ist Europa um Identitätserhaltung bemüht. Es fällt häufig das Wort vom christlichen Europa, wobei die Beifügung eher als Synonym im Sinne eines Humanismus gebraucht wird.
Sie war für uns in den Anfängen der Siebzigerjahre eine „Kultoper“. Wir versäumten zeitweise keine Aufführung und waren es zwei Abende in der Woche. Wir lebten mit den Figuren unsrer Lokalmatadore mit, die keine international gefeierten Stars waren, teilweise aber auch in Opernhäusern unsrer Nachbarn Deutschland und Schweiz auftraten.
Es war ein Sonntag, der 25. Oktober 1959 und die Premiere von „Angelina“. Unter diesem Titel versteckte sich damals noch „La Cenerentola“, was eigentlich einen bösen Spitznamen für Angelina bedeutet. Christa Ludwig sang mit Wohlklang die Titelrolle. Alberto Erede dirigierte, die Inszenierung von dem populären Günther Rennert wirkte etwas süßlich. Der damalige Ehemann von Christa Ludwig sang einen gewitzten Diener Dandini, dagegen wirkte Waldemar Kmentt als Prinz zurückhaltend, zwar nobel, aber blass. Als Stiefvater Don Magnifico plusterte sich Karl Dönch mit seiner unverwechselbaren Stimme, die sich keiner Stimmlage zuordnen ließ, bis zur Peinlichkeit auf. Ein noch wenig bekanntes Opernmitglied, der Bassist Ludwig Welter, beeindruckte als Erzieher des Prinzen und Philosoph. „Schweitzers Klassikwelt 76: Als wir eine Oper langsam liebgewannen klassik-begeistert.de 29. November 2022“ weiterlesen
Die Sammlung von Vivaldis vier Violinkonzerten ist ein sehr beliebtes Werk der Gattung Programmmusik. Inwieweit spielen die Jahreszeiten für uns Opernliebhaber im Musiktheater eine Rolle? Spontan fallen uns die Winterstürme, die dem Wonnemond weichen, und der so mild, so stark und voll duftende Flieder, der weich die Glieder löst, aus Wagners berühmten Werken ein. Erst nachher denken wir an Brittens „Sommernachtstraum“ mit seiner sagenumwobenen Waldstimmung. Musik und Melodie gehen halt vor einen zusammenfassenden Operntitel. „Schweitzers Klassikwelt 75: Die vier Jahreszeiten klassik-begeistert.de 15. November 2022“ weiterlesen
Titelbild: Tabgha am See Gennesaret (Bayerischer Rundfunk)
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Aus den Medien sind die schockierenden Meldungen bekannt. Der uns durch die Schallplattenfirma RCA viel sagende Bariton Leonard Warren und der Bassbariton Hermann Uhde, selbst als Escamillo und Großinquisitor an der Wiener Staatsoper gehört, brachen leblos auf der Bühne zusammen. Viele unserer einst bewunderten Lieblinge haben uns bereits verlassen, im zweiten Jahrzehnt unsres Jahrtausends häufen sich unsere traurigen Entdeckungen, wenn wir für ein Feuilleton in ihren Biografien recherchieren. So weilen von den fünfzehn auf der Bühne erlebten Ochsen auf Lerchenau (siehe Schweitzers Klassikwelt 65) sieben nicht mehr unter uns. Trostreich ist, dass oft erst in einem hohen Alter der Lebensbogen vieler SängerInnen zu Ende ging. Vielleicht ist der Beruf auf der Opernbühne doch nicht zu aufreibend, so dass man die Lorbeeren nach einem erfüllten Künstlerleben noch lange gemeinsam mit Familie und Freunden genießen kann. „Schweitzers Klassikwelt 74: Wir gedenken von uns gegangener SängerInnen klassik-begeistert.de 1. November 2022“ weiterlesen
Dumpfe Häuser, tagtäglich Zank und Streit, das gibt der Hirt Nando seinem Kollegen Pedro zu bedenken, dem die Stelle eines Müllers im Tal drunten angeboten wird. Nach seinen Erfahrungen im Tiefland, das der Oper Eugen d’Alberts ihren Namen gibt, wird er wieder in die Berge ziehen.
Wie viele begnadete Stimmen haben einen tiefen, immerwährenden Eindruck in uns hinterlassen! Aber das Ambiente – Bühnenbild und Kostüme – ist verblasst. Oft bleibt noch der Rahmen lebendig im Gedächtnis. Der Vollmond über der Arena von Verona, das Picknick in Glyndebourne mit seiner typischen südenglischen Landschaftsszenerie oder eine „Così fan tutte“ im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg, noch vor der Brandkatastrophe und vor seinen späteren Veränderungen durch wohl sehr schöne, aber in die Innenarchitektur nicht passende Gemälde von Josef Mikl. „Schweitzers Klassikwelt 72: Die Oper und ihr Bühnenbild klassik-begeistert.de 4. Oktober 2022“ weiterlesen
Als wir (noch) nicht „Merker“ und „Blogger“ waren. Erinnerungen an schöne musikalische Erlebnisse
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Zum ersten Mal waren wir im Studio Walfischgasse. Etwas beengt ist es schon im Pausenraum und durch die niedrige Decke im Saal die Akustik nicht ideal.
Im letzten Feuilleton haben wir mit Wehmut von Künstlerinnen Abschied genommen, mit denen wir auf ganz verschiedene Weise vertraut wurden. Nicht immer waren wir von Anfang an begeistert, in einem Fall war es nötig, das Wertvolle einer Stimme aus meist mittleren Partien herauszuhören. Besonders der Direktionswechsel Ende Juni 2020 brachte einige Veränderungen im Ensemble. An vier Beispielen wollen wir das veranschaulichen.
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Vera-Lotte Boecker war 2014 bis 2017 am Nationaltheater Mannheim engagiert, danach drei Jahre an der Komischen Oper Berlin, mit eingeschlossen schon Gastspiele. Unsre erste Begegnung mit ihr erfolgte bei einer Fernsehübertragung der „Carmen“. Ihre Micaëla war unkonventionell, nicht lieblich-süßlich, sondern energisch. „Live“, ohne vermittelnde Tontechnik hörten wir dann die Tugend und die Drusilla in
„L’incoronazione di Poppea“. Im Prolog wusste sie sich als Tugend gesanglich gegenüber Göttin Fortuna zu behaupten, als Drusilla vermissten wir die Wärme, welche die Janowitz im Jahr 1963 ausstrahlte. „Schweitzers Klassikwelt 70: Herzlich willkommen an der Wiener Staatsoper!“ weiterlesen
Bild: Die Wiener Staatsoper, Oskar Kokoschka, 1956, Belvedere
von Lothar und Sylvia Schweitzer
In Tatarstan, einer autonomen, als sehr eigenständig geltenden Republik im östlichen Teil des europäischen Russlands, 1987 geboren schloss IlseyarKhayrullova 2012 ihr Studium am Sankt Petersburger Konservatorium ab. Am 15. Dezember 2013 debütierte sie im Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper als Alte Frau in Elisabeth Naskes Kinderoper „Das Städtchen Drumherum“, in der Kinder gemeinsam mit den Tieren einen Wald retten, einige Wochen später im großen Haus als Elfe in „Rusalka“.
Ilseyar Khayrullova Petra Sittig Photography
In der darauf folgenden Spielzeit fiel sie uns dann persönlich als in das Füchslein verliebter Hund in der beliebten Janáček-Oper als „Hoffnungsträgerin“ auf. Als Olga in den „Drei Schwestern“ von Péter Eötvös erinnerte ihre schöne dunkle Stimme, der noch einiges an Dramatik fehlte, an Weinhebers Gedicht „Kammermusik“, wo die zweite Violine vom „lichtern“ Wesen ihrer Schwester, der ersten Violine, spricht und ausruft: „Lass dich begleiten, Schwester!“ Eine Wiederaufnahme und ein Wiederhören nach nur fünf Aufführungen im März 2016 fielen der Pandemie zum Opfer. Kurz darauf erlebten wir sie als Kameraden des aus sehr nobler Familie stammenden Mädchens Pünktchen in der Oper „Pünktchen und Anton“ nach Erich Kästner von Iván Eröd. Ende 2017 erregte sie als Gymnasiast in „Lulu“ unser Interesse für ihre weitere Laufbahn. Am 2. Mai 2018 gab sie ihre letzte Vorstellung als Bersi („Andrea Chénier“). „Schweitzers Klassikwelt 69: Sie sind der Wiener Staatsoper abhandengekommen klassik-begeistert.de“ weiterlesen