von Peter Sommeregger
In Wien, aber auch darüber hinaus hat der Name Rosé, bzw. Rosé-Quartett bis heute einen legendären Ruf. Es lohnt sich, die Rolle, die jene Familie im Wiener Musikleben spielte, historisch auszuleuchten.
Am 24. Oktober 1863 wurde Arnold Josef Rosenblum im heute rumänischen Jassi geboren, das damals noch zur Donaumonarchie gehörte. Der junge Arnold und seine Brüder zeigten ein ausgeprägtes musikalische Talent, was die Eltern veranlasste, deren Ausbildung wegen nach Wien zu ziehen.
Von 1873 bis 1877 studierte Arnold Violine am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde, bereits mit 16 Jahren debütierte er als Solist im Leipziger Gewandhaus. Ab 1881 wurde er Mitglied der Wiener Philharmoniker, er blieb es mit Unterbrechungen bis zu seiner Emigration 1938. Als erster Konzertmeister der Hofoper spielte er unter sämtlichen berühmten Dirigenten seiner Zeit. Im Jahr 1882 gründete er mit seinem Bruder Eduard das Rosé-Quartett; erst im Jahr 1891 änderte die Familie ihren Namen von Rosenblum in Rosé, die Brüder konvertierten gleichzeitig zum evangelischen Glauben.
Zwischen dem damaligen Hofoperndirektor Gustav Mahler und den Brüdern Rosé entwickelte sich eine künstlerische, aber auch private Freundschaft. Eduard heiratete schließlich Mahlers Schwester Emma, nur einen Tag nach der Hochzeit Gustav Mahlers mit Alma Schindler wurde seine Schwester Justine Arnold Rosés Frau.
Das Quartett begründete seinen Ruhm nicht nur durch das klassische Kammermusik-Repertoire. Die Musiker scheuten sich auch nicht, zeitgenössische Werk zur Uraufführung zu bringen, so die ersten beiden Streichquartette Arnold Schönbergs und sein Sextett „Verklärte Nacht“. Alma Mahler wurde die Taufpatin von Arnolds Tochter Alma, die ihrerseits schon früh eine Solokarriere als Geigerin erreichte. Sie heiratete 1930 den erfolgreichen tschechischen Geiger Váša Příhoda. Das prominente Ehepaar führte ein mondänes Leben, die Ehe wurde allerdings 1935 wieder geschieden.
Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 in Deutschland und dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 entwickelte sich das Leben der Rosés tragisch. Emma, die Frau Eduards, der das Quartett zugunsten einer Solokarriere verlassen hatte, starb bereits 1933, ihre Schwester Justine fünf Monate nach dem Anschluss. So blieb den beiden Frauen zumindest Flucht oder Deportation erspart. Eduard wurde 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er 1943 starb.
Alma Rosé suchte zuerst Unterschlupf in den Niederlanden, ging sogar eine Scheinehe mit einem Holländer ein, wurde dann aber doch ins besetzte Frankreich abgeschoben, von wo sie schließlich in das KZ Auschwitz deportiert wurde. Dort konnte sie zunächst als Konzertmeisterin des so genannten Auschwitzer Mädchen-Orchesters überleben und sogar eine Sonderbehandlung erhalten. Dessen Mitglieder spielten darin buchstäblich um ihr Leben, überlebende Mitglieder haben später eindringlich darüber berichtet. Im April 1944 starb sie allerdings plötzlich, wohl an einer Lebensmittelvergiftung.
Arnold Rosé gelang 1939 noch eine geordnete Ausreise aus Wien, er nahm in London seinen Wohnsitz, wo er noch eine Wiederbelebung des Rosé-Quartetts bewerkstelligen konnte. Erst nach Kriegsende erfuhr er vom Tod des Bruders und der Tochter in den Konzentrationslagern. Daraufhin erkrankte er schwer und starb am 25. August 1946 in London. Seine Asche wurde später nach Wien überführt und im Familiengrab auf dem Grinzinger Friedhof beigesetzt.
Eine Reihe von Kammermusik-Aufnahmen von Vater und Tochter haben sich erhalten, ebenso wie der legendäre Ruf dieser Musikerfamilie.
Peter Sommeregger, 1. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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