Der Ring in Dresden: Götterdämmerung – Alberich wird noch oft kommen, Thielemann leider nur noch einmal

Ricarda Merbeth (Brünnhilde), Andreas Schager (Siegfried) © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Der erste der beiden Ring-Zyklen dieser Spielzeit an der Semperoper Dresden ist mit der Götterdämmerung vorbei. Es wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, der vorletzte Ring für eine lange Zeit mit Christian Thielemann in Dresden gewesen sein.

Richard Wagner
Götterdämmerung

Christian Thielemann, Dirigent
Staatskapelle Dresden

Willy Decker, Regie
Wolfgang Gussmann, Bühnenbild

Semperoper Dresden, 1. Februar 2023

von Willi Patzelt

Da staunt man nicht schlecht: Siegfried hat es nach seiner – sehr flotten – „Rheinfahrt“ auf den Obersalzberg hochgespült. Die Gibichungenhalle ist nämlich der große Saal des Berghofs, und durch das markante Panoramafenster schaut man nicht auf die Berge des Rheintals, sondern in die Berchtesgadener Alpen. Der markante Globus, seit Charlie Chaplins „Tanz mit der Weltkugel“ eigentümlich berühmt, schließt hier das Bild ab. Zum ersten Mal im Ring wird Willy Decker mit einer Ortsangabe relativ konkret.

„Richard Wagner, Götterdämmerung, Christian Thielemann, Dirigent Staatskapelle Dresden
Semperoper Dresden, 1. Februar 2023“
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Der Ring in Dresden, Siegfried: ein dummer Junge hat Held zu werden

Foto: Siegfried © Ludwig Olah

Der dritte Abend. Also Siegfried. Die Theaterstuhlreihen auf der Bühne sind verschwunden; stattdessen finden sich einfache Stühle wild auf der Bühne verteilt. Sie erinnern an das IKEA-Modell „JOKKMOKK“. Sie aufzubauen, ließ vermutlich die Bühnenausstatter nachfühlen, wie sich Siegfried beim Schmieden von Nothung gefühlt haben muss. Es hat sich aber gelohnt. Denn auch der Siegfried war in Dresden ein Triumph

Richard Wagner
Siegfried

Christian Thielemann, Dirigent
Staatskapelle Dresden

Willy Decker, Regie 
Wolfgang Gussmann,
Bühnenbild

Semperoper Dresden, 30. Januar 2023

von Willi Patzelt

Man hat noch Wotans Abschied im Ohr – die großen Emotionen auf dem Brünnhilde-Felsen im dritten Akt der Walküre. Dann findet sich im Siegfried ein ganz anderes Bild. Nach den großen Gefühlsausbrüchen gibt es jetzt ein – so von Christian Thielemann in einem Interview genannt – operettöses, oberflächliches Tohuwabohu“. Der orgiastische Wagner macht vorerst Pause, denn ein dummer Junge hat Held zu werden „Der Ring in Dresden, Siegfried: ein dummer Junge hat Held zu werden
Semperoper Dresden, 30. Januar 2023“
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Der Ring in Dresden, die Walküre: Reaktionär, revolutionär?

Foto: Die Walküre © Semperoper/Ludwig Olah 

Halbzeit in Dresden. Nach einem fulminanten Rheingold, eine nicht minder gelungene Walküre – die einige Überraschungen bereithielt. Die Inszenierung stört nicht nur nicht, sie macht Freude. In Dresden erlebt man noch echtes Gesamtkunstwerk.


Richard Wagner

Die Walküre

Christian Thielemann, Dirigent
Staatskapelle Dresden

Willy Decker, Regie
Wolfgang Gussmann
, Bühnenbild

Semperoper Dresden, 28. Januar 2023

von Willi Patzelt

Nach dem ersten Aufzug schaut man in viele verdutze Gesichter. War das gerade wirklich Thielemann? Manche haben vielleicht noch die Kritiken über den Ring an der Lindenoper im Kopf. Betont langsam habe er dort jüngst dirigiert, so war zu lesen. Und jetzt dieser erste Akt. Man hat den Eindruck, im Graben stünde ein junger Dirigent, dem die Nerven mit den Wälsungen durchgingen. In extrem schnellem Tempo peitscht Thielemann – aber voll kontrolliert – durch die berauschende Schlussszene, wie man es von keiner seiner Aufnahmen kennt. Accelerandi auf „Nothung, Nothung“. Purer Rausch. Einfach nur – verzeihen Sie – geil! „Richard Wagner, Die Walküre
Semperoper Dresden, 28. Januar 2023“
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Der Ring in Dresden, Rheingold: Alles was ist, endet

John Lundgren (Wotan) © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Der Anfang vom Ende hat begonnen. In Walhall, wie in Dresden: Die Schlussphase der Ära Christian Thielemann hat angefangen; die Götterdämmerung ist bereits im Rheingold in Sichtweite. Ein zum Niederknien herrlicher Vorabend des Ring des Nibelungen macht einen schon jetzt wehmütig über den Weggang Thielemanns im kommenden Jahr.

Richard Wagner
Das Rheingold

Christian Thielemann, Dirigent
Staatskapelle Dresden

Willy Decker, Regie  
Wolfgang Gussmann,
Bühnenbild

Semperoper Dresden, 27. Januar 2023

von Willi Patzelt

Die Opernwelt schaut nach Dresden: Die letzten beiden „Ringe“ mit Thielemann an der Semperoper, nicht unwahrscheinlich wohl leider für immer, sind ein absolutes Highlight der Spielzeitpläne der Welt. Man hat sich in Dresden also nicht lumpen lassen. Eine Neuinszenierung, wie vor einigen Jahren hin und wieder mal spekuliert wurde, sollte es zwar nun mit Thielemann nicht mehr geben, dafür aber die recht beliebte Inszenierung von Willy Decker aus 2001 mit einer wirklich erstklassigen Sängerbesetzung. Mit dem Rheingold gelang ein fulminanter Auftakt.

„Richard Wagner, Das Rheingold, Christian Thielemann, Dirigent, Staatskapelle Dresden
Semperoper Dresden, 27. Januar 2023“
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Im goldenen Raum gefangen und den Gefühlen ergeben: Die Dresdner „Aida“ ist ein musikalisches Schmuckstück

© Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Aida
Giuseppe Verdi

Opera lirica in vier Akten                      Libretto von Antonio Ghislanzoni

Sächsischer Staatsopernchor
Sinfoniechor Dresden – Extrachor der Semperoper Dresden
Mitglieder der Komparserie
Sächsische Staatskapelle Dresden

Musikalische Leitung,  Leonardo Sini
Inszenierung,  Katharina Thalbach

Semperoper Dresden, 21. Dezember 2022

von Pauline Lehmann

Auf den ersten Moment scheint Giuseppe Verdis Oper „Aida“ nicht so recht in die Zeit um das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel zu passen. Wenn die Semperoper Dresden im Dezember 2022 und Januar 2023 ihre diesjährige Neuproduktion in der Regie von Katharina Thalbach wiederaufnimmt, so ist dies eine Hommage an die überaus erfolgreiche Uraufführung vor fast auf den Tag genau 151 Jahren. Es war am Heiligabend des Jahres 1871, als sich am damals neu errichteten Kairoer Opernhaus erstmals der Vorhang für Verdis Opera lirica öffnete und diese ihren internationalen Siegeszug antrat. „Giuseppe Verdi, Aida
Semperoper Dresden, 21. Dezember 2022“
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Nur der Applaus fällt viel zu gemäßigt aus: Julia Fischer spielt Beethoven in der Semperoper

Foto: Tugan Sokhiev und Julia Fischer in der Semperoper © Markenfotografie

Die Ausnahmegeigerin Julia Fischer brilliert mit einer einzigartigen Aufführung des Beethoven-Violinkonzerts, Tugan Sokhiev und die Staatskapelle mit Brahms 1. Zwei Paradestunden des Dresdner Konzertlebens an einem sonst so gewöhnlichen Sonntagmorgen.

4. Symphoniekonzert

Staatskapelle Dresden
Tugan Sokhiev, Dirigent
Julia Fischer, Violine

Werke von Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms

Semperoper Dresden, 13. November 2022

von Johannes Karl Fischer

Ein winterkalter Novembermorgen vor den prachtvollen Bauten der Dresdner Altstadt. Die Stimmung in der majestätischen Semperoper ist so sonnig wie der Himmel, ein schönes Frühstückskonzert erwartet das vorwiegend ältere Publikum. Christian Thielemann hat mit Schulterproblemen abgesagt, statt Mendelssohn steht Beethoven und Brahms auf dem Programm. „4. Symphoniekonzert Staatskapelle Dresden,Tugan Sokhiev, Dirigent, Julia Fischer, Violine
Semperoper Dresden, 13. November 2022“
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Die Hugenotten von Meyerbeer: eine Aufführung der Extraklasse in der Semperoper Dresden

Foto: »Les Huguenots/Die Hugenotten« © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Les Huguenots / Die Hugenotten
7. Vorstellung seit der Premiere am 29. Juni 2019

Die Hugenotten
Musik von Giacomo Meyerbeer
Text von Eugène Scribe und Émile Deschamps

Sächsische Staatskapelle Dresden
Sächsischer Staatsopernchor
Knaben des Kinderchores der Sächsischen Staatsoper Dresden
John Fiore, Dirigent
Peter Konwitschny, Inszenierung
Johannes Leiacker, Bühnenbild und Kostüme

Solisten
Raoul de Nangis, Sergey Romanovski
Marcel, Lawson Anderson
Catherine de Médicis, Sabine Brohm
Marguerite de Valois, Elena Gorshunova
Graf de St. Bris, Tilmann Rönnebeck
Valentine, seine Tochter, Jennifer Rowley
Graf de Nevers, Dimitris Tiliakos
Urbain, Page der Marguerite, Štĕpánka Pučálková
und weitere Solisten

Semperoper Dresden, 22. Oktober 2022

von Olaf und Brigitte Barthier

Eine Grand Opéra in einem der schönsten Opernhäuser

Die Uraufführung fand am 29. Februar 1836 im Le Peletier in Paris statt. Es war Meyerbeers zweite große Oper, die nach „Robert, der Teufel“ zur Aufführung gekommen ist. Sie ist allein in Paris wohl über 1000 mal aufgeführt worden und gehört damit zu den meistgespielten Opern im 19. Jahrhundert.

Auch in Dresden gehörten „Die Hugenotten“ bis in die 1920er-Jahre zum Repertoire des Opernhauses. Durch den aufkommenden Antisemitismus und die Machtübernahme der Nationalsozialisten verschwand Meyerbeer vom Spielplan der Opernhäuser.

Die von uns besuchte Aufführung ist eine Inszenierung von 2019, rückgehend auf einen in Dresden nicht unbekannten Regisseur und dessen Team. Er hat in Dresden bereits vieles inszeniert, in den 90er-Jahren Richard Wagners „Tannhäuser“, noch heute im Repertoire der Semperoper vertreten. In der letzten Spielzeit brachte er Schostakowitschs „Die Nase“ zur Aufführung. „Die Hugenotten, Musik von Giacomo Meyerbeer
Semperoper Dresden, 22. Oktober 2022“
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La Traviata – „die vom rechten Weg Abgewichene“

Nina Minasyan (Violetta Valéry), Liparit Avetisyan (Alfredo Germont)
© Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Semperoper Dresden, 2. Oktober 2022 PREMIERE

La Traviata
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Francesco Maria Piave

Sächsische Staatskapelle Dresden
Sächsischer Staatsopernchor
Leonardo Sini, Dirigent
Barbora Horáková Joly, Inszenierung
Eva-Maria Van Acker, Bühnenbild

Solisten
Violetta Valéry, Nina Minasyan
Alfredo Germont, Liparit Avetisyan
Giorgio Germont, Alexey Markov
Flora Bervoix, Štěpánka Pučálková

von Olaf und Brigitte Barthier

Die Uraufführung fand 1853 in Venedig statt und war zunächst kein großer Erfolg. Erst am 6. Mai 1854 wurde die Oper nach einigen Änderungen von Verdi wieder in La Fenice aufgeführt, dieses Mal in Abwesenheit des Komponisten, und wurde zu einem riesigen Erfolg. Verdis La Traviata ist in Italien das Repertoire-Stück Nr. 1 an jedem Opernhaus, so wie in Deutschland Mozarts Zauberflöte. Es ist daher eine besondere Herausforderung, dieses Stück zu inszenieren, da es Legionen von Interpretationen gibt. „Giuseppe Verdi, La Traviata
Semperoper Dresden, 2. Oktober 2022 PREMIERE“
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Neue Traviata in Dresden: Nina Minasyan verzaubert das Publikum

Štěpánka Pučálková, Tänzer und Tänzerinnen © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

La Traviata
Giuseppe Verdi

Melodramma in drei Akten
Libretto von Francesco Maria Piave

 

Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden
Leonardo Sini   Dirigent

Barbora Horáková Joly   Inszenierung
Eva-Maria van Acker   Bühnenbild

Semperoper Dresden, 2. Oktober 2022 PREMIERE


von Willi Patzelt

La Traviata, Verdis statistisch gesehen erfolgreichste Oper, ist ein Meilenstein der Musikgeschichte. Viele Generationen haben ergriffen in Opernhäusern auf der ganzen Welt mitgelitten, haben in dieser herrlichen Musik geschwelgt. Die Traviata ist die „vom Wege Abgekommene“. Was aber bringt diese Frau vom Weg ab, macht sie also zur Traviata? „Nur“ die Verhältnisse und das Schicksal? Irgendwo kratzt diese Oper schon am Tor zum Verismo – und ist dennoch eine zeitlose Geschichte. In der neuen Inszenierung von Barbora Horáková Joly an der Dresdner Semperoper zeigt sie eine Traviata losgelöst von Zeitumständen, ja relevant für unser Leben. Und so sieht man eine Traviata aus sehr weiblicher Sicht – durchaus diskussionswürdig, aber sehr gelungen. „Giuseppe Verdi, La Traviata
Semperoper Dresden, 2. Oktober 2022 Premiere“
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Mozarts Musik, diese grenzgeniale Musik - ist zum Niederknien

Foto: Semperoper Dresden © Matthias Creutziger

Es ist leider nicht unüblich, dass Opernkritiken in der Regel nur über Premieren, allenfalls über Wiederaufnahmen geschrieben werden. So wichtig und berechtigt das ist – der Kritiker verkennt hierbei eine wesentliche Aufgabe: Die Aufgabe des Kritikers ist es, nicht nur für einen intellektuellen Zirkel derer zu schreiben, die sich Kunst auf einem besonders hohen intellektuellen Niveau nähern (können und wollen), sondern für jedermann. Und jedermann geht nicht nur an Premieren in die Oper, sondern wohl öfter in Repertoire-Vorstellungen. Also hin und wieder einen Blick auf diese zu richten, erscheint somit als eine durchaus vordringliche Arbeit des Kritikers.

Die Zauberflöte
Wolfgang Amadeus Mozart

Große Oper in zwei Aufzügen
Libretto von Emanuel Schikaneder

Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden
Killian Farrell   Dirigent

Josef E. Köpplinger   Inszenierung
Walter Vogelweider   Bühnenbild

Semperoper Dresden, ab 29. Oktober 2022


von Willi Patzelt

Keine Oper steht so oft auf den Spielplänen wie Mozarts Zauberflöte. An der traditionsreichen Semperoper lief über 15 Jahre die alte, zuletzt etwas abgenutzte, Inszenierung von Brecht-Schüler Achim Freyer. Joseph E. Köpplinger, Staatsintendant am Münchner Gärtnerplatztheater, inszenierte 2020 die Zauberflöte in Dresden neu. Und wie! Köpplinger, ein Mann der komischen Oper und der Operette, setzt – frei nach „Faust“ – auf bunte Bilder, wenig Klarheit, viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit. Denn, so lehrt uns Goethe: „So wird der beste Trank gebraut, der alle Welt erquickt und auferbaut.“ „Die Zauberflöte Wolfgang Amadeus Mozart
Semperoper Dresden, ab 29. Oktober 2022“
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