Zauberhafte Stimmen auf einer entzauberten Zauberinsel

Georg Friedrich Händel, Alcina  (Libretto: „L’Isola di Alcina“, 1728,  nach Ludivico Ariostos „Orlando furioso“),  Theater an der Wien, 26. September 2018

Foto: Marlis Petersen (Alcina) Herwig Prammer (c)
Georg Friedrich Händel Alcina
(Libretto: „L’Isola di Alcina“, 1728,
nach Ludivico Ariostos „Orlando furioso“),
Theater an der Wien, 26. September 2018

Von Charles E. Ritterband

© Herwig Prammer Marlis Petersen (Alcina), David Hansen (Ruggiero), Katarina Bradič (Bradamante)

Mit der kargen Inszenierung von Tatjana Gürbaca wurde niemand so recht glücklich, nicht einmal der Intendant des Theaters an der Wien. Da war immer dieselbe graue Vulkanlandschaft (mit gelegentlichen pyrotechnischen Vulkanausbrüchen) zu sehen. Eine Felslandschaft auf der ein einsamer Baum um seine Existenz kämpft und ein paar Blätter sprießen ließ , die dann wieder (technisch beeindruckend) zu Boden flatterten und wo hier und dort verloren ein paar bunte Kunstblumen sprießten. Diese triste Insel lag unter einem schwer lastenden, ebenfalls grau verhangenen Himmel auf dem Rundhorizont, aus dem es bisweilen in Strömen schüttete. Mehr gab es während der ganzen langen Oper nicht zu sehen, was dann doch mit der Zeit etwas monoton wirkte – aber dafür gab es umso mehr, und Wunderbares, zu hören. Mitwirkende meinten, diese Derniére, die letzte Aufführung dieser ersten Produktion der Wintersaison 2018/2019 sei die schönste der ganzen Serie gewesen. Gut möglich.

Da Dirigat von Stefan Gottfried, des Nachfolgers  (und langjährigen Assistenten sowie Continuo-Spielers ) von Nikolaus Harnoncourt zeugte von vertieftem Verständnis für Barockmusik und insbesondere den Komponisten Händel. Gottfried hat ein großes Erbe angetreten. Er leitet den großartigen Concentus Musicus zugleich präzis, souverän und unprätentiös – vielleicht muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, zu stark auf Mezzoforte zu beharren und sich weder in die Bereiche des Piano oder Forte zu wagen. Aber das gehört wohl zu Gottfrieds ausgeglichenem und untheatralischem Dirigierstil: Seine Maxime ist unverkennbar Beständigkeit, Ausgeglichenheit und Genauigkeit – und hebt sich damit ab vom der energiegeladenen und ungebremst temperamentvollen Stil seines Vorgängers Harnoncourt.  Gottfried, der mit der Partitur sehr sorgsam umgegangen ist, glang es, trotz einiger kleinerer Unstimmigkeiten die Tradition von Harnoncourts Originalklang-Ensembles nahtlos fortzusetzen.

Habitués des Theater an der Wien haben diese Produktion von Händels Alcina bereits als „Meilenstein“ qualifiziert.  Dass damit weder die Inszenierung noch das Bühnenbild sondern allein die musikalische Qualität gemeint war, liegt auf der Hand.

Großartig waren sämtliche Frauenstimmen. In der Titelrolle sang Marlis Petersen stimmlich überragend und gesanglich sehr solide Alcina, die zauberkräftige und unglücklich verliebte Herrscherin der Insel. Petersen zeigte sich allen vokalen Herausforderungen souverän und mit großer Ausdruckskraft gewachsen.

© Herwig Prammer David Hansen (Ruggiero), Florian Köfler (Melisso),

Der Schiffbrüchige Ruggiero, in den sich Alcina unsterblich verliebt, wurde vom australischen Countertenor David Hansen gegeben, der bis zum Schluss forciert und allzu laut sang – bis er sich in seiner letzten Arie zu überraschender Brillanz aufschwang und die bisherigen Unzulänglichkeit gleichsam ungeschehen machte. Als Gegenpol der Sängerknabe Christian Ziemski mit seiner glockenhellen Stimme und einer – für sein Alter – erstaunlichen Professionalität und Präzision.

Die musikalisch beeindruckendsten Leistungen kamen von Katarina Bradić, die ihre edle Alto-Stimme warm und vor allem in den tiefen Lagen harmonisch strömend fließen ließ  und von Mirella Hagen mit ihrem fulminanten und bei aller Brillanz und Ausdauer stets wunderschönen Koloratursopran – in seiner Helle bildete dieser einen herrlichen Kontrast zu den Tiefen von Katarina Bradić.

Charles Ritterband, 28. September 2018, für
klassik-begeistert.de

Musikalische Leitung, Stefan Gottfried
Inszenierung, Tatjana Gürbaca
Alcina, Marlis Petersen
Ruggiero, David Hansen
Morgana, Alcinas Schwester, Mirella Hagen
Bradamante, Ruggieros Verlobte, Katarina Bradić
Oronte, Alcinas Feldherr, Rainer Trost
Melisso, Bradamantes Begleiter, Florian Köfler
Oberto, Sohn Astolfos, Christian Ziemski
Orchester, Concentus Musicus Wien
Chor, Arnold Schönberg Chor (Leitung: Erwin Ortner=

 

 

 

 

 

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