Foto: Anna Moffo © wikipedia.com
von Peter Sommeregger
Die am 27. Juni 1932 in Philadelphia geborene Tochter italienischer Einwanderer wurde von der Natur reich beschenkt: neben einer starken musikalischen Begabung war Anna auch eine ausgesprochene Schönheit. Was später einen nicht nur positiven Einfluss auf ihre Karriere haben sollte.
Sie errang ein Stipendium des renommierten Curtis Institute of Music in ihrer Heimatstadt Philadelphia, das ihr auch einen Italien-Aufenthalt ermöglichte, wo sie ihr Gesangsstudium abschloss. In Spoleto gab sie bereits 1955 ihr Operndebüt mit Donizettis „Don Pasquale“, im folgenden Jahr sang sie für eine Fernsehproduktion Puccinis Butterfly. Produzent war Mario Lanfranchi, der ihr auch Aufnahmen bei der RAI und RCA Victor vermittelte. Im Jahr 1957 heirateten Moffo und Lanfranchi. Moffo wurde schnell zu einem „Shooting Star“ und eroberte sich Engagements an der Mailänder Scala, den Salzburger Festspielen und der Wiener Staatsoper. Herbert von Karajan hatte dafür den Ausschlag gegeben, der sie für seine Schallplattenaufnahme von Verdis „Falstaff“ als Nannetta besetzt hatte.
In den USA sang Moffo zunächst ab 1957 an der Lyric Opera Chicago, seit 1959 auch an der Metropolitan Opera New York. Diesem Haus blieb sie fast 20 Jahre lang treu und verkörperte dort 21 Rollen. Daneben drehte Anna Moffo auch Spielfilme, hatte in Italien zeitweise eine eigene Fernsehshow und wurde mehr und mehr zum Medienstar. Ihr Ehemann setzte sie in so vielen Produktionen ein, dass ihre Stimme dadurch Schaden nahm und sie Mitte der 1970er Jahre eine massive Stimmkrise hatte, und ihre Bühnenauftritte vorübergehend einstellte. In diese Zeit fiel auch die Trennung von Lanfranchi und die Scheidung der Ehe. Privat fand sie bald ein neues Glück in einer zweiten Ehe mit dem TV-Produzenten Robert Sarnoff. Diese Ehe hielt bis zu Sarnoffs Tod im Jahr 1997.
Der Raubbau, den Anna Moffo mit ihren stimmlichen Fähigkeiten betrieb, hatte leider zu irreparablen Schäden geführt. Zwar setzte die Moffo ihre Karriere bis Ende der 70erJahre fort, aber der Schmelz ihrer Sopranstimme hatte viel von seiner Qualität verloren. Anna Moffo versuchte dies mit einem teilweisen Fachwechsel auszugleichen, sang schließlich sogar Operetten. Ihr blendendes Aussehen verschaffte ihr zeitweise eine Dauerpräsenz im Fernsehen, sie blieb äußerst präsent, obwohl sie mehr und mehr von ihrer großen Vergangenheit zehrte. Beide Ehemänner waren Produzenten, was dazu beitrug, dass eine Vielzahl von Opernaufnahmen mit ihr entstanden, ebenso verfilmte Opern, was zu dieser Zeit ein äußerst populäres Genre war.
Eine ihrer Glanzrollen war Verdis „Traviata“, die sowohl akustisch als auch filmisch gut dokumentiert ist. Sogar die „Carmen“ hat Anna Moffo eingespielt, darüber hinaus unzählige Alben, bevorzugt mit ihrem italienischen Opernrepertoire.
Ihre Karriere war ein Beispiel dafür, wie mediale Überpräsenz sich auf Dauer negativ auswirkt. In Deutschland war die große Sopranistin Anneliese Rothenberger einen ähnlichen Weg gegangen, der am Ende ihre künstlerischen Qualitäten in den Hintergrund treten ließ.
Wer sich an der Gesangskunst Anna Moffos erfreuen will, sollte besser auf ihre Aufnahmen vor 1970 zurückgreifen, bevor die Defizite der Stimme hörbar wurden.
Zuletzt lebte die verwitwete Moffo in Manhattan, wo sie am 9. März 2006 einem Schlaganfall erlag.
Peter Sommeregger, 30. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.