„Castor et Pollux“ in Salzburg: Teodor Currentzis führt Rameau zu ungewollter Reife

Teodor Currentzis und das Utopia Orchester © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

In Salzburg ist alles anders. Teodor Currentzis stellt die Erwartungen an „Castor et Pollux“ komplett auf den Kopf. Wer Peter Sellars Inszenierung aus Paris kennt, dem erscheint nicht nur die Szene anders: Konzertant war Rameaus Barockoper für die Salzburger Felsenreitschule geplant, halbszenisch ist es geworden. Der größte Unterschied allerdings – der Klang: wie ein Mozart-Requiem statt der barocken Leichtigkeit. Der Utopia-Chor sticht hervor, Jeanine De Bique als Telaïre ebenfalls.

 Jean-Philippe Rameau, Castor et Pollux
Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 29. August 2025

Teodor Currentzis, Dirigent
Utopia, Chor und Orchester

Jeanine De Bique, Télaïre
Yulia Vakula, Phébé
Reinoud Van Mechelen, Castor
Marc Mauillon, Pollux
Claire Antoine, Minerve/Eine Dienerin der Hébé
Natalia Smirnova, Vénus/Ein seliger Schatten
Nicholas Newton, Mars/Jupiter/Ein Athlet
Laurence Kilsby, L’Amour/Der Oberpriester Jupiters/Ein Athlet
Vitaly Polonsky, Choreinstudierung

von Jürgen Pathy

„Viele Frauen sind im Orchester“, fällt nicht nur dem Herrn neben mir auf. Eingang C Mitte links, Reihe 13, Platz 19, Felsenreitschule in Salzburg. Nicht das Einzige, was erwähnenswert ist: Nachdem Teodor Currentzis energisch in die Ouvertüre stürzt, wird sofort klar: Wer im Pariser Palais Garnier Anfang des Jahres dabei war, wird sich auf einen anderen Sound einstellen müssen. „Alle 13 Vorstellungen“, seien dort ausverkauft gewesen, betont Helga Rabl-Stadler, die „Altpräsidentin“ der Salzburger Festspiele. Sie ist ebenfalls live dabei, wie Markus Hinterhäuser und Neo-Festspieldirektorin Kristina Hammer, um die Festspielsaison mit einem großen Namen ausklingen zu lassen. „Jean-Philippe Rameau, Castor et Pollux
Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 29. August 2025“
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Salzburg schließt mit einer Bruckner-Ehrenrunde für Welser-Möst 

Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst Dirigent © SF/Marco Borrelli

Mit einer fulminant feierlichen Bruckner 9 kehrt der ehemalige Chefdirigent der Wiener Staatsoper nach längerer krankheitsbedingter Pause zurück aufs Podium der Wiener Philharmoniker. Am Ende war das Publikum für diese Sternstunde des Philharmonikerklangs zurecht völlig aus dem Häuschen!   

Wiener Philharmoniker
Franz Welser-Möst, Dirigent

Werke von Mieczysław Weinberg und Anton Bruckner 

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 30. August 2025

von Johannes Karl Fischer

Schon im Vorfeld dieses magisch musizierten Weinberg- und Brucknermorgens herrschte große Euphorie: Nach zahlreichen gesundheitsbedingten Absagen in letzter Zeit kehrte der gefeierte Dirigent Franz Welser-Möst zurück ans Podium der Wiener Philharmoniker und ließ den zauberhaften Klang dieses Orchesters in aller Pracht aufblühen. „Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst, Dirigent
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 30. August 2025“
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Asmik Grigorian fegt den Salzburger Macbeth in die Operngeschichtsbücher

Macbeth 2025 © SF Ruth Walz

Diese Verdi-Macbeth zur feierlichen Abschiedsrunde der Salzburger Festspiele 2025 gehörte eigenhändig der sopranistischen Heldin des Abends, Asmik Grigorian. Nicht weniger eindrucksvoll  geriet Krzysztof Warlikowskis packende Regie, und auch Philippe Jordan erhob das Orchester in wolkige Verdi-Höhen!

Macbeth
Musik von Giuseppe Verdi

Libretto von Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach William Shakespeare

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 29. August 2025

von Johannes Karl Fischer

Im Publikum war von der „größten Opernsensation seit Maria Callas“ die Rede, das war auf jeden Fall ein Abend für die musikalischen Geschichtsbücher! Keine Ahnung, wie viele der heute Anwesenden die wahrscheinlich berühmteste Gesangslegende des Jahrhunderts noch gehört haben werden, ein paar bestimmt, egal. Frau Grigorian jedenfalls stürzte sich mit Eifer und Inbrunst in die Partie der Strippenzieherin und riss das Publikum mit ihrem thronenden Sopran in die stürmischen Emotionen ihrer Rolle. „Giuseppe Verdi, Macbeth
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 29. August 2025“
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Balsam auf der Seele: Bei Yannick Nézet-Séguin funktioniert Wagner (teilweise) auch ohne Regie

Wiener Philharmoniker , Nézet-Séguin 2025 © Marco Borrelli © Salzburger Festspiele


„I glaub’, die haben an guten Tag heute“, ist die Untertreibung des Jahres. Parkett Rechts, Reihe 9, Großes Festspielhaus in Salzburg, eine Dame hinter mir. Unter dem Dirigat von Yannick Nézet-Séguin blühen die Wiener Philharmoniker regelrecht auf. Richard Wagners „Lohengrin“-Vorspiel, das „Siegfried-Idyll“ – feinfühlig und hinreißend die Phrasierungen; rund und weich der Ton wie selten zuvor. Perfekter Auftakt, um den Vormittag mit der „Walküre“ abzurunden: 1. Aufzug, konzertant, „without Regie“ also, betont der frankokanadische Dirigent, „only with music – and that’s the best“. Fast zumindest…

RICHARD WAGNER
Vorspiel zum ersten Akt der Oper Lohengrin WWV 75
Siegfried-Idyll E-Dur WWV 103
PAUSE
Erster Akt aus dem Bühnenfestspiel Die Walküre WWV 86 B

 

Wiener Philharmoniker
Yannick Nézet-Séguin,
Dirigent

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 24. August 2025

von Jürgen Pathy

Ohne Regie funktioniert Richard Wagner also auch. Denkt man zumindest während des „Lohengrin“-Vorspiels und dem „Siegfried-Idyll“, das Yannick Nézet-Séguin mit den Wiener Philharmonikern aufs Programm der traditionellen Salzburger Sonntagsmatinee setzt.

Bereits der Einmarsch der Gladiatoren lässt Großes erahnen – Volkhard Steude, daneben Yamen Saadi, zwei Konzertmeister des Orchesters, die oftmals als Garant für Sternstunden wegweisend sind. Schon nach den ersten Takten in A-Dur wird klar: Der Eindruck täuscht nicht, das Orchester packt den für sie so berühmten feingliedrigen Klangzauber aus. „Wiener Philharmoniker, Yannick Nézet-Séguin
Salzburger Festspiele, 24. August 2025“
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Monumental, prächtig und erhaben: Riccardo Muti glänzt mit Schubert und Bruckner in Salzburg

Wiener Philharmoniker · Muti 2025: Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti
(Dirigent) © SF/Marco Borrelli

 

Für eine solche grandiose Wiedergabe hat sich die weite Reise gelohnt. Ich muss gestehen, dass ich ganz allein für dieses Konzert mit Muti nach Salzburg gekommen bin.  Umso mehr freut es mich natürlich, dass der Maestro das zu schätzen weiß, der mich heute – Sie lesen richtig! – persönlich angerufen hat, um mir mitzuteilen wie ausgezeichnet und treffend er meine Rezension findet. Ich muss zugeben, das war einer der schönsten Momente in meinem langen Journalistenleben. Ich habe zwar schon einiges an positiver Resonanz immer mal wieder erhalten, aber dass mich ein so berühmter Künstler persönlich aus diesem Grund anruft, ist ein Novum.

Schuberts Vierte mit dem Beinamen „Tragische“ habe ich oft gehört, aber keine dieser Wiedergaben war so einzigartig wie diese Salzburger Aufführungen unter Muti, geprägt von edlem Klang und idealen, gemäßigten Tempi. Und auch einen solchen Bruckner hört man nicht alle Tage, schon gar nicht die f moll Messe.leben. Ich habe zwar schon einiges an positiver Resonanz immer mal wieder erhalten, aber dass mich ein so berühmter Künstler persönlich aus diesem Grund anruft, ist ein Novum.
Schuberts Vierte mit dem Beinamen „Tragische“ habe ich oft gehört, aber keine dieser Wiedergaben war so einzigartig wie diese Salzburger Aufführungen unter Muti, geprägt von edlem Klang und idealen, gemäßigten Tempi. Und auch einen solchen Bruckner hört man nicht alle Tage, schon gar nicht die f moll Messe.

Franz Schubert: Symphonie Nr.4 D 417 „Tragische“

Anton Bruckner: Messe f-moll WAB für Soli, vierstimmig gemischten Chor und Orchester

Ying Fang, Sopran
Wiebke Lehmkuhl, Alt
Pavol Breslik, Tenor
William Thomas, Bass

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor

Wiener Philharmoniker
Leitung: Riccardo Muti

Großes Festspielhaus, Salzburg, 17. August 2025

von Kirsten Liese

Die Konzerte mit den Wiener Philharmonikern unter Riccardo Muti in Salzburg sind heiß begehrt. Sowohl bei den Musikern, die sich darum reißen, bei den traditionell Mitte August anberaumten Terminen dabei zu sein, als auch beim Publikum, das die Qualitäten des Altmeisters zu schätzen weiß, der dem Festival seit seinem Debüt 1971 treu geblieben ist, alljährlich Höhepunkte beschert und mittlerweile an die 300 Auftritte in der Mozartstadt verbuchen kann. „Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti
Großes Festspielhaus, Salzburg, 17. August 2025“
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Ich werd’ zu Gollum: Das Archiv der Salzburger Festspiele ist ein Schatz, den ich behalten will

Salzburger Festspiele Archiv © Frank Heublein


Ich erfahre das Archiv der Salzburger Festspiele als ein Speicher voller Geschichten, Kunst und Anregung. Zudem als Motor erschaffender neuer Kunst. Ein Ort der Begegnung. Eine Reise wert!

Archiv der Salzburger Festspiele, Salzburg, 8. August 2025

von Frank Heublein

Margarethe Lasinger, die Leiterin des Archivs der Salzburger Festspiele, öffnet das Schloss und lässt einen der großflächigen Ablagen hervorgleiten. Sanft entfaltet sie das Seidenpapier und mich bitzelt’s. Das originale Textbuch der Inszenierung von Max Reinhardts Jedermann liegt vor mir. „Salzburger Festspiele Archiv
Archiv der Salzburger Festspiele, Salzburg, 8. August 2025“
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Dystopisch düster kratzen Eötvös’ Klänge an meiner Seele

Drei Schwestern 2025 © SF Monika Rittershaus

Die Musik kratzt an meiner Seele. Von ersten bis zum letzten Ton. Ich kann der Musik Eötvös’ Drei Schwestern nicht entrinnen, werde von den düsteren Gedanken der Sänger tief ins Mark getroffen.

Drei Schwestern
Три сестры · Oper in drei Sequenzen (1998)

Komposition  Peter Eötvös

Libretto von Claus H. Henneberg und Peter Eötvös nach dem Schauspiel Drei Schwestern von Anton Tschechow

Musikalische Leitung / Dirigent im Orchestergraben  Maxime Pascal
Dirigent hinter der Bühne  Alphonse Cemin

Regie  Evgeny Titov
Bühne  Rufus Didwiszus
Kostüme  Emma Ryott
Licht  Urs Schönebaum
Klangregie  Paul Jeukendrup
Dramaturgie  Christian Arseni

Klangforum Wien Orchestra

Felsenreitschule, Salzburg, 8. August 2025 PREMIERE

von Frank Heublein

An diesem Abend findet in der Felsenreitschule in Salzburg die Premiere von Peter Eötvös’ Oper Drei Schwestern statt. Inhaltlich wird Anton Tschechows Schauspiel Drei Schwestern verarbeitet. Die Handlung ist im Gegensatz zum Theaterstück nicht linear. Sie ist vielmehr in drei aufeinanderfolgenden Sequenzen – Irina, Andrej und Mascha – gegliedert, die alle drei einen ähnlichen Zeitraum aus jeweils unterschiedlicher Perspektive darstellen.

„Peter Eötvös, Drei Schwestern
Felsenreitschule, Salzburg, 8. August 2025 PREMIERE“
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„Free Gaza“-Protest prägt die Eröffnung der Salzburger Festspiele 2025

Pathys Stehplatz (58)

Foto © Land Salzburg / Neumayr

„Blut auf euren Händen.“ Bei der feierlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele 2025 stürmten pro-palästinensische Aktivisten die Bühne der Felsenreitschule. Eine Handvoll Männer und Frauen nutzten die große Bühne, um Samstagmittag auf die humanitären Missstände in Palästina aufmerksam zu machen. Die Kameras des ORF hatten die Aktivisten nur kurz gezeigt. Lautstarke Parolen waren bei der TV-Übertragung zu vernehmen. „Ihr sitzt hier auf euren Reichtümern, wie es eure Großeltern getan haben“, rief eine männliche Stimme während der Rede von Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler (SPÖ). Eine palästinensische Flagge sei zu sehen gewesen und Plakate mit „Free Gaza“, erwähnte der Kommentator.

von Jürgen Pathy

Zu weiteren Zwischenfällen kam es nicht. Ordner und Polizisten haben die Aktivisten friedlich aus dem Saal begleitet. Die Verantwortlichen der Salzburger Festspiele sind in Erklärungsnot, wie es zu dieser Sicherheitslücke kommen konnte. Immerhin war Politprominenz aus dem In- und Ausland vor Ort.

„Festakt zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2025
Felsenreitschule, 26. Juli 2025“
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Henzes „Das Floß der Medusa“ lässt mich in Salzburg um Fassung und Atem ringen

Das Floß der Medusa von Théodore Géricault © public domain

Henzes Musik lässt mich zusammenzucken, bohrt sich in mich hinein, wenn die Lebenden sterben und sich ihres Schicksals gewahr werden. Am eindringlichstem vermittelt mir das Georg Nigl als Chronist Jean-Charles, der das rettende Schiff sichtet und auf das Floß aufmerksam macht. Er ist der letzte der stirbt auf dem Floß der Medusa. Mit einem furiosen Fortissimo rammt das Orchester die Tragik, die Niedertracht, die Ungerechtigkeit der Welt in mich hinein und ermutigt mich zugleich, mich dagegen aufzulehnen.

Das Floß der Medusa (1968/1971/1990 Änderung des orchestralen Schlusses)

Oratorio vulgare e militare für Sopran, Bariton, Sprechstimme, gemischten Chor und Orchester

Komposition   Hans Werner Henze
Libretto   Ernst Schnabel

La Mort   Kathrin Zukowski
Jean-Charles   Georg Nigl
Charon   Udo Samel

Chor des Bayerischen Rundfunks, Einstudierung   Max Hanft
WDR Rundfunkchor, Einstudierung   Paul Krämer, Alexander Lüken

Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor, Einstudierung   Regina Sgier, Wolfgang Götz

ORF Radio-Symphonieorchester Wien

Dirigent   Ingo Metzmacher

Felsenreitschule, Salzburg, 18. Juli 2025

von Frank Heublein

In der Felsenreitschule wird an diesem Abend Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“ aufgeführt. Auf politische Proteste der 68er Bewegung vor und im Aufführungssaal in Hamburg wurde 1968 mit einem rigiden Polizeieinsatz reagiert. In dieser chaotischen Situation wurde die Uraufführung abgesagt. Stattdessen wurde im Radio die Generalprobe übertragen. Die gescheiterte Uraufführung gilt als einer der spektakulärsten Skandale der Musikgeschichte. Die Uraufführung des Werks erfolgte in Wien 1971. „Hans Werner Henze, Das Floß der Medusa
Felsenreitschule, Salzburg, 18. Juli 2025“
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Die Causa Markus Hinterhäuser vs. Axel Brüggemann: Ist kritischer Kulturjournalismus in Gefahr?

MIT NEUEN KOMMENTAREN!

Axel Brüggemann © mdr.de

Bei den Salzburger Festspielen raschelt’s im Gebüsch. Nachdem Intendant Markus Hinterhäuser bereits wegen Entlassungen medial unter Kritik steht, eskaliert der Streit mit Axel Brüggemann, der gebürtige Bremer lebt in Wien. Die Salzburger Festspiele gehen juristisch gegen zwei Artikel des Musikjournalisten vor. Streitwert der beiden Abmahnungen: 70.000 und 30.000 Euro. Ist Markus Hinterhäusers Reaktion überzogen, oder ist Axel Brüggemann übers Ziel hinausgeschossen?

Ein Kommentar von Jürgen Pathy

„Die Causa Markus Hinterhäuser vs. Axel Brüggemann: Ist kritischer Kulturjournalismus in Gefahr?
klassik-begeistert.de, 21. Dezember 2024“
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