Peter Rösels Klavierspiel ist Balsam und Ruhe für die Seele

Peter Rösel, Klavierabend, Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert,  Kulturpalast Dresden, 8. April 2022

Foto: Peter Rösel, (c) Koichi Miura

Peter Rösel schafft eine friedvolle und überaus klangschöne Insel

Kulturpalast Dresden, 8. April 2022

Peter Rösel, Klavier

Joseph Haydn, Sonate F-Dur Hob XVI:23
Wolfgang Amadeus Mozart, Sonate F-Dur KV 332
Ludwig van Beethoven, Sonate Nr. 30 E-Dur op. 109
Franz Schubert, Sonate D-Dur D 850 »Gasteiner«

von Pauline Lehmann

Im Dresdner Kulturpalast bringt Peter Rösel Sonaten der drei Wiener Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven sowie die frühromantische Klangwelt Schuberts zum Erklingen. Das Klavierspiel des nunmehr 77-jährigen Dresdner Pianisten ist Balsam und Ruhe für die Seele. Völlig unpathetisch und sich selbst zurücknehmend, begeistert er mit einer Tonsprache, die gleichsam brillant und edel, kraftvoll und klar ist, und versteht sich meisterhaft darin, dem Konzertflügel die augenblicklichen, wechselnden menschlichen Gefühle und Regungen zu entlocken, welche sich in der musikalischen Sprache der Klassik und Romantik mehr und mehr formieren. Peter Rösel schafft eine friedvolle und überaus klangschöne Insel; er lädt ein, einen Abend zeitvergessen zu schwelgen und von der hehren Trias des Wahren, Schönen und Guten musikalisch berührt zu werden.

Der Pianist Peter Rösel, geboren am 2. Februar 1945 in Dresden, studierte nach dem Abitur zunächst ein Jahr an der Musikhochschule seiner Heimatstadt, bevor er von 1964 bis 1969 das Moskauer Konservatorium besuchte, wo ihn Dmitri Baschkirow und Lew Oborin unterrichteten. Zwei Wettbewerbe bildeten das Sprungbrett für seine internationale Karriere: 1966 war er der erste deutsche Preisträger des Moskauer Tschaikowski-Wettbewerbs, 1968 des Klavierwettbewerbs in Montreal.
Eine besondere musikalische Liaison verband ihn mit Kurt Masur und dem Leipziger Gewandhausorchester, aber auch der Stadt Dresden steht der weitgereiste Pianist sehr nahe. Peter Rösel ist Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, 2009 ehrte ihn die Landeshauptstadt Dresden mit dem Kunstpreis, 2016 erhielt er den Mozartpreis der Sächsischen Mozartgesellschaft. Im März dieses Jahres zeichnete die hiesige Musikhochschule ihren nunmehr emeritierten Professor aus „Wertschätzung um seine Verdienste in der Klavier-Ausbildung“ mit der Ehrensenatorenwürde aus.

Da die frühen Sonaten Joseph Haydns ursprünglich noch fürs Cembalo vorgesehen waren und dem neuen klassischen Stil erst den Weg bahnten, beschreitet das Programm auch ein bedeutendes Stück Klaviergeschichte, welche Peter Rösel auf einem modernen Konzertflügel nachvollzieht. Die grazile, kleinteilige Motivik des Allegro moderato aus Haydns 1773 entstandener Sonate F-Dur Hob XVI:23, welche noch an das Wiener Divertimento erinnert, blitzt fein nuanciert. Nach dem introvertierten, in Moll gehaltenen Adagio (Haydn hatte erst in den späten 1760ern angeregt vom Klavierkonzert in der Klaviersonate das Menuett gegen einen langsamen zweiten Satz ausgetauscht) folgt ein verspieltes, leicht gewichtiges Finale. Presto, bevor Peter Rösel die Ideen in Mozarts Sonate F-Dur KV 332 nur so sprudeln lässt. Im Adagio beschwört er einen wahrlichen Romantiker Mozart. Über einer Albertibass-Begleitung entfaltet sich samtig weich und stoisch ruhig eine sangliche Linie; den in Moll kolorierten Teil packt Peter Rösel etwas schroffer an. Im Allegro assai laufen dann nach einem emphatischen F-Dur-Akkord in der linken Hand die Sechzehntel-Girlanden virtuos los.

Mit Beethovens Sonate Nr. 30 E-Dur op. 109 entlässt Peter Rösel das Publikum in die Pause. Er gibt den lyrischen, beinahe improvisatorisch wirkenden Passagen Raum und fast kommt es einem so vor, als stünde man unvermittelt in der Gefühlswelt des Komponisten. Das Prestissimo lässt Peter Rösel energetisch geladen dahinziehen. Im dritten Satz, überschrieben mit Gesangvoll, mit innigster Empfindung, begeistern die Kontraste, die Peter Rösel zwischen der ruhig-sanglichen Linie am Anfang und zum Schluss einerseits und der gesteigerten Dynamik in den Variationen andererseits aufbaut.

Der zweite Teil des Klavierabends gebührt Franz Schubert und dessen »Gasteiner« Sonate. Im Sommer 1825 reiste der Komponist zusammen mit dem Sänger Johann Michael Vogl zu Fuß durch die Alpen – nach Steyr, Salzburg und Gastein, wo er an seiner D-Dur Sonate D 850 sowie an seiner »Großen C-Dur Sinfonie« arbeitete. Der große, sinfonische Gestus der Sonate, über die Robert Schumann befand: „Wie anderes Leben sprudelt in der mutigen ›Sonate‹ aus D-Dur – Schlag auf Schlag packend und fortreißend!“  ist an diesem Abend unverkennbar. Herrlich weich und empathisch interpretiert ist auch der zweite Satz, ein introvertiertes Con moto.

Im Publikum sind vor allem ältere Dresdnerinnen und Dresdner, dem emphatischen Schlussapplaus tut dies jedoch keinen Abbruch. Allein ein Knigge täte hin und wieder auch dem Dresdner Publikum gut, um das richtige Maß an Freundlichkeit zu finden, um seine Nebenfrauen um Ruhe zu bitten; auch wird wieder gehustet, Bonbonpapier knistert und manch Übereiliger drängt schon während des Schlusstons aus den Reihen und dem Ausgang entgegen.

Zwei Zugaben bekommt das Publikum geschenkt, zum Ersten Franz Schuberts herrliches Impromptu As-Dur op. 142, Nr. 2 und beim Zweiten müsste ich raten, würde aber auch auf Schubert tippen. Jedenfalls war auch dies ein glückseliger Moment.

Pauline Lehmann, 10. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Grigory Sokolov, Klavier, Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 13. März 2022

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Robin Ticciati, Leif Ove Andsnes, Klavier, Kölner Philharmonie, 7. Februar 2022

Jan Lisiecki, Klavier Wiener Konzerthaus, 5. November 2021

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