Musikalische Freuden im Wilden Westen – erlebt in der Hamburgischen Staatsoper

Puccini, La fanciulla del West  Hamburgische Staatsoper, 21. März 2025
Anna Pirozzi © Julian Hargreaves


Dies ist einer dieser Opernabende, wie ich sie liebe: erstklassige Sänger, die ihren Rollen szenisch und gesanglich Profil verleihen, ein Dirigent, der das Orchester bei Puccinis Klangmalerei unverdrossen schwelgen lässt und eine Regie, die den Handlungsablauf weder stört, noch verzerrt. Die Wiederaufnahme der “La fanciulla del West” von Giacomo Puccini zu den “Italienischen Opernwochen” sorgt beim Publikum für große Zustimmung.

Die Hamburgische Staatsoper, 21. März 2025

Giacomo Puccini
LA FANCIULLA DEL WEST
Oper in drei Akten
(Libretto von Guelfo Civinini und Carlo Zanganari)

Musikalische Leitung: Antonio Fogliani

Inszenierung: Vincent Boussard
Bühne: Vincent Lemaire
Kostüme: Christian Lacroix, Vincent Boussard

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, 21. März 2025

von Jean-Nico Schambourg

Drei Hauptfiguren – Sopran und Tenor als Liebende, daneben wie immer der Bariton als Spielverderber – ein großes Männerensemble mit vielen kleinen Rollen sowie das Orchester als klanglicher Hauptinterpret. Das sind die musikalischen Vorgaben für diese ganz spezielle Puccini-Oper, die von den einen als sein größtes Werk gepriesen, von anderen wiederum zerrissen wird.

Die Hamburgische Staatsoper nimmt zu den “Italienischen Opernwochen” die Oper in der Inszenierung von Vincent Boussard aus dem Jahre 2015 wieder in ihr Programm auf und besetzt sie mit hervorragenden Interpreten.

Für die Darstellung der Titelrolle der Minnie besitzt Anna Pirozzi die perfekte Stimme: fest, sicher, zupackend, aber auch kindlich verträumt, wenn sie über Liebe und ihre Sehnsüchte singt. In dieser harten Männerwelt gibt es wenig Platz für Gefühlsduselei. Mit festen Spitzentönen weiß Anna Pirozzi sich durchzusetzen, auch gegen das Männerensemble und das Orchester, das mit Momenten mächtig auftrumpft. Hier hat sie ganz klar ihre Stärken, kann aber auch die lyrischen Momente der Rolle mit Tönen der Sehnsucht vokal ausfüllen.

Auch Jack Rance hat sich in dieser brutalen Welt sein Plätzchen gesichert als Sheriff. Schon von der Körperstatur her überragt Claudio Sgura seine Schicksalsgefährten. Mit griffiger Baritonstimme verschafft er sich Respekt. Seine kurze Arie, mit der Rance Minnie seine Liebe gesteht, weiß Sgura mit samtenem Klang und schönem Legato vorzutragen, ehe er gleich wieder als Raubein Minnie seine Liebe aufzwingen will.

Mit dieser Rauheit kommt er aber bei Minnie nicht an. Da weiß der Bandit Ramerrez, getarnt als Dick Johnson, sich schon besser anzulegen. Dieser liegt in den Händen, oder besser gesagt in der Kehle des amerikanischen Tenors Gregory Kunde.

Archiv © 2015 Brinkhoff/Mögenburg

Diesem Sänger zuzuhören ist immer wieder eine große Freude. Egal ob in Werken der “Grande Opéra” à la Meyerbeer, ob in Werken des Bel Canto, ob in Werken von Verdi oder des italienischen Verismo, ob in Werken des 20. Jahrhunderts, Kunde trifft immer den rechten Ton. Dass er dieses breite Rollenspektrum über Jahre so großartig gestalten kann, liegt natürlich an einer totalen Beherrschung der Gesangstechnik.

Auch an diesem Abend kann man diese wieder einmal bewundern. Besonders in der Mittellage und im Passaggio wird die Tenorstimme bei dieser Oper ein Vielfaches beansprucht. Kunde überwindet diese musikalischen Klippen meisterhaft, kann aber auch mit kräftigen vollen Spitzentönen aufwarten.

Gregory Kunde © Chris Gloag

Getragen werden er und seine Sängerkollegen hierbei vom Orchester unter der Leitung von Antonino Fogliani, der wieder einmal beweist, welch vollständiger “Kapellmeister” er ist und wie breit gefächert auch seine Repertoirekenntnisse sind. Dabei sei vor allem der zweite Teil des Wortes,“Meister”, hervorgehoben: Meisterhaft weiss er Puccinis Klanggemälde dem Philharmonisches Staatsorchester Hamburg zu entlocken. Mal schwelgerisch in großem Forte, mal träumerisch verspielt erklingt es aus dem Graben.

Das Orchester kann man als den musikalische Hauptinterpret dieser Oper bezeichnen.

Ebenso bedarf es eines exzellenten Ensembles für die vielen Nebenrollen. Die Hamburgische Staatsoper kann an diesem Abend ein solches vorweisen.

Ob Sonora von Tigran Martirossian, Nick von Andrew Dickinson, Jake Wallace von David Minseok Kang, Bello von Charles Rice, um nur einige zu erwähnen: Alle geben ihren Rollen das nötige Profil. Auch der Herrenchor der Hamburgischen Staatsoper fügt sich nahtlos in diese Reihe ein und trägt seinen Teil zum Erfolg des Abends bei.

Betreffend der Inszenierung von Vincent Boussard, von dem auch die Kostüme in Zusammenarbeit mit Christian Lacroix stammen, gilt hauptsächlich, dass sie nicht stört. Des Öfteren erscheint sie bewegungsarm. Dies liegt auch teilweise am Bühnenbild von Vincent Lemaire. Im Zentrum des Bühnenbildes steht im ersten Akt eine bühnenbreite Theke, die die Goldgräber von dem Orchestergraben trennt und an der sie dann aufgereiht stehen. Aber das ist so in einer Kneipe.

Im zweiten Akt stellt ein schiefhängender Kasten das kleine Zimmer von Minnie dar und engt die Bewegungsfreiheit ein. Eine Treppe im Hintergrund, voll mit Büchern, führt ins Nichts. Da erscheint es ein wenig komisch, wenn der verletzte Dick Johnson sich auf offener Treppe versteckt und Jack Rance ihn bei seiner Hausdurchsuchung nicht gleich entdeckt, auch nicht, wenn einzelne Bücher von der Treppe herunterfallen.

Am Ende des dritten Aktes erzwingt Boussard quasi eine oratorienhafte Atmosphäre, indem er die Goldgräber an der Rampe aufreihen lässt, während Minnie und Johnson langsam nach hinten von der Bühne verschwinden.

Es muss nicht immer um des reinen Skandals wegen gehen, wie leider viele heutige sogenannten Star-Regisseure es uns glauben lassen wollen.

Das Werk sollte immer im Vordergrund stehen.

Das Hamburger Publikum bedankte sich an diesem Abend bei allen Interpreten mit viel Applaus.

Jean-Nico Schambourg, 23. März 2025
für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giacomo Puccini, La Fanciulla del West, Staatsoper Hamburg, 19. Mai 2019

La Fanciulla del West, Giacomo Puccini Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 23. Oktober 2022

Giacomo Puccini, „La Fanciulla del West“, Staatsoper Unter den Linden Berlin, 16. Juni 2021

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