Christian Thielemann hält eine Lehrstunde in Sachen Wagner und Brahms

Wiener Philharmoniker, Dirigent: Christian Thielemann, Wagner und Brahms  Wiener Musikverein, 24. April 2024

Thielemann © Dieter Nagl

Richard Wagner:          
Vorspiel zu „Lohengrin“                      
Vorspiel und Isoldes Liebestod aus „Tristan und Isolde“

Johannes Brahms: Symphonie Nr. 2 in D-Dur op. 73

Wiener Philharmoniker
Dirigent: Christian Thielemann

Wiener Musikverein, 24. April 2024


von Herbert Hiess

Nun, da hat wieder der „Krankheitsteufel“ zugeschlagen; statt einer musikalischen Führung durch Rom mit Werken von Ottorino Respighi kam großartigst wieder Christian Thielemann ans Dirigentenpult.

Anlässlich dieser Konzertserie wurde er zum Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker ernannt und hat auch bei diesem Konzert bewiesen, dass er diesen Titel allemal verdient. Heute, wo die paar verbliebenen Stars schon in die Jahre gekommen sind und bei den jüngeren Damen und Herren kaum wirklich nennenswerte Kandidaten vorhanden sind, ist er mit dem abgedroschenen Titel „Stardirigent“ tatsächlich fast alleinstehend. Sogar die Wiener Philharmoniker tun sich schwer, tatsächlich interessante Persönlichkeiten zu akquirieren.

Christian Thielemann und das Spitzenorchester spielten als Hauptwerk wieder die zweite Symphonie von Johannes Brahms. Mittlerweile haben die Künstler dieses Stück auf ein Weltklasseniveau gehoben. Unglaublich, mit welcher Delikatesse diese Symphonie zum Klingen gebracht wurde. Wieder mit der Wiederholung der Exposition im ersten Satz; einzigartig, wie die Streicher und die Posaunen den schwebenden Seitensatz zum Schweben gebracht haben. Und im Adagio bewies wieder der Solohornist Ronald Janezic, was für ein großartiger Musiker er ist.

Das Allegretto war schon fast mehr ein Allegro; herrlich die kurzen Streicherstakkati mit sanften Akzenten. Das Finale war dann mehr als furios. Irgendwie verstörend waren hier merkwürdige Konzertbesucher, die nach jedem Satz (sogar nach dem Adagio) glaubten, ihre Nicht-Kenntnis durch unnötigen Zwischenapplaus zu demonstrieren.

© Wolf-Dieter Grabner, Goldener Saal, Musikverein Wien

Vor der Pause gab es einen „Spoiler“ zur kommenden Staatsopernpremiere von Wagners „Lohengrin“, wo Thielemann und die grandiosen Geiger und Flöten in leisem A-Dur den Abstieg des Sohns von Parsifal erklingen ließen, um bei seiner Ankunft in strahlendem Blech und Schlagwerk zu münden. Das erhöht die Vorfreude auf die Wiener Opernproduktion, die man schon anlässlich der Osterfestspiele 2023 in Salzburg sehen konnte. In Wien spielte die große Besetzung mit acht Kontrabässen, während in Salzburg die Staatskapelle Dresden aus unerfindlichen Gründen nur sechs Kontrabässe im Orchester hatte.

Danach kam Vorspiel und Isoldes Liebestod mit der bekannten Cellokantilene und dem anschließenden „Tristan-Akkord“ (f-h-dis-gis). Schon allein der Tritonus (Anm.: Intervall von drei Ganztönen) ist ein Markstein und dis/gis deuten eine nicht vollkommene Auflösung an. Über diesen Akkord gibt es recht zahlreiche Abhandlungen.

Also Thielemann und die hervorragenden Cellisten und Holzbläser machten mit den anderen Musikerkollegen ein gewaltiges Fest – danach kam der Höhepunkt des Konzertes; nämlich der berühmte „Liebestod“.

Gänsehaut pur schon allein durch das sanfte Murren der Streicher, der Bassklarinette und der anderen Instrumente. Unglaublich, mit welcher Leidenschaft Dirigent und Orchester sich in die Orchesterfassung von Isoldes Abgesang stürzten.

Damit hat der sich bescheiden nur „Kapellmeister“ nennende Dirigent seine heutige Alleinstellung als Wagner-Interpret wieder grandios bewiesen.

Herbert Hiess, 23. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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