Turandot: Es trieft nur so vor Opulenz inmitten der imposanten Naturkulisse des Römersteinbruchs

Giacomo Puccini, Turandot  Oper im Steinbruch, 16. Juli 2021

Für alle Puristen und Klangfetischisten ist es hingegen ernüchternd in St. Margarethen

Foto: Turandot © Jerzy Bin

Oper im Steinbruch, 16. Juli 2021
Giacomo Puccini, Turandot

von Jürgen Pathy

Oper im Steinbruch, das ist ein Festival für alle Sinne – könnte man zumindest meinen. Optisch und kulinarisch bietet das Open-Air-Festival, das seit 1996 jährlich stattfindet, fast alles, was das Herz begehrt. In diesem Jahr steht an 16 Abenden Puccinis „Turandot“ am Programm. Neben der atemberaubenden Kulisse, die der Römersteinbruch in St. Margarethen bietet, wird rundherum auch ausgiebig fürs leibliche Wohl gesorgt.

Kunst, Kulinarik und Gesellschaft

An den vielen Ständen, nur einen Steinwurf von der Freiluftbühne entfernt, gibt es heimische Spezialitäten wie Wildwürstel und Kaiserschmarren. Ebenso ausgiebig fließt der Wein. Der hätte im Burgenland, das bekannt ist für seine feinen Tropfen, zwar besser gewählt werden können, sorgt aber zumindest für ausgelassene Stimmung.

Wer es sich leisten mag, dem kredenzt man in der Opernlounge, einem eigens abgetrennten VIP-Bereich, sogar noch asiatische Kokossuppe, Filet vom Sonnenschwein und andere asiatisch angehauchte Gaumenfreuden. So weit, so gut. Denn all das fügt sich stimmig und stringent zu Thaddeus Strassbergers opulenter Inszenierung.

Auch wenn der Amerikaner, der dem Stamm der Cherokee-Indianern angehört, die rund 7000 m² große Bühne nicht ganz so überladen gestalten hätte müssen, mit all der Pyrotechnik und den exotischen Kostümen setzt er zumindest ein eindeutiges Statement: Schaut her, wir sind anders. Bei uns ist alles größer und gewaltiger. Selbst die Mauersegler, die über den Köpfen des Publikums ihr Katz-und-Maus-Spiel treiben, wirken im Steinbruch übermütiger als anderswo. Einzig und allein das Wichtigste – die Akustik –, die gerät bei diesem „Adabei“-Festival, bei dem man dabei gewesen sein muss, etwas ins Hintertreffen. Der Grund: durch Mikrofone verstärkte Stimmen.

Eine Niederlage der Akustik

Da nutzt es auch nichts, dass Martina Serafin als Turandot einen guten Tag erwischt. Obwohl die Wienerin, die aus einer Künstlerfamilie stammt, hin und wieder ins Schrille abgleitet, strömt ihr tiefes als auch mittleres Register dramatisch nachdrücklich. Ebenso überzeugend scheint die Stimme von Donata D’Annunzio Lombardi, die als Liù mit ihren lyrischeren Arien einen starken Kontrast zu ihrer Kontrahentin bildet.

Foto: Trotz einiger Schwächen im hohen Register gefällt Martina Serafin als Turandot © Jerzy Bin

Magische Momente sucht man allerdings vergebens. Aufgrund des unnatürlichen Klangs, der durch die Boxen extrem hallend und verzerrt klingt, verfehlt selbst Calafs Parade-Arie „Nessun dorma“, die der Georgier Mikheil Sheshaberidze gibt, ihre Wirkung. Noch schwerer fällt die Beurteilung des Orchesters. Das wird unter der Leitung des Italieners Giuseppe Finzi überhaupt nur per Lautsprecher eingespielt.

Summa summarum bleibt zu sagen: Wer es liebt, wenn das Gesamtkonzept einer Aufführung vor Opulenz nur so trieft, dem sei ein Besuch in St. Margarethen ans Herz gelegt. Inmitten der imposanten Naturkulisse des Römersteinbruchs wird man dort sicherlich ein einzigartiges, vor allem optisches Spektakel erleben. Für alle Puristen und Klangfetischisten, die es lieben, wenn sie in den Makrokosmos des orchestralen Klangs eintauchen können, dürfte der Besuch eher ernüchternd werden!

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 17. Juli 2021, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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