Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.
Hugo Wolf „Der Feuerreiter“ Konstantin Krimmel – Bariton, Doriana Tchakarova – Piano. Helmut Deutsch Liedwettbewerb, Wien 2018, 1. Preis
von Lorenz Kerscher
Wenn ein Gesangsstudent im dritten Studienjahr beginnt, sich für Wettbewerbe anzumelden, ist er im Normalfall erst einmal froh, überhaupt zur Teilnahme zugelassen zu werden, und wertet es dann als einen großen Erfolg, über die erste Runde hinauszukommen. Dass Konstantin Krimmel schon in diesem Stadium einen Preis nach dem anderen nach Hause brachte, belegt ein außergewöhnliches Talent, das seine Lehrer in eine gute Richtung lenken konnten. Das war vor allem Teru Yoshihara an der Musikhochschule Stuttgart, der ihn erst einmal von den ursprünglichen Ambitionen im Tenorfach abbrachte und ihm als Bariton einen besser gangbaren Weg zum Olymp wies. Verdient machte sich auch Doriana Tchakarova als seine Dozentin in Liedgestaltung. Für diese ausdrucksstarke bulgarische Pianistin interessiere ich mich schon seit einigen Jahren, auch weil in ihrem Umfeld immer wieder sehr beachtenswerter sängerischer Nachwuchs in Erscheinung tritt. Sie verfügt über umfassende Repertoirekenntnisse und ein untrügliches Gespür für passende Programme, mit denen die jungen Leute ihre künstlerische Persönlichkeit entwickeln können.
Für Konstantin Krimmel waren vor allem die romantischen Balladen eine Steilvorlage für seinen durchaus risikobereiten Gestaltungswillen und seine stimmliche Vielseitigkeit. „Der Zwerg“ von Schubert, „Balsazar“ von Schumann, Hugo Wolfs „Feuerreiter“ und das große Oeuvre von Carl Loewe ließen dem Zuhörer so manchen Schauer kalt über den Rücken laufen. Ebenso konnte der junge Künstler sein Publikum und auch Fachleute mit wohliger Wärme, Witz und Charme begeistern. So gewann er in den Jahren 2018 und 2019 nach meiner Zählung neun Preise bei angesehenen, überwiegend internationalen Wettbewerben. Hierbei war meist Doriana Tchakarova seine Verbündete am Klavier, ebenso auch bei Konzerten und auf der 2019 erschienenen Debüt-CD. „Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?“ war der Titel dieses Tonträgers wie auch eines gemeinsamen Konzertprogramms, das das Publikum ebenso begeisterte wie die Rezensenten – unter die ich mich für Klassik begeistert im Mai 2020 ebenfalls einreihte. Natürlich verdankte er seine Wettbewerbserfolge nicht nur den Balladen, sondern der Fähigkeit, alle Stile des klassischen Lieds vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart in verschiedenen Sprachen und immer herausragend textverständlich abzudecken.
DAS LIED (Heidelberg 2019) Finale | Konstantin Krimmel & Doriana Tchakarova
An der Oper steht er noch am Anfang seiner Karriere. Auch hier gibt es Geschichten zu erzählen, etwa in Wolframs „Lied an den Abendstern“ von der erdenmüden Seele, die ihren Weg zum Himmel nimmt, oder, thematisch ganz entgegengesetzt, in der Registerarie des Leporello, in der dieser der entsetzten Donna Elvira von den Liebesabenteuern und Vorlieben seines Herrn Don Giovanni berichtet. Da seine Stimme auch sehr gut mit dem Orchesterklang harmoniert, konnte er mit diesen beliebten Arien auch bei auf Operngesang ausgerichteten Wettbewerben wie „Debüt“ in Bad Mergentheim und dem Viotti-Wettbewerb in Vercelli punkten.
Konstantin Krimmel – Viotti Opera Singing Competition, Finale 2018, „O du mein holder Abendstern“ (2. Preis)
Auf der Opernbühne ist Wagner für einen Rising Star zunächst einmal Zukunftsmusik, doch als Leporello konnte er schon auftreten. Und zwischen den Coronawellen konnte er im September 2020 immerhin Mozarts Figaro am Wiesbadener Staatstheaters darstellen. Mit dem Engagement als Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper ab der Spielzeit 2021/22 wird seine Opernkarriere dann weiter Fahrt aufnehmen.
Der 1. Preis beim Helmut-Deutsch-Liedwettbewerb in Wien 2018 beinhaltete auch drei Konzerte, die er mit dem namensgebenden berühmten Liedspezialisten geben durfte. So wurden auch andere namhafte Pianisten wie z.B. Ammiel Bushakevitz und Daniel Heide auf ihn aufmerksam und wollten ebenfalls mit ihm konzertieren. Daraus ergaben sich Auftritte auf international bedeutenden Liedpodien wie der Schubertiade Hohenems und der Londoner Wigmore Hall und die Mitwirkung an einem Gedenkkonzert für die Opfer der Nazigreuel in Theresienstadt, das im März 2021 in Madrid stattfand. Damit bestätigte er weit über Deutschlands Grenzen hinaus die Worte von Helmut Deutsch, der ihn als einen der besten Liedinterpreten der ganz jungen Generation bezeichnet hatte. Ein kleiner Trost für die Einschränkungen der Coronazeit ist, dass einige seiner Liederabende gestreamt wurden und in Youtube immer noch zur Verfügung stehen (siehe auch die unten verlinkte Playlist).
Liederabend im Stream aus dem Bockenheimer Depot der Frankfurter Oper: Konstantin Krimmel und Daniel Heide, März 2021
Dank seines ganz besonderen Talents hatte Konstantin Krimmel einen sehr guten Start. Doch der allergrößte Teil der Strecke liegt noch vor ihm. Bühnenkünstler können sich nur Schritt für Schritt entwickeln, indem sie passende Rollen gründlich erarbeiten und in einem Reifungsprozess immer überzeugender mit Leben füllen. Mit seiner Stärke und Erfahrung im Liedgesang wird ihm dafür ein Werkzeugkasten mit unzähligen feinen Nuancen des Ausdrucks zur Verfügung stehen. Deshalb wird es sehr interessant sein, seine Karriere zu verfolgen, von der ich mir als Musikfreund noch viele Sternstunden verspreche.
Weiterführende Information:
Biografisch sortierte Playlist in Youtube
Konstantin Krimmel in Wikipedia
Lorenz Kerscher, 7. Oktober 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jonas Kaufmann & Helmut Deutsch, CD-Rezension, Liszt, Freudvoll und leidvoll klassik-begeistert.de
Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.
„‘Musik ist Beziehungssache‘, so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“