Wer sich mit der Macht zu Tisch setzt, dem vergeht der Appetit – Verdis „Don Carlo“ an der Berliner Staatsoper

Don Carlo © Bernd Uhlig

Berlin, Staatsoper Unter den Linden, 16. September 2023
Premiere am 13. Juni 2004

Giuseppe Verdi, Don Carlo

Massimo Zanetti, Dirigent

Philipp Himmelmann, Inszenierung

Staatskapelle Berlin
Staatsopernchor Berlin

von Dr. Andreas Ströbl

Seit es Ideologien und Religionen gibt, werden andere unterdrückt. Seit es Imperien gibt, leiden die besiegten Völker. Und seit es Familien gibt, herrschen dort immer wieder Sprachlosigkeit und Unverständnis bis zur völligen Zerrüttung.

Philipp Himmelmanns Inszenierung von Verdis „Don Carlo“ an der Berliner Lindenoper ist nun schon fast 20 Jahre alt, aber sie ist so zeitlos-modern, dass diese Produktion auch noch in den kommenden Jahrzehnten aktuell und verständlich sein wird. „Giuseppe Verdi, Don Carlo
Berlin, Staatsoper Unter den Linden, 16. September 2023“
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Evelin Novak und Roman Trekel strahlen mit Wolfs Italienischem Liederbuch

Roman Trekel © Staatsoper Unter den Linden

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 10. Juli 2023

Evelin Novak, Sopran           
Roman Trekel, Bariton         
Oliver Pohl, Klavier  

Hugo Wolf, Italienisches Liederbuch  

von Lukas Baake

Es ist ein seltenes Glück, Hugo Wolfs Italienisches Liederbuch, das subtile und ausgefeilte Spätwerk des Komponisten, in Gänze hören zu dürfen. Zu einem vollends beglückenden Konzerterlebnis werden die 46 Lieder, wenn sie von zwei Ausnahmesängern und einem gleichermaßen einfühlsamen wie bestimmt auftretenden pianistischen Begleiter dargeboten werden. Am Montagabend durften die staunenden Besucher des ausverkauften Apollosaals der Berliner Staatsoper einer solchen unwahrscheinlichen Fügung beiwohnen. Den Hausgrößen Evelin Novak und Roman Trekel gelang auf diese Weise ein famoser Liederabend. „Hugo Wolf, Italienisches Liederbuch 
 Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 10. Juli 2023        “
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Philipp Stölzls „Holländer“ Unter den Linden gerät zum Wimmelbild

Gerald Finley (Der Holländer), Amelie Sturm (Die junge Senta/Komparserie), Magnus Dietrich (Der Steuermann Dalands) © Jakob Tillmann

Staatsoper Unter den Linden Berlin, 3. Juni 2023

Richard Wagner
Der fliegende Holländer

Der Holländer    Gerald Finley
Daland    Jan Martinik
Senta    Vida Miknevičiūtė
Erik    Stanislas de Barbeyrac
Mary    Marina Prudenskaya
Steuermann    Magnus Dietrich

von Peter Sommeregger

Philipp Stölzls Inszenierung von Wagners „Fliegendem Holländer“ hatte bereits 2013 im Ausweichquartier Schillertheater Premiere, war auch in Basel und Barcelona zu sehen. Besser geworden ist sie über die Jahre nicht, der nicht uninteressante Ansatz, die Handlung in der Entstehungszeit des Werkes und in eine Traumsequenz der schwärmerischen Senta zu verorten, ist leider alles andere als neu, inzwischen reichlich altbacken.

Streckenweise werden die Protagonisten szenisch auf zwei Handlungsebenen gedoppelt, was schnell unübersichtlich wird. An manchen Stellen ist die Bühne richtig überfüllt, für den Zuschauer entsteht der Eindruck eines Wimmelbildes. Kein Wunder, dass beim Schlussapplaus das stumme Senta-Double donnernden Zuspruch erhält, offenbar wurde es mit der Sängerin verwechselt. „Richard Wagner, Der fliegende Holländer
Staatsoper Unter den Linden Berlin, 3. Juni 2023“
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Diese Onegin-Aufführung zeigt, zu welch überzeugender Leistung das Berliner Staatsballett in der Lage ist

Konstantin Lorenz (Fürst Gremin), Iana Salenko (Tatjana), Marian Walter (Onegin), Alizée Sicre (Olga), Suren Grigorian (Lenski) (Foto: RW)

Auch der letzte Pas de deux wurde von Iana Salenko und Marian Walter phantastisch interpretiert und technisch überwältigend getanzt. Wie er sie hob, herumwirbelte und mit weit geöffneten Armen mit der Brust auffing, ging unter die Haut. Zwischen beiden stimmte die Chemie.

Staatsoper Unter den Linden, Staatsballett, 13. Mai 2023 Nachmittagsvorstellung

Onegin
Ballett von John Cranko (Stuttgart 1967)

Nach dem Versroman von Alexander S. Puschkin

Bühnenbild und Kostüme: Elisabeth Dalton
Musik von Peter I. Tschaikowsky, bearbeitet von Kurt-Heinz Stolze

Staatskapelle Berlin
Musikalische Leitung: Jonathan Stockhammer

von Dr. Ralf Wegner

Von den Handlungsballetten John Crankos hat sich nicht viel im Repertoire gehalten. Mit Ausnahme von Romeo und Julia sowie der eher selten aufgeführten Widerspenstigen Zähmung wird vorwiegend seine Onegin-Version auf den Bühnen gezeigt. Und das zu recht, handelt es sich doch um ein psychologisch ausdifferenziertes, den Tänzerinnen und Tänzern viel darstellerischen Spielraum lassendes und trotzdem technisch anspruchsvolles, mit vielen Hebungen, Sprüngen und Drehungen durchzogenes Tanzstück. „Onegin, Ballett von John Cranko (Stuttgart 1967),
Staatsoper Unter den Linden, Staatsballett, 13. Mai 2023“
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6 : 5 – Der Tannhäuser-Vergleich Berlin-Hamburg: Die Bundeshauptstadt schlägt die schönste deutsche Stadt knapp

Staatsoper Hamburg, 7. Mai 2023
Staatsoper Unter den Linden, 4. Mai 2023

Foto: © PER-ERIK SKRAMSTAD: Lise Davidsen

Richard Wagner, Tannhäuser

Zwei Tannhäuser binnen 3 Tagen, 300 Kilometer voneinander entfernt: In der Staatsoper Unter den Linden, Berlin, und in der Staatsoper Hamburg.

Das Resultat: Berlin 4 zu Hamburg 3.

„Richard Wagner, Tannhäuser
Staatsoper Hamburg, 7. Mai 2023, Staatsoper Unter den Linden, 4. Mai 2023“
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„Tannhäuser“ Unter den Linden: Statt Sängerkrieg findet ein Sängerfest statt

Anmerkung des Herausgebers: Die Kernaufgabe eines Tenors – im höchsten Register sicher und ausdrucksstark „abzuliefern“ – konnte dieser Tannhäuser nicht ansatzweise erfüllen. Wir sprechen hier leider nur von einem B-Tannhäuser. A.S.

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 4. Mai 2023

Richard Wagner
Tannhäuser

Landgraf Hermann  Grigory Shkarupa

Tannhäuser Vincent Wolfsteiner

Wolfram von Eschenbach Andrè Schuen

Elisabeth Lise Davidsen

Venus Marina Prudenskaya

Inszenierung und Choreographie Sasha Waltz

Dirigent  Sebastian Weigle

von Peter Sommeregger

Wagners romantische Oper Tannhäuser stellt eine Herausforderung für jedes Opernhaus dar. Mindestens vier schwierige Partien wollen adäquat besetzt werden, ein groß dimensionierter Chor ist erforderlich. Selbst ein Haus wie die Berliner Staatsoper Unter den Linden stemmt diese Oper nicht so leicht. Die Neuinszenierung des Jahres 2014 erlebt in diesen Tagen gerade einmal ihre 11. Aufführung. „Richard Wagner, Tannhäuser
Staatsoper Unter den Linden, 4. Mai 2023“
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Berlin: In diesem Rosenkavalier schwingen vor allem vier brillante Stimmen

Camilla Nylund (Feldmarschallin Fürstin Werdenberg © Ruth Walz

Was war das für ein grandioses, fesselndes Schlussterzett! Diese drei brillanten Stimmen, an ihrer Spitze Camilla Nylunds fürstlich voranschreitende Feldmarschallin, füllen die Lindenoper randvoll mit überwältigen Zauberklängen, dass einem nur der Atem stockt!

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 29. April 2023

Der Rosenkavalier
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

von Johannes Karl Fischer

Selbst das bislang eher preußisch-marschartig spielende Orchester mischt auf einmal mächtig im Richard-Strauss-Sog mit. Wie eine Riesenwelle in einem sommerlich warmen Meeresbad fegt diese magische Musik durch den Saal, reißt einen mit der sanften Gewalt der höchsten aller Emotionen in den Strudel von Octavians und Sophies Liebe!   „Der Rosenkavalier, Musik von Richard Strauss
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 29. April 2023“
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Lise Davidsens Elisabeth beherrscht auch die Lindenoper

Fotos: Bernd Uhlig

Die teure Halle der Lindenoper bebt, wenn Lise Davidsen auf die Bühne tritt! Mit ihrem schier unermüdlichen Sopran triumphiert die norwegische Ausnahme-Sopranistin wie eine musikalische Olympiasiegerin. Jeder Ton ihrer Stimme erschüttert einen in Emotionen, reißt jede Seele mitten in die Tränen ihres Flehens für den unschuldigen Tannhäuser.

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 30. April 2023

Tannhäuser
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Johannes Karl Fischer

Mit Lise Davidsens Elisabeth hat die Sopran-Fraktion endgültig eine Antwort auf den furchtlosen Heldentenor Andreas Schager. Doch während der Bäume entwurzelnde Siegfried-Tenor alle anderen mit seiner Stahlkraft-Stimme regelrecht nieder ballert, behält diese sopranistische Sonnengöttin ihren kühlen musikalischen Kopf und findet sich im richtigen Moment in einer zerfließenden Magie der endlosen Tannhäuser-Tutti zu recht. „Tannhäuser Musik und Libretto von Richard Wagner
Staatsoper Unter den Linden, 30. April 2023“
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Nach massivsten Protesten: Berliner Staatsoper Unter den Linden ersetzt echte Kaninchen durch Plüschtiere

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 9. April 2023

Wie in der Werkstatt des Osterhasen: In der Staatsoper liegen 45  Stoff-Kaninchen für den „Ring“ bereit – Foto: Staatsoper Unter den Linden, Berlin

von Kirsten Liese

Ostern ist immer ein grausames Fest für Tiere, insbesondere für Lämmer, die Jahr für Jahr in Heerscharen zur Schlachtbank geführt werden. In diesem Zusammenhang stieß ich in den sozialen Netzwerken auf einen sympathischen Post, der mir von der Seele spricht:

„Hier ist das beste Lamm-Rezept, das ich kenne: Man nehme ein Lamm, rette es und sorge dafür, dass es mit anderen Lämmchen ein glückliches Leben führen kann“.

Womit wir beim Tierschutz wären: An der Berliner Staatsoper mussten an den jüngsten Festtagen in Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von Richard Wagners „Ring“ keine echten Kaninchen mehr bei gleißendem Licht in engen Käfigen leiden. Das versicherte mir auf meine Nachfrage die Pressestelle der Berliner Staatsoper, und das ließ sich einem Bericht der BZ entnehmen, dass das Haus nun auf 45 Plüschhasen umsattelt. Die in dem Blatt abgelichteten plüschigen Stoffkaninchen sehen übrigens – passend zu den österlichen Festtagen – wie Osterhasen aus.

Also, geht doch! Ohne dass gleich das gesamte Inszenierungskonzept über den Haufen geworfen werden musste. Warum nicht gleich, mag sich manch einer derer gefragt haben, die nach der Premiere im Oktober vergangenen Jahres mit ihrer Unterschrift unter einer  Petition ihrem Mitgefühl für die Kaninchen Ausdruck gaben und Attrappen forderten.

Der Blog klassik-begeistert, in dem ich als erste meinem Entsetzen über den Skandal Luft machte, war entscheidend an der Tierschutzkampagne und der Mobilisation der Organisation PETA beteiligt.

Das Bemühen, die armen Kreaturen von der Bühne zu holen,  erwies sich zunächst als ein schwerer Kraftakt mit schrittweisen, kleinen Fortschritten aber auch Rückschlägen.

So hat die Staatsoper zwar zunächst die Meerschweinchen, die zur Premiere auch noch in den Käfigen waren, nach Intervention der Organisation PETA nicht mehr zur Schau gestellt, die Zahl der Kaninchen aber nur reduziert.

Die Anstrengungen der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. , per gerichtlicher Anordnung die Ausbeutung der Tiere zu untersagen, scheiterte vor dem Berliner Verwaltungsgericht.

Aber immerhin hatte die  Staatsoper versprochen, in künftigen Aufführungen keine lebenden Tiere mehr als „Requisiten“ zu strapazieren. Und sie hat Wort gehalten! Dazu herzlichen Glückwunsch!!! Die Tiere, die nun verschont bleiben, werden es den Verantwortlichen danken.

Frohe Ostern!

Kirsten Liese, 9. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Kaninchen-Skandal in der Berliner Staatsoper – der letzte Akt klassik-begeistert.de, 27. Oktober 2022

„Richard Wagner wollte keine Kaninchen auf der Bühne“, Berliner Staatsoper klassik-begeistert.de, 21. Oktober 2022

Jahrhundertsängerin Anja Silja: „Holt die Tiere aus den Käfigen in der Berliner Staatsoper!“ klassik-begeistert.de, 17. Oktober 2022

Dieser „Idomeneo“ ist wie aus einem Guss

STAATSOPER BERLIN, IDOMENEO © Bernd Uhlig

Ich kann es nur noch einmal sagen: Es ist lange her, dass ich eine so grandiose künstlerische Gesamtleistung an einem deutschen Opernhaus, zumal in Berlin, erlebt habe. Dieser Idomeneo ist ein kleines Wunder, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Wolfgang Amadeus Mozart
Idomeneo

Sir Simon Rattle
Berliner Staatskapelle
Staatsopernchor

Inszenierung: David McVicar
Bühne: Vicki Mortimer
Kostüme: Gabrielle Dalton
Choreographie: Colm Seery

Idomeneo    Andrew Staples
Idamante    Magdalena Kožená
Ilia                 Anna Prohaska
Elettra          Olga Peretyatko
Arbace          Linard Vrielink

Staatsoper Unter den Linden, Premiere 19. März

von Kirsten Liese

Ja, gibt es das denn noch? Eine ansprechende Opern-Inszenierung ohne Absurditäten, Hinzudichtungen oder gar komplett umgeschriebenes Textbuch? Eine, die ohne Entstellungen, Missbrauch von Tieren, Crossover-Einlagen, optische (Video)-Überfrachtungen und woke Propaganda auskommt und das Werk nicht verkackeiert?

Gerade in der Berliner Hauptstadt, die zu einem Mekka für Regie-Rabauken geworden ist, hatte ich das gar nicht mehr zu hoffen gewagt. Und so ließ mich die jüngste Staatsopern-Premiere umso überraschter die Augen reiben, verbinden sich doch in diesem Idomeneo Musik und Szene organisch zu einer Einheit, und das ohne großen Aufwand. Das fängt schon damit an, dass der Regie führende David McVicar keine Scheu hat, das auf der Insel Kreta zur Zeit des trojanischen Krieges spielende  Stück in der Antike zu belassen. Das drückt sich vor allem in den von Gabrielle Dalton entworfenen archaischen schönen Gewändern aus. „Wolfgang Amadeus Mozart, Idomeneo
Staatsoper Unter den Linden, Premiere 19. März 2023“
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