Tenor singt im Liegen schöner als im Stehen

Rigoletto, Giuseppe Verdi
Hamburgische Staatsoper, 22. Oktober 2016

Wer eine etwas in die Jahre gekommene Rigoletto-Inszenierung mit nicht vollends überzeugenden Solisten und einem akzeptablen Dirigat an der Hamburgischen Staatsoper erleben möchte, der kann sich in noch fünf weiteren Aufführungen im Haus an der Dammtorstraße einen schönen Abend bei einer wunderbaren Jahrhundertkomposition machen.

Giuseppe Verdis „Rigoletto“ – Uraufführung: am 11. März 1851 im Teatro La Fenice in Venedig ­­– gehört zu den meist aufgeführten Opern weltweit und enthält so beglückende Passagen wie die berühmte Rigoletto-Arie im zweiten Akt („Cortigiani, vil razza dannata“ / „Feile Sklaven“), den Gassenhauer „La donna è mobile“ / „Oh, wie so trügerisch sind Weiberherzen“ sowie das phantastische Gewitter und Todesmotiv im dritten Akt.

Bis zur Pause schien es, als sängen die Darsteller nur mit angezogener Bremse. Einen ganz schlechten Start erwischte der italienische Tenor Ivan Magrì als Herzog von Mantua. Er war überhaupt nicht eingesungen und versemmelte anfangs zahlreiche Töne. Schön hört sich anders an! Auch am hohen C im ersten Akt scheiterte er. Im zweiten und dritten Akt wurde er zum Glück besser und vermochte phasenweise mit einer angenehmen Klangfarbe zu überzeugen. Er bekam den wenigsten Applaus der drei Hauptprotagonisten nach der Darstellung.

Des Herzogs Angehimmelte, Gilda, die Tochter des Rigoletto, wurde von Hayoung Lee dargeboten. Die Südkoreanerin ist seit 11 Jahren Ensemblemitglied der Hamburgischen Staatsoper. Keine Frage: Sie singt die Töne fast immer richtig, aber Italianità hört sich wirklich anders an. Hayoung Lee bot einen klaren und kraftvollen Sopran, allein was fehlte, waren Hingabe und Herzenswärme, die für diese Rolle von Nöten sind. Auch mit dem italienischen „R“ stand die Sängerin bisweilen ein wenig auf Kriegsfuß.

Aber es gab auch einen deutlichen Ausbruch nach oben an diesem Abend: Der italienische Bariton Franco Vassallo sang den Rigoletto vor allem mit Beginn des zweiten Aktes sehr ausdrucksstark und ergreifend. Er bestach in allen Lagen durch eine hochsensible, weiche wie dramatische Stimme. Sie ist rund und voll und sehr angenehm zu hören. Vassallo ist ein echter Verdi-Bariton mit subtiler Pianokultur und sicher geführten Ausbrüchen. Das toppte er dann noch im Finale: Mit den Worten „la maledizione! / der Fluch!“ endete eine sehr gute Vorstellung.

Auch das Publikum bedachte Vassallo mit dem kräftigsten Beifall. „Dieser Bariton hat als Rigoletto eine durchdringende und dramatische Stimme“, sagte die Hamburger Stammbesucherin Inge Boese, 74. Auch Torben Moerup, 62, der mit seiner Frau Britta Martinsen, 62, aus dem dänischen Esbjerg angereist war, war von dem Italiener angetan: „Das ist die mit Abstand beste Solopartie an diesem Abend.“

Franco Vassallo glänzte in diesem Jahr auch schon als Renato in Verdis „Maskenball“ und als Rigoletto an der Bayerischen Staatsoper in München. Der gebürtige Mailänder war zuletzt auch an der Wiener Staatsoper (Amonasro / „Aida“), am Royal Opera House in London (Giorgio Germont, „La Traviata“) und an der Opéra National de Paris („Rigoletto“) zu hören.

Der Dirigent Gregor Bühl zeigte im Vergleich zu Rossinis „La Cenerentola“ und Tschaikowskys „Pique Dame“ eine inspiriertere und dynamischere Orchesterführung der Hamburger Philharmoniker. Vor allem schien er den Posaunen, die noch zwei Tage zuvor bei „Pique Dame“ deutlich zu laut gespielt hatten, klar gemacht zu haben, dass es sich bei einer Opernaufführung um eine Darstellungsform handelt, bei der vor allem die Stimmen sauber zu hören sein müssen.

Zu fragen bleibt indes, warum der in Hannover lebende Gregor Bühl, der nicht zu den Spitzenleuten seines Faches zählt, drei der vier Oktober-Produktionen mit dem Philharmonischen Staatsorchester leiten muss. Das Gastspiel des Klangkörpers in Südamerika und die gleichzeitige B-Besetzung in Hamburg dürfte keine Entschuldigung sein. Erstaunlich war gleichzeitig, dass der Tenor Ivan Magrì das berühmte „La donna è mobile“ im dritten Akt beim zweiten Anlauf – liegend – mit mehr Hingabe und Klangschönheit zu intonieren vermochte als im Stehen beim ersten Anlauf, wo auch Abstimmungsprobleme mit dem Orchester offenkundig wurden.

Die Inszenierung von Andreas Homoki ist bei der 100. Vorstellung (!) seit der Premiere am 16. Oktober 1994 deutlich in die Jahre gekommen. Sie ist schlicht und ergreifend langweilig – bis auf ein paar schöne Schwenkszenen mit einer langen gelben Leiter. Ansonsten steht auf der Bühne nur ein blaues Häuschen und eine gelbe Krone als Ausdruck der Macht des Herzogs, dazu ein weißer Hintergrund mit schwarzen Strichzeichnungen. Packende Operninszenierung sieht anders aus.

Die Handlung: Der bucklige Hofnarr Rigoletto, nie um einen Scherz auf Kosten anderer verlegen, steht in den Diensten des Herzogs von Mantua. Sein einziges Lebensglück ist seine Tochter Gilda. Als Rigoletto miterleben muss, wie sie den berechnenden Liebesschwüren des skrupellosen Herzogs erliegt, sinnt er auf Rache: Der Auftragsmörder Sparafucile soll den Verführer töten. Doch Gilda opfert sich für ihren Geliebten. Rigoletto wird gewahr, dass er seine Tochter in den Tod getrieben und sein eigenes Leben zerstört hat.

Weitere Aufführungen in der Hamburgischen Staatsoper:
– Donnerstag, 27. Oktober 2016, 19.30 Uhr
– Sonntag, 30. Oktober 2016, 18 Uhr
– Dienstag, 1. November 2016, 19.30 Uhr
– Donnerstag, 16. März 2017, 19.30 Uhr
– Sonntag, 19. März 2017, 15 Uhr

Andreas Schmidt, 22. Oktober 2016
klassik-begeistert.de

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