Gottfried von Einems "Dantons Tod" in München: Mut wird belohnt

Foto: © Christian POGO Zach
Gärtnerplatztheater München, Premiere,
11. Oktober 2018
Gottfried von Einem, Dantons Tod

Libretto frei nach Georg Büchner eingerichtet von Boris Blacher und Gottfried von Einem

von Barbara Hauter

Das Gärtnerplatztheater traut sich was. Die Volksoper, die für „Die lustige Witwe“ und „Das weiße Rössl“ steht, bringt zum 100. Geburtstag Gottfried von Einems dessen Oper „Dantons Tod“ auf die Bühne. Und die ist das Gegenteil von leichter Kost: eine verstörende, grausame Revolutionsgeschichte mit lauter moderner Musik. Das Publikum verträgt die Zumutung nicht nur, sie findet sie richtig gut. Die Premiere wird mit Bravi belohnt. Kein Wunder, denn das Stück, das mehr Musikdrama als klassische Oper ist, wirkt erschreckend aktuell. Und ist auch ganz bewusst so inszeniert. Das  geht unter die Haut. „Gottfried von Einem, Dantons Tod,
Gärtnerplatztheater München, Premiere, 11. Oktober 2018“
weiterlesen

Beschwingt-traditionell mit moderner Note
Ein braver Tanz auf dem Vulkan

Foto © Marie-Laure Briane
Die lustige Witwe, Operette in drei Akten
Libretto von Victor Léon und Leo Stein
Musik von Franz Lehár, Spielzeitpremiere
Staatstheater am Gärtnerplatz, München, 29. September 2018

Von Barbara Hauter

Seit über 100 Jahren wird die „Lustige Witwe“ im Münchner Gärtnerplatztheater gespielt. Intendant Josef E. Köpplinger liefert mit seiner Interpretation die  – seit 1906 – zwölfte Witwen-Inszenierung des Hauses. Das Gärtnerplatztheater ist eine Volksoper, dessen Publikum sich vor allem einen schönen Abend machen will und unbeschwert entlassen werden möchte. Und diese Aufgabe gelingt der Regiearbeit: die Kostüme – prächtige Glitzerroben mit voluminösen Colliers für die Damen und Frack mit Lackschuhen für die Herren – kommen gut an.  Die fetzigen Ballettszenen und vor allem die beschwingten, mitreißenden Mitsumm-Melodien des solide spielenden Orchesters liefern den ersehnten Theaterzauber. „Franz Lehár, Die lustige Witwe, Staatstheater am Gärtnerplatz, München, 29. September 2018“ weiterlesen

"La Strada": Dreiecksgeschichte im Staatstheater am Gärtnerplatz – dieses Ballett lässt keinen kalt

Foto: Marie-Laure Briane (c)
Staatstheater am Gärtnerplatz, München,
23. September 2018
La Strada, Ballett
von Marco Goecke nach dem gleichnamigen Film von Federico Fellini
Buch von Federico Fellini und Tullio Pinelli
Musik von Nino Rota

von Barbara Hauter

Ein Körper wie Michelangelos David. Die Hände riesenhafte Pranken, zum Zerreißen gespannte Armmuskeln. Zampanó, der kettensprengende Schausteller, ist geballte Männlichkeit. Özkan Ayik tanzt ihn ausdrucksstark. Doch seine Bewegungen irritieren: Der Muskelbepackte zuckt, scheint wie gefangen in seinem riesenhaften Körper, hebt seine Arme wie ein Ertrinkender. Eine Dreiecksgeschichte entspinnt sich zwischen ihm, dem Mädchen Gelsomina (Verónica Segovia) und  Matto, dem Seiltänzer (Javier Ubell).

Neben dem brutalen Kerl verschwindet das Mädchen fast, tanzt ebenso zuckend, hektisch mit den Händen gestikulierend. Als würden Chiffren in den Raum geschrieben. Nur der Seiltänzer bewegt sich im klassischen Sinne tanzend, fliegt in großen Sprüngen leichtfüßig über die Bühne. Doch er ist dabei fast flüchtig. Auch er irritiert.  Allen fehlt Verbindung – zu sich selbst, zu einander und zum Boden. „La Strada, Ballett,
Staatstheater am Gärtnerplatz, München“
weiterlesen

"My Fair Lady" in München: Amüsieren erlaubt – ein Fingerhut voll Glück

Foto: © Marie-Laure Briane
Staatstheater am Gärtnerplatz, München,
Spielzeitpremiere, 21. September 2018
My Fair Lady, Musical
Nach Bernard Shaws Pygmalion und dem Film von Gabriel Pascal
Buch von Alan Jay Lerner
Musik von Frederick Loewe
Deutsch von Robert Gilbert
Münchner Textfassung von Josef E. Köpplinger
Ins Bairische übertragen von Stefan Bischoff

von Barbara Hauter

Wenn man nach einem Musicalbesuch vergnügt zur Straßenbahn tanzt und dabei die gerade gehörten Melodien vor sich hin summt, dann haben die Theatermacher alles richtig gemacht. Beim Musicalklassiker My Fair Lady, den das Münchner Gärtnerplatztheater 2018 neu inszeniert hat, ist das gelungen: Beschwingt und elegant wird rundum gute Unterhaltung serviert. Die Inszenierung könnte sich durchaus neben Londoner West-End.Produktionen sehen lassen, so rasant wird in die Theaterzauberbox gegriffen: Mitklatschnummern und mitreißende Choreografien, Drehbühne und historisierende Kostüme, ein präzise auf den Punkt spielendes schmissiges Orchester – hingucken und zuhören macht einfach Spaß! „My Fair Lady, Musical, Spielzeitpremiere,
Staatstheater am Gärtnerplatz, München“
weiterlesen

München: Prächtige Besetzung in netter Operetten-Drollerie

Foto: Christian Pogo Zach (c)
Staatstheater am Gärtnerplatz, Premiere am 14. Juni 2018
Oscar Straus, Der tapfere Soldat – Operette – Buch von Rudolf Bernauer und Leopold Jacobson nach Motiven von Bernard Shaws »Helden«

von Tim Theo Tinn

1886 stehen sich Major Alexius Spiridoff (Bulgare) und der Schweizer Söldner (bei den Serben) Bumerli als Hauptmann gegenüber. Spiridoff und seine Reiter können die entscheidende Schlacht für sich entscheiden, weil in Bumerlis Kanonen blinde Munition steckt. Er flieht und landet ausgerechnet im Haus von Nadina, der Verlobten seines Gegners. Hier verrät er die wahren Hintergründe der vermeintlichen Heldentat. Am Ende angelt sich Bumerli Nadina und die hübsche Mascha den Spiridoff – und alles löst sich in Wohlgefallen auf. „Oscar Straus, Der tapfere Soldat,
Staatstheater am Gärtnerplatz“
weiterlesen

Maria Stuarda in München: Reduziertes Theater zwischen Konzert und Oper – Ausstieg aus der Unterhaltung

Foto: © Christian POGO Zach
Gaetano Donizetti, MARIA STUARDA, Tragedia lirica
Staatstheater am Gärtnerplatz, München,
Premiere 22. März 2018

Von Tim Theo Tinn

„Man muss als Regisseur aussteigen aus der Idee, die Leute die ganze Zeit unterhalten zu wollen. Es ist ein Abend zwischen Konzert und Oper, ein reduziertes Theater!“ Weil es Belcanto sei, behauptet Michael Sturminger dies vor der Premiere (Abendzeitung). Er hat tatsächlich einen faden szenischen Aufguss der „Tragedia lirica“ – lyrische Tragödie – von Donizetti und Schiller abgeliefert. „Gaetano Donizetti, MARIA STUARDA,
Staatstheater am Gärtnerplatz, München“
weiterlesen

Gärtnerplatz, München – Mozarts rätselhaftes Meisterwerk macht Spaß auf leichten Füßen der Poesie – Kasperl- im Menschentheater

Titelbild: © Marie-Laure Briane
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte, Theater am Gärtnerplatz, München,
4. März 2018

von Tim Theo Tinn

Die acht Jahre alte Inszenierung hat sich von sämtlichen Deutungszwängen befreit und wurde von Rosamund Gilmore mit leichter, gekonnter und wissender Hand gemacht, wie sie ist. Die Rezeptionsgeschichte der Zauberflöten-Inszenierungen ist werkimmanent von Märchen, Zauber, Humanismus und Philosophie durchsetzt. Es gibt keine Versuche mit bis zu intellektuellen Blähungen sogenanntes Heute herzustellen, z. B. kam Sarastro in der Schweiz mal aus dem Kühlschrank. Am Gärtnerplatz wird das Stück absolut heutig in seinem Gewand gelassen, dadurch wird kein Thema negiert, der Zuschauer kann dieses so, ohne Interpretationszwänge mit möglicher Deutungskeule, annehmen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte, Theater am Gärtnerplatz, München, 4. März 2018“ weiterlesen

My fair Lady am Gärtnerplatz, München - sensible Beachtung der Vorlage, hervorragende Einrichtung und Protagonisten

Bilder © Marie-Laure Briane
Frederick Loewe, My fair Lady, Theater am Gärtnerplatz München,

3. März 2018

von Tim Theo Tinn

Dieses Meisterstück anspruchsvoller Unterhaltung sollte man nicht befragen, um daraus möglicherweise mit Gehirnakrobatik etwas Anderes zu schaffen.  Motto: Never change a winning team – hier das Musical, wie man es kennt. Dazu bedarf es einiger Uneitelkeit. Am Gärtnerplatz ist dies gepaart mit ungeheurem Regie-, Choreografie-Vermögen, brillanten Darstellern, toller musikalischer Einrichtung, ebensolchem Vortrag, sowie Perfektion auf allen Ebenen. „Frederick Loewe, My fair Lady, Theater am Gärtnerplatz München, 3. März 2018“ weiterlesen

Pralles Musiktheater, das Spaß macht: fein, heutig – und doch im Spiegel von immerwährendem Sexismus und kruder Moral

Titelbild:  Bildquelle Gärtnerplatztheater/ Christian Pogo Zach
Albert Lortzing, Der Wildschütz, Staatstheater am Gärtnerplatz, München
23. Februar 2018

Dirigat, Kiril Stankow
Regie, Georg Schmiedleitner
Choreografie, Ricarda Regina Ludigkeit
Bühne, Harald Thor
Kostüme, Alfred Mayerhofer
Licht, Wieland Müller-Haslinger
Graf von Eberbach, Liviu Holender
Die Gräfin, seine Gemahlin, Margarete Joswig
Baron Kronthal, Bruder der Gräfin, Alexandros Tsilogiannis
Baronin Freimann, Schwester des Grafen, Mária Celeng
Nanette, ihr Kammermädchen, Anna-Katharina Tonauer
Baculus, Schulmeister, Christoph Seidl
Gretchen, seine Braut, Jasmina Sakr
Pankratius, Haushofmeister des Grafen, Martin Hausberg
Ein Hochzeitsgast, Thomas Hohenberger
Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz     

von Tim Theo Tinn

Ein beglückender schnörkelloser Abend, dem der Spagat zwischen krudem Biedermeier, theatralem heutigem Anspruch und glänzender Unterhaltung gelungen ist, genial und simpel. Statt sich durch mühselige Chronologie von Ort, Zeit und Handlung zu hangeln, geschieht stilbildendes ewiges Theater verpackt als heutige Revue: Verkleidung, Verwechslung, Verstellung mit durchweg attraktiven Protagonisten und erfreulicher psychologisch/ dramaturgischer Stimmigkeit – es gab keine inhaltliche Verfälschung gem. Regietheater-Unsitte. „Albert Lortzing, Der Wildschütz, Staatstheater am Gärtnerplatz, München 23. Februar 2018“ weiterlesen