Longborough zeigt die „Die tote Stadt“ -  mit einer grandiosen Ersatz-Sopranistin und einem Tenor, der an seine Grenzen gerät

Vor drei Jahrzehnten aus einfachsten Ursprüngen in einer Scheune entstanden, hat sich das Longborough Festival Opera neben namhaften Sommer-Opernfestivals wie Glyndebourne, Garsington und den beiden Grange Festivals mit ihren eleganten Picnics in Smoking oder Black Tie inmitten der weitläufigen englischen Parkanlagen in der prolongierten großen Pause als qualitativ hochstehender Aufführungsort etabliert. Ambitiös konzipiert als das „englische Bayreuth“ und spezialisiert auf Wagner-Opern hat Longborough längst sein Repertoire erweitert und glänzt mit einem breit gefächerten Spektrum von Werken, das allein dieses Jahr von Wagners „Siegfried“ zu „Carmen“ reicht. So ziemlich in der Mitte liegt Korngolds „Tote Stadt“.

Die Tenorrolle des Paul ist zugegebenermaßen teuflisch schwierig und Peter Auty stieß denn auch mehrfach – leider auch in dem vom Tenor abschließend gesungenen, so berührenden „Marietta-Lied“ – in den höheren Tonlagen geradezu schmerzhaft an seine Grenzen. „Glück, das mir verblieb“, vom unsterblichen Marcel Prawy einst nicht ganz zu Unrecht als „der letzte Ohrwurm der Operngeschichte“ apostrophiert, geriet hier leider zum etwas verunglückten Ausklang dieser sonst sehr guten Aufführung. Doch zur großen Überraschung, wenn nicht gar zur eigentlichen Sensation des Abends geriet Rachel Nicholls, eine extrem vielversprechende junge Sopranistin, welche kurzfristig von der verhinderten Noa Danon die ebenfalls sehr anspruchsvolle Doppelrolle der Marie/Marietta übernommen hatte.

Longborough Festival Opera, 27. Juni 2022

Erich Wolfgang Korngold, Die tote Stadt, gesungen in deutscher Sprache

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

Angekündigt war diese Aufführung als „halbszenisch“, doch das auf der Bühne (Nate Gibson) unter der Regie von Carmen Jacobi Gezeigte war zwar konventionell, aber durchaus so berührend, wie diese Oper nur sein kann: Die Bühne war verhangen mit teils leeren, teils mit Fotos der verstorbenen Marie gefüllten Bilderrahmen, unzähligen Kerzen als Schrein für die Lebend-Tote sowie dem obligaten Bilderrahmen, aus dem die tote Marie herauskommt und Marietta hineinschreitet. Die karnevalesken Figuren in ihren schwarzen, weiß bemalten Totenmasken wirkten allerdings etwas unbeholfen und erinnerten an ein Totenritual in irgendeiner, vielleicht mexikanischen Provinzstadt.

Das eigentliche Problem dieser Aufführung war leider die psychologisch so anspruchsvolle Hauptfigur Paul, der – die Oper wurde ja inmitten der aufkommenden Tiefenpsychologie Freuds und in dessen Stadt Wien komponiert – den Tod seiner geliebten Frau Marie nicht verkraftet, sie im Geiste weiterleben lässt und sich dann in die frivole und ebenfalls sehr attraktive Tänzerin Marietta verliebt, die er für die zurückgekehrte Gattin hält. Die musikalisch-stimmlichen Herausforderungen an die Figur des Paul sind geradezu brutal und ein Tenor, der diese bewältigt, muss sein Metier fast heroisch beherrschen. Peter Auty soll dies in den vorangegangenen Aufführungen geleistet haben – leider nicht in dieser: „Erich Wolfgang Korngold, Die tote Stadt
Longborough Festival Opera, 27. Juni 2022“
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Die Longborough Festival Opera – das „englische Bayreuth“ glänzt mit Wagners „Siegfried“

Mitten in den malerischen Cotswolds gelegen, in einem typisch englischen Landhaus mit herrlichen Gärten und Dinner in der verlängerten Pause, präsentiert die Longborough Festival Opera ein beeindruckend breites Spektrum – von „Siegfried“ über „Die Tote Stadt“ bis zu „Carmen“. Wagner ist unverkennbar die Spezialität dieser Spielstätte, die lebhaft an Bayreuth erinnert und sich den Spitznamen (oder eher: Ehrentitel) des „englischen  Bayreuth“ erwarb – und dies mit gutem Grund.


Richard Wagner, Siegfried,

Longborough Festival Opera, 7. Juni 2022

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

Den Giebel des schmucken Landhauses beim Dorf Longborough, in den Cotswolds (Grafschaft Gloucestershire) krönen drei überlebensgroße Skulpturen: Links Mozart, rechts Verdi, doch in der Mitte Wagner. Das ist Programm. Denn seit der Gründung des Festivals als „Banks Fee Opera“ – benannt nach einer kleinen mobilen Operngruppe, die im Jahr 1991 zwei Vorstellungen auf einer improvisierten Bretterbühne in einer Scheune auf dem malerischen Landgut Longborough gab, hat sich dieses winzige Opernhaus äußerst erfolgreich auf Wagners Ring, gewissermaßen im Taschenformat, spezialisiert. Nicht nur das Gebäude erinnert an Bayreuth – auch die Platzierung des Orchester, das größtenteils unterhalb der Bühne spielt, ist den Instruktionen des Meisters nachempfunden…

„Richard Wagner, Siegfried
Longborough Festival Opera, 7. Juni 2022“
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Musikalisch grandios – optisch düster und karg: „Die Walküre“ in Longborough, dem englischen Bayreuth

Foto: © Charles E. Ritterband

Longborough Festival Opera, 10. Juni 2021
Richard Wagner, „Die Walküre“

Halbszenische Aufführung in deutscher Sprache

von Charles E. Ritterband

Das dies einst ein Hühnerstall war, lässt sich der klassistischen, rosafarbenen Fassade, gekrönt von Statuen der drei Opern-Götter Mozart (links), Verdi (rechts) und Wagner (im Zentrum) längst nicht mehr anmerken – aber die Assoziation ist eindeutig und auch durchaus beabsichtigt: Bayreuth. Seit 1991 werden auf diesem Landgut im winzigen Dorf Longborough – gelegen in der Grafschaft Gloucestershire in der malerischen Landschaft der Cotswolds – im Juni und Juli Opern aufgeführt, und dies mit wachsendem Erfolg und Zuspruch. 1998 wurden hier erstmals (in Bearbeitungen verkürzte) szenische Aufführungen aus Wagners Ring-Zyklus geboten, 2007 mit „Rheingold“ erstmals eine vollständige Oper, 2013 der gesamte Ring-Zyklus – ein kühnes Unterfangen für das winzige Haus mit seinen nur 500 Sitzplätzen. Inzwischen steht aber auch eine Palette ganz anderer und kontrastierender Werke auf dem Spielplan von Longborough: „Così fan tutte“, „Il ritorno d’Ulisse in patria“, „The Cunning Little Vixen“. „Richard Wagner, „Die Walküre“,
Longborough Festival Opera, 10. Juni 2021“
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