Foto: (c) http://rolandovillazon.com / Centre Stage Artist Management
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 27. Mai 2018
Claude Debussy, PELLÉAS ET MÉLISANDE
von Peter Sommeregger
Die Wiederaufnahme der legendären Ruth-Berghaus-Inszenierung an diesem schwül-feuchten Maisonntag stand unter keinem allzu glücklichen Stern. Dabei hatte die Staatsoper Unter den Linden ihren Generalmusikdirektor sowie eine höchst prominente Besetzung für die Hauptpartien aufgeboten.
Debussys einzige vollendete Oper ist wahrhaft keine leichte Kost, eine gewisse Enttäuschung über das Gehörte war einem Teil des Publikums auch deutlich anzumerken. Daniel Barenboim dirigierte den Pelléas zum ersten Mal. Zwar konnte er „seiner“ Staatskapelle Berlin durchaus schöne Klangfarben entlocken, sein Dirigat fiel aber insgesamt erheblich zu breit aus und der in diesem Werk ohnehin schwer zu haltende Spannungsbogen wollte sich nicht recht einstellen.
Zwei Rollendebüts an diesem Abend konnten unterschiedlicher nicht ausfallen: die französische Mezzosopranistin Marianne Crebassa sang ihre erste Mélisande beseelt und zart und war stimmlich wie darstellerisch der ruhende Pol, bot eindeutig die stärkste Leistung dieses Abends.
Rolando Villazon, der einst gefeierte Tenor, versucht seit einer Weile mit Bariton-Partien eine Rückkehr auf die Opernbühne, sein Pélleas-Debüt erschöpfte sich allerdings im Sprechgesang und die wenigen Versuche, zu einer Gesangslinie zu finden, endeten kläglich. Die Stimme gehorcht ihm nicht mehr, daher bleibt er vorsichtshalber sehr leise, was natürlich die musikalische Architektur des Werkes erheblich beeinträchtigt.
Als wahrer stimmlicher Berserker erwies sich einmal mehr Michael Volle als Golaud. Was Villazon zu leise war, war Volle zu laut. Sein teutonisch sprödes Timbre klang nicht wirklich angenehm, und die schwierige Balance dieses impressionistischen Dramas kippte durch ihn endgültig.
In kleineren Rollen waren Anna Larsson, Dominic Barberi, Wolfgang Schöne und ein ausgezeichneter Tölzer Chorknabe zu hören. Letzterer wurde vom Publikum, das nach über drei Stunden etwas erschöpft wirkte, begeistert gefeiert. Lediglich Villazon musste sich einige Buhs gefallen lassen, die aber keineswegs unverdient waren. Ein Abend der gemischten Gefühle.
Peter Sommeregger, 28. Mai 2018, für
klassik-begeistert.de
Ich war aus Nürnberg in Berlin und hatte mich sehr auf etwas ganz Neues mit der Debussy-Oper gefreut. Aber welche Enttäuschung: der Sprechgesang – natürlich ohne Opernarien – zog sich endlos hin bei immer gleichem, abstraktem Bühnenbild, das mir zum Text und dem impressionistischen Debussy nicht stimmig genug war, so dass ich – was noch nie in meinem Leben vorkam – die Oper in der Pause verließ. Frau Merkel, die zwei Reihen vor mir saß, tat mir richtig leid, da sie wohl durchhalten musste. Schade, dass es an der „Komischen Oper“ gerade nicht dran war, wäre bestimmt besser gewesen. Ich war richtig gelangweilt, kam noch nie vor!
Helga Müller
Eine der zutreffendsten Kritiken, die ich seit langer Zeit gelesen habe. Wir waren nicht begeistert. Welch furchtbar statische Inszenierung! Und das trotz eines guten Bühnenbilds. Echt schade. Der arme Barenboim, muss 3,5 Stunden das durchstehen, wir konnten wenigsten dazwischen etwas einnicken.
Florian
Wir kamen aus Amsterdam, um die Pelléas in der Staatsoper Unter den Linden zu sehen. Dies war unser fünfter oder sechster Pelléas seit Dutzenden von Jahren und möglicherweise der beeindruckendste. Mélisande war sowohl im Gesang als in der Schauspielerei großartig, genau wie Yniold. Golaud zeigte all die Wut, Macht und Angst, die für seine Rolle entscheidend sind. Die Inszenierung brachte Maeterlincks Text als viel mehr als nur einen symbolistischen Traum heraus: eine Studie in menschlicher Manipulation, mit drei Männern auf einer #metoo-Spur – und Mélisandes Persönlichkeit als eine, die an Selbstzerstörung grenzt. Wir hoffen, dass Frau Merkel und andere im Publikum so überwältigt waren wie wir.
Daan Bronkhorst und Elisabeth Leijnse, Amsterdam