Hojotohoo – Farbenfrohoo! "Die Walküre" in Bayreuth

Richard Wagner, Die Walküre  Bayreuther Festspielhaus, 29. Juli 2021

Zum Schluss des dritten Aufzugs spritzen Maler rote und dunkelorange Farbtöne aus den Eimern direkt auf die Leinwand. Auf diese Weise erscheint ein Bild der Flammen, mit denen Loge das Bett der schlafenden Brünnhilde umgeben soll.

Bayreuther Festspielhaus, 29. Juli 2021
Richard Wagner, Die Walküre

Foto: Farbspektakel des Hermann Nitsch. Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele

Die „Walküre” – als konzertante Aufführung bei den Bayreuther Festspielen – wird mit einem Farbspektakel verbunden, das die Gemüter spaltet.

von Jolanta Łada-Zielke

Die konzertante Aufführung der „Walküre“ war eine Notlösung für die für 2020 geplante Neuproduktion des gesamten „Rings des Nibelungen“, die aus naheliegenden Gründen nicht stattfand. Besonders enttäuscht war damals der österreichische Bass Günther Groissböck, wodurch sein Debüt als Wotan ins Jahr 2022 verschoben wurde.

In dieser Saison sollte er diese Partie in der „Walküre” singen, die genau  in diesem Teil des „Rings” am schwierigsten ist. Nach der Generalprobe verzichtete er aber darauf, und die Rolle ging an Tomasz Konieczny. Die Wahl des Ersatz-Wotans war sehr treffend. Der polnische Bassbariton singt die Partie schon seit einigen Jahren und fühlt sich dabei wie ein Fisch im Wasser; das konnte man während der Premiere merken. Wotan war in Koniecznys Intepretation in erster Linie ein Vater, in dessen Innerem starke Emotionen aufeinanderprallen: die Wut und der Wunsch, seine ungehorsame Tochter zu bestrafen, und gleichzeitig Bedauern und fast Verzweiflung, dass er es tun muss. Sein Brünnhilde-Abschiedsgesang war besonders rührend.

Obwohl die Aufführung in einer Oratoriumform eher statisch war, konnte man leicht umrissene Interaktionen zwischen den Charakteren sehen. Sie waren alle in den gleichen schwarzen Gewändern gekleidet und mit sicheren Abständen voneinander aufgestellt, nur die Darsteller von Sieglinde und Siegmund (Lise Davidsen und Klaus Florian Vogt) gingen in der Liebesszene aufeinander zu.

Davidsen, die vor zwei Jahren in Bayreuth als Elisabeth glänzte, stärkte in diesem Jahr ihre Position in der Festivalbesetzung. Die norwegische Sopranistin hat alles, was eine Wagner-Sängerin haben soll: eine kräftige, gleichmäßig fleischige Stimme mit breitem Umfang, ein angemessenes Erscheinungsbild, hohe Gesangskultur und Schönheit, die mit keinem Make-up korrigiert werden muss. Selbst wenn sie piano sang, war jedes Wort deutlich zu hören.

Unter den Frauenstimmen stelle ich die Mezzosopranistin Christa Mayer auf den zweiten Platz, die eine ausdrucksvolle Fricka verkörperte.

Der erste Einsatz Brünnhildes wurde vermasselt. Iréne Theorin schrie und stönte die  „Hojotoho“-Arie aus, stürzte sich aggressiv auf hohe Töne. Erst später stellte sich heraus, dass sie besser singen kann, dass ihre Stimme über eine schöne, dunkle Farbe verfügt. Die lyrischen Fragmente wie „Zu Wotans Willen sprichst du …“, oder „So sag ich Siegvater nie …“ sang sie ruhig und ergreifend, ohne schaukelndes Vibrato.

Klaus Florian Vogt gefiel dem Publikum noch besser als Walter von Stolzing im „Tannhäuser“. Einige behaupten, seine Stimme ist für Siegmund noch nicht reif genug, aber meiner Meinung nach hat er sich der Aufgabe gestellt. Ich würde ihn gerne bald als jungen Siegfried sehen.

Die diesjährigen Bayreuther Debütanten sind auch erwähnenswert. Der finnische Dirigent Pietari Inkinen fesselte das Publikum von den ersten Tönen der Ouvertüre an. Man konnte sich dabei gut vorstellen, wie Siegmund durch den Wald flieht und seine Feinde ihn verfolgen. Anschließend verlor Inkinens Dirigat ein wenig an Schwung, das kann aber noch bis nächstes Jahr verbessert werden.

Auch Dmitry Belosselskiy als Hunding hatte in Bayreuth einen gelungenen Start.

Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Hinter dem Rücken der Sänger läuft eine Malaktion, inszeniert vom österreichischen Aktionskünstler Hermann Nitsch. Das war eine interessante Ergänzung zur statischen Aufführung der Oper. Die Farbwahl harmoniert perfekt mit dem Inhalt des Librettos. Wie Nitsch im Interview mit BR Klassik sagte, wolle er für „Die Walküre” alle Farbtöne des Regenbogens nutzen. Während der gesamten Aufführung saß er im Regiestuhl und signalisierte den Einsatz der Farben.

Fünf Performer gießen auf eine im Hintergrund stehende riesige weiße Leinwand die Farbstoffe, die in dünnen Bächen daran herunterlaufen. Im ersten Akt verwendet man verschiedene Grün- und Blautöne mit einem Hauch von Violett. Andere Mitglieder des Malerteams, die die Farbe auf das auf dem Boden platzierte Brett verschütten, sodass ein farbiger Teppich entsteht, haben ähnliche Farbtöne zur Verfügung.

Als ich am Ende des ersten Aktes die Augen leicht zudrückte, sah ich eine dunkle Waldmauer im Hintergrund. Im zweiten Akt konnte ich das nicht wieder tun, denn die Farbwahl wechselte wie in einem Kaleidoskop: von warmen Gelb-Orange-Tönen, in die plötzlich Hell-, dann Anthrazitgrau und sogar Schwarz einschleichen, um Wotans Zwiespälte im Gespräch mit Fricka zu veranschaulichen. Zum Schluss des dritten Akts spritzen Maler rote und dunkelorange Farbtöne aus den Eimern direkt auf die Leinwand. Auf diese Weise erscheint ein Bild der Flammen, mit denen Loge das Bett der schlafenden Brünnhilde umgeben soll.

Obwohl sich dieser Farbeffekt als sehr interessant herausstellte, war ich gespannt, ob diese Aktion die Sänger nicht stört; ob sie die Geräusche des Plantschens und Schabens der Stockbürsten hinter ihren Rücken nicht zu stark ablenken….

Trotzdem finde ich es toll, dass sich in einer für Künstler so schwierigen Zeit auf dem Grünen Hügel in Bayreuth etwas Spannendes tut…

Jolanta Łada-Zielke, 30. Juli 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Die Walküre Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2021

BESETZUNG 2021

Musikalische Leitung Pietari Inkinen
Aktionskünstler Hermann Nitsch
Licht Peter Younes
Siegmund Klaus Florian Vogt
Hunding Dmitry Belosselskiy
Wotan Tomasz Konieczny
Sieglinde Lise Davidsen
Brünnhilde Iréne Theorin
Fricka Christa Mayer
Gerhilde Kelly God
Ortlinde Brit-Tone Müllertz
Waltraute Stephanie Houtzeel
Schwertleite Christa Mayer
Helmwige Daniela Köhler
Siegrune Nana Dzidziguri
Grimgerde Marie Henriette Reinhold
Rossweisse Simone Schröder

 

5 Gedanken zu „Richard Wagner, Die Walküre
Bayreuther Festspielhaus, 29. Juli 2021“

  1. Wer sich bei einer lyrischen Stimme, wie der von Klaus Florian Vogt, sich diesen als Siegfried vorstellen kann, hat offenbar noch nie einen Siegfried gehört oder schlichtweg keine Ahnung von Stimmen. Die Rezensentin kann dann gern Zeugin der Körperverletzung werden, wenn der von ihr Bejubelte sich 2023 in Zürich an eben jener Partie vergreifen wird.
    Was versteht die Rezensentin unter einem „angemessenen Erscheinungsbild“ in Bezug auf die Sieglinde Lise Davidsen? Was haben Äußerlichkeiten bei der Einschätzung von Künstlern verloren?

    Mat Lorey

  2. Nehmen Sie sich das bitte nicht zu sehr zu Herzen, wenn ich jetzt hier auf hohem Niveau meckere. Aber ich finde diese Kritik enttäuschend. Nach dem Durchlesen bin ich kein bisschen schlauer über Qualität, Ausdruck oder Wirksamkeit der Aufführung. Mich interessiert: War diese Aufführung ein lohnenswertes Erlebnis? Wenn ich dort gewesen wäre: Wäre ich begeistert gewesen? Hätte es mich ergriffen? Haben die Elemente miteinander harmoniert oder hätte sich Inszenierung und Musik (wie leider so oft) gegenseitig gestört, sodass für mich als Besucher ein Bruch entstanden wäre? Gerade auch zum Engagement von Hermann Nitsch, den ich selber extrem kritisch sehe: Hätte das im Kontext von Wagner funktioniert, oder wäre ich auch hier mit über’m Kopf zusammengeschlagenen Händen schreiend aus dem Konzertsaal gestürmt? Kurzum: Wäre ich gut unterhalten, möglicherweise sogar ergriffen oder eher gelangweilt, angeekelt, enttäuscht oder sogar schockiert aus dieser Aufführung gekommen?

    Diese Fragen bleiben auch nach Lesen der Rezension unbeantwortet. Damit habe ich das Gefühl, als Leser mit dieser Rezension meine Zeit verschwendet zu haben.

    Herzlichst,
    Daniel Janz

    1. Lieber Herr Janz,
      verlangen Sie nicht zu viel und urteilen zu hart? Mich hat die Rezension von Frau Łada-Zielke angesprochen, vor allem auch wegen ihres Eingehens auf die sängerischen Leistungen. Für mich wäre die Aufführung lohnend gewesen. Ob das alles in Zusammenhang mit Wagner funktioniert oder ob sich Inszenierung und Musik gegenseitig stören, wäre für mich nicht entscheidend. Es gibt im Übrigen fast keine Opernaufführung, in der mich nicht irgendetwas stört.

      Sie haben auch auf den Beitrag von Herrn Pathy geantwortet. Haben Sie die Rezension von Herrn Kesting, auf den er bezug nimmt, und seine spätere Ergänzung gelesen? Sie sind nicht detailliert darauf eingegangen. Mir hat Kestings Rezension zum Salzburger Don Giovanni gefallen. Auch trotz bzw. wegen der anspruchsvollen Wortwahl. Jedenfalls war diese um einiges qualifizierter als die von Kollegen anderer Tageszeitungen.

      Mit vielen Grüßen, Ihr Ralf Wegner

      1. Lieber Herr Dr. Wegner,

        auch mir hat die Rezension von Jolanta Łada-Zielke sehr gut gefallen –
        von der Schilderung der Inszenierung bis zu den wunderbaren Stimmenbeschreibungen war alles rund.

        Teile von Herrn Kestings Wortwahl haben mir indes nicht gefallen – zu abgehoben und eitel. Sein Urteil bezüglich
        Teodor Currentzis zeugt auch von einem Generationengefälle.

        Herzlich

        Andreas Schmidt
        Herausgeber

  3. Einem Feuerzauber, wie ich ihn am 5. Dezember 1960 in der Wiener Staatsoper erlebte (Inszenierung Herbert von Karajan, Bühnenbild Emil Preetorius), bin ich nicht mehr begegnet. Flammen über die ganze Bühnenhöhe. Im ersten Moment der Schreckgedanke: Die Oper brennt! Im Hintergrund die schwarze Gestalt Wotans (Hans Hotter).

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