Die Oper in Lüttich zeigt: “Alzira” ist nicht Verdis Meisterwerk

Giuseppe Verdi, Alzira  Lüttich, Opéra Royal de Wallonie, 29. November 2022

Foto: Jonathan Berger – ORW-Liège

Verdi komponierte “Alzira” in seinen sogenannten “Galeerenjahren”, wie er die Zeit nach seinem ersten großen Erfolg mit “Nabucco” nannte. In dieser Zeit schrieb er Opern um zu überleben. Die Uraufführung von “Alzira” fand 1845 im Theater San Carlo in Neapel statt. Bei ihrer ersten Aufführung 1846 an der Mailänder Scala wurde die Oper verrissen. Auch heute noch ist sie eine der am wenigsten aufgeführten Opern von Giuseppe Verdi. Jetzt ist sie zu hören an der Oper in Lüttich.


Giuseppe Verdi   Alzira
Lyrische Tragödie in zwei Akten

Musikalische Leitung   Giampaolo Bisanti
Inszenierung   Jean Pierre Gamarra
Kostüme und Bühnenbild   Lorenzo Albani

Alzira   Francesca Dotto
Zamoro   Luciano Ganci
Gusmano   Giovanni Meoni

Lüttich, Opéra Royal de Wallonie, 29. November 2022

von Jean-Nico Schambourg

Daß die Oper von Lüttich “Alzira” von Giuseppe Verdi in ihr diesjähriges Programm aufgenommen hat, ist lobenswert, zeigt aber auch klar, weshalb diese Oper fast nie in den Spielplänen der Theater auftaucht: bei dieser Komposition ist dem Meister von Busseto kein Geniestreich gelungen.

Natürlich versteht Verdi sein Handwerk als Komponist und folgt dem Schema, das er in anderen Opern erfolgreicher eingesetzt hat: nach der Ouvertüre, ein kriegerischer Männerchor; dann Tenor, der unterdrückte Einheimische Zamoro, mit Humptata-Arie und anschließender kampfbetonter Cabaletta. Dasselbe dann in der darauffolgenden Szene auch für seinen Gegenspieler, den Bariton in der Rolle des Gusmano, dem spanischen Eroberer und Besetzer. Danach Auftritt des Soprans als unglückliche Alzira. Und dann ist man mitten drin in der Geschichte und die Oper schon fast zur Hälfte vorbei, denn sie dauert im Ganzen nur 95 Minuten.

Und erst am Ende dieser eineinhalb Stunden, bei Gusmanos Arioso È dolce la tromba che suona vittoriaund in seiner darauffolgenden Sterbeszene, höre ich den von mir geliebten Verdi heraus.

Musikalisch ist die Lütticher Aufführung am Besten mit “robust” beschrieben. Francesca Dotto in der Titelrolle sorgt für die wenigen lyrischen Momente, denn die beiden Männer, die um sie kämpfen, tun dies gesanglich hauptsächlich im Forte. Luciano Ganci, als ihr Geliebter Zamoro, singt seine Partie sicher durch, mit Kraft, ohne großen Finessen und gelegentlich mit Stemmen. Es passt halt zu seiner rachehungrigen Rolle.

Giovanni Meoni hält dagegen mit seinem, an diesem Abend, etwas rauen Bariton, der ihm in den Höhen manchmal zu entgleiten droht. Die oben angeführte Schlussszene aber singt er wie aus einem Guss mit schönem Legato und weich geführtem Bariton. Alle anderen Interpreten und Chor fügen sich gut in die Produktion ein. Aus dem Orchestergraben werden die Sänger kompetent begleitet vom Orchester unter der Leitung seines neuen Musikdirektors Giampaolo Bisanti.

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Foto: Jonathan Berger – ORW-Liège

Der Regisseur Jean Pierre Gamarra will die Oper nicht einfach auf Peru begrenzen, wo das Libretto die Handlung spielen lässt. Ihm geht es mehr um den Raub der Erde, der die Besatzungsmacht (hier die Spanier) begeht. Alzira verkörpert diese Erde. Szenisch spielt die Handlung im ersten Akt auf einer Parzelle, die die Besatzer eingenommen haben und von der sie den aufbegehrenden Rebellen Zamoro herunterstoßen und vertreiben. Im zweiten Akt ist diese Parzelle eine Lichtfläche auf der nur die Mächtigen sich herumtummeln. Die Personenführung glitt leider öfters in standardisierte Bewegungsabläufe ab, so zum Beispiel wenn Alzira bei jedem Besingen von Trauer ihren Schleier herunterläßt.

Im Großen und Ganzen verbringt man einen interessanter Opernabend, der jedoch mehr durch die Rarität des Werkes, als durch die Qualität seiner Aufführung besticht.

Jean-Nico Schambourg, 30. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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