Die „Rheinische“ erklingt in Hamburg – und das ausgerechnet am 829. Hafengeburtstag

9. Philharmonisches Konzert, Elbphilharmonie, 13. Mai 2018

Foto: Felix Broede (c)

9. Philharmonisches Konzert, Elbphilharmonie, 13. Mai 2018

Robert Schumann
Konzertstück für vier Hörner und großes Orchester, op. 86

Robert Schumann
Klavierkonzert a-Moll, op. 54

Robert Schumann
Symphonie Nr. 3 Es-Dur, op. 97 „Rheinische“

Dirigent – Kent Nagano
Klavier – Mikhail Pletnev
Horn – Pascal Deuber
Horn – Isaak Seidenberg
Horn – Ralph Ficker
Horn – Jonathan Wegloop
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

von Ricarda Ott

Die „Rheinische“ erklingt in Hamburg – und das ausgerechnet am 829. Hafengeburtstag

Das 9. und damit vorletzte Philharmonische Konzert dieser Saison bot wieder einmal ein ansprechendes Porträtkonzert. Programmatischer Mittelpunkt an diesem sommerlichen Sonntagvormittag: die Werke Robert Schumanns (1810-1856), dem Inbegriff deutscher Romantik, der selber nicht nur Komponist war, sondern auch Ästhetiker, Kritiker und Publizist.

Während draußen vor der Elbphilharmonie auf dem Hafengeburtstag schon wieder zahlreiche Gäste flanierten, sich an den Ständen am Sandtorkai und auf dem Platz der Deutschen Einheit tummelten, legte das Orchester um Kent Nagano mit dem Pianisten Mikhail Pletnev und den vier Hornsolisten ein wunderbares Konzert aufs Eichenparkett des Großen Saals.

Höhepunkt einerseits war gleich zu Beginn das dreiteilige Konzertstück für vier Hörner und großes Orchester, 1849 entstanden. Ein wunderbar klingendes und gleichzeitig kompositorisch vielschichtiges Werk, das es aufgrund der enormen Anforderungen an die vier Solisten nur selten auf Konzertbühnen schafft.

Rasante Läufe, freie Modulationen und virtuose Fanfarenklänge – all das komponierte Schumann gezielt für das neue, wesentlich virtuosere Ventilhorn, das sich seit einigen Jahren an der Seite des traditionellen Naturhorns zu etablieren begann – bestimmen vor allem die Ecksätze und werden von den vier Solisten beeindruckend vorgetragen. Das Timing stimmt, das Miteinander der Solisten und insbesondere immer wiederkehrende unisono-Passagen beeindrucken, die ausgesprochen sauber intoniert und aufeinander abgestimmt sind.

Kompositorisch spannend ist, dass sich zum typisch romantischen Hörnerklang die miteinander konzertierende Konzertform aus der Barockzeit gesellt. Die Solisten necken das Orchester, hitzig erwidert es eine Antwort; es wird fröhlich, ja übermütig um die Wette gespielt. Ein ungemein frischer Konzertauftakt!

Das sich programmatisch anschließende Klavierkonzert a-Moll stellt einen weiteren Höhepunkt des Vormittags dar und verbreitet mit den ersten Takten, mit dem ersten Erklingen des einfachen Themas sogleich Tiefgründigkeit und Melancholie im Saal: zentrale Parameter romantischer Musikästhetik und schlicht wunderschöne Musik.

Geprägt wird die Aufführung des Klavierkonzertes nicht nur durch die Interpretation des international renommierten Solisten Mikhail Pletnev (*1957), sondern auch durch seinen ganz eignen Stil, sein Auftreten. Im Gegensatz zu Kent Nagano sind seine Schritte zum großen Flügel schwer und bedächtig, beim Spielen bewegt sich bloß der Fuß am Pedal und selbstverständlich seine Arme.

Sein erster Einsatz nach nur wenigen Takten des Orchesters ist auf ganz besondere Weise magisch: Pletnev starrt ins Nichts, fast mechanisch, mit hartem Ansatz und zeitlich sehr frei spielt er das Thema, dieses eingängliche c-h-a-a. Dann löst sich diese Mechanik augenblicklich, die Melodie beginnt zu fließen, seine Finger beginnen zu tanzen…

Das Klavierkonzert a-Moll, 1845 aus einer wenige Jahre zuvor komponierten Klavierfantasie entstanden, gleicht einem ganz besonders fein gewebten Stoff aus Klavier und Orchester: „[…] man kann sich das Eine nicht denken ohne das Andere“, vermerkte dazu Clara Schumann, die begnadete Pianistin und Ehefrau von Robert Schumann.

Es besticht insbesondere das feinsinnige Zusammenspiel, die Auf- und Übernahme des immer wieder auftauchenden Themas von verschiedenen Instrumentengruppen, das Ineinander und Miteinander der verschiedenen Klangfarben.

Kent Nagano hat sein Orchester gewohnt fest im Griff und insbesondere die Absprache zum immer wieder überraschend frei agierenden Solisten funktioniert gut. Das Orchester spielt frisch, klangschön und oftmals hochromantisch – und das ist nicht stilistisch gemeint, sondern schlicht wortwörtlich.

Nach der Pause komplettiert die als „Rheinische“ bekannt gewordene Symphonie Nr. 3 das sonntägliche Konzert. 1850 entstand das Werk im ersten Anstellungsjahr Schumanns als neuer Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf und innerhalb einer ausgesprochen produktiven Schaffensphase – er benötigte nur knapp sechs Wochen für die Komposition –, bevor Schumanns psychisches Leiden ihn bald zum Karriereende zwangen und 1856 den allzu verfrühten Tod herbeiführten.

Wohl ist die Symphonie von Schumanns Blick über den stolzen Rhein und hinauf zu den Turmspitzen des imposanten Kölner Doms, vom Wesen seiner rheinländischen Mitmenschen inspiriert, nicht aber ist sie als tonmalerisches Werk zu verstehen. Es geht um den Charakter des Werkes und dieser sollte fröhlich, volkstümlich – ja „rheinisch“ sein.

Mit markantem Hemiolen-Thema und schmissigen Orchestertutti nimmt die Musik den Zuhörer mit wie der Rhein das Treibholz am Ufer. Dabei wirkt die von Schumann intendierte leichte Zugänglichkeit des Werkes leider ziemlich schnell: immer wieder bestechen zwar einzelne Passagen, zum Beispiel die in der Tiefe rührenden dunklen Streicher zu Beginn des II. Satzes oder der Bläsersatz im choralähnlichen, feierlichen IV. Satz, insgesamt plätschert das Werk jedoch – insbesondere im Vergleich zu den beiden anderen Werken – einigermaßen unspektakulär dahin.

Foto: Nicolas Maack (c)

Am Orchester liegt das nicht. Kent Nagano sieht sich, wenn überhaupt mit der Aufgabe konfrontiert, die nötige Spannung der Musiker zu halten, die wichtige Frische beizubehalten. Und das funktioniert – es bleibt ein kurzweiliges, musikalisch hochwertiges Konzert.

Mit dem Rhein vor dem inneren Auge werden die Konzertbesucher hinaus in den Hamburgischen Sonnenschein entlassen – schnell ist „er“ da vergessen. Glitzernd und dank des Hafengeburtstages mit zahlreichen Schiffen auf ihr tanzend, umspült „unsere“ Elbe dieses einmalig positionierte Konzerthaus. Hinaus in die an diesem Tag so glänzend aufgelegte, fröhliche Hafenstadt!

Ricarda Ott, den 14. Mai 2018
für klassik-begeistert.de

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