„Sie sind wie Philemon und Baucis!“

Martha Argerich und Mischa Maisky gastieren in Wuppertal  Wuppertal, Historische Stadthalle, 6. Juni 2023

Foto: Klavierfestival Ruhr 2023, Argerich, Maisky © Christian Palm

Wuppertal, Historische Stadthalle, 6. Juni 2023

Martha Argerich und Mischa Maisky gastieren in Wuppertal.

Ludwig van Beethoven (1770-1827) – Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 2 in g-Moll op. 5/2

Claude Debussy (1862-1918) – Sonate für Violoncello und Klavier in d-Moll

Frédéric Chopin (1810-1849) – Sonate für Violoncello und Klavier in g-Moll op. 65

Martha Argerich, Klavier
Mischa Maisky, Violoncello

von Brian Cooper, Bonn

Uli wäre da gewesen. Und der verstorbene Konzertfreund hätte schon nach der ersten der drei Zugaben (Schubert, Schostakowitsch, Kreisler) unwirsch „Nun ist’s aber gut“ gesagt – immer im Sinne der Ausführenden, die gerade zwei Stunden für uns geackert haben und seiner Meinung nach endlich von den dankbar bis gierig Applaudierenden in Ruhe gelassen werden sollten. Auf dem Weg zum Bahnhof hätte er dann Martha Argerich und Mischa Maisky mit Philemon und Baucis verglichen. Ich habe seine Stimme im Ohr.

Die Pianistin und der Cellist musizieren seit vier Jahrzehnten miteinander. Die Rede ist oft von „blindem Verständnis“, und wenn man die beiden zusammen auf der Bühne erlebt, kann man das fasziniert nachempfinden. Da ist das gemeinsame Atmen. Das, nun, nicht so sehr direkte Anschauen, sondern vielmehr in die Richtung des bzw. der Anderen blicken. Das aufeinander Eingehen, einander Erahnen und vor allem das aufeinander Hören. Und ja, darin gleichen die beiden einem alten Ehepaar, das noch sehr verliebt ist, sich blind versteht und sich noch sehr viel zu sagen hat.

Martha Argerich und Mischa Maisky beim Klavierfestival Ruhr 2023 in der Historischen Stadthalle Wuppertal © Christian Palm

Der akustisch so wunderbare Große Saal der Historischen Stadthalle ist natürlich ausverkauft. Musik macht hier erst einmal das Publikum: Unter der Leitung des Intendanten Franz Xaver Ohnesorg wird ein Happy Birthday angestimmt, denn Martha hatte tags zuvor Geburtstag, ist 82 geworden, und Mischa gab vor 50 Jahren sein erstes Konzert im Westen. Für die meisten im Saal ist es ein Wiedersehen mit alten Freunden, die man beim Vornamen nennt, einem „Ehepaar“, das man immer wieder gern besucht. Sie wirken so jugendlich.

Martha Argerich und Mischa Maisky beim Klavierfestival Ruhr 2023 in der Historischen Stadthalle Wuppertal © Christian Palm

Unter dem Gesang des Publikums – schwungvoll übrigens, das Tempo haltend, anders als diese trägen Kirchengemeinden, die man noch immer sonntags im Radio hört – kommen sie also auf die Bühne. Beethovens g-Moll-Sonate klingt ganz zu Beginn noch etwas heiser, doch das legt sich spätestens, als wir in Es-Dur angelangt sind. Da ist er wieder, dieser beseelte Ton aus dem Montagnana-Cello, oft gehört, immer wieder toll. Der letzte Satz, das Rondo, gerät zum Höhepunkt der Sonate: neckisch, leichtfüßig.

Vor der Pause noch die kurze Debussy-Sonate, selten genug im Konzert zu erleben. Die langsame Einleitung spielt Maisky schmerzvoll, sehnsuchtsvoll; beeindruckend gelingen die Dialoge der beiden in der Serenade, die mit ihren vielen von Maisky mit großzügigem Vibrato gestalteten pizzicati geradezu spanisch anmutet, wie auch im letzten Satz. Für meinen extra aus Bayern für diesen Abend angereisten Begleiter übertraf der Debussy noch den Beethoven.

Martha Argerich und Mischa Maisky beim Klavierfestival Ruhr 2023 in der Historischen Stadthalle Wuppertal © Christian Palm

Ähnlich wie drei Tage zuvor beim Duisburger Rezital Krystian Zimermans gehörte der Höhepunkt eines sehr guten Abends jedoch Frédéric Chopin. Dessen op. 65 wird zumindest in meinem Exemplar der Aufnahme von Martha Argerich und Mstislav Rostropovich (!) als „Sonate für Klavier und Violoncello“ bezeichnet. Natürlich ist der Klavierpart groß angelegt, schließlich ist es Chopin, und schon die von Martha Argerich mit großer Geste gespielte Einleitung war ein großer Genuss. Insgesamt durfte das Publikum einen perfekt ausbalancierten Dialog zweier einander bis ins letzte Detail vertrauenden Jahrhundertbegabungen erleben. Die schlichte Melodie des kurzen langsamen Satzes gehörte für mich, wie auch die erste Schubert-Zugabe („Du bist die Ruh“) zu den stillen Höhepunkten des Abends.

Martha Argerich und Mischa Maisky beim Klavierfestival Ruhr 2023 in der Historischen Stadthalle Wuppertal © Christian Palm

Dieser Abend war übrigens der 30. Auftritt von Martha Argerich beim Klavier-Festival. Mischa Maisky kommt auf zehn. Wünschen wir Philemon und Baucis viele weitere Jahre gemeinsamen Musizierens, beim Klavier-Festival Ruhr und anderswo.

Dr. Brian Cooper, 7. Juni 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Klavierfestival Ruhr 2023, Konzert Krystian Zimerman Mercatorhalle Duisburg, 3. Juni 2023

Anne-Sophie Mutter, Mischa Maisky, Martha Argerich Laeiszhalle Hamburg, 21. Juni 2021

Martha Argerich Festival, Martha Argerich, Mischa Maisky, Laeiszhalle Hamburg

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert