Alexander Yakovlev, Laeiszhalle © KAWAI Europa
Die Noten streichelten mit innigstem Klavierklang die Ohren des Publikums, die Melodien flossen sanft durch den Saal. Es stockte einem regelrecht der Atem, wie astrein Alexander Yakovlev die ganze Kunst des Kontrapunktes zum Klang brachte.
Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 31. Oktober 2024
Alexander Yakovlev, Klavier
Johann Sebastian Bach: Goldberg-Variationen BWV 988
Nach einem virtuosen Rachmaninow-Showstopper in der Elbphilharmonie zementieren sich Alexander Yakovlev und sein Shigeru Kawai Flügel mit 30 atemberaubend schwebenden Goldberg-Variationen an der Weltspitze der internationalen Bach-Szene! Der für diesen Konzertsaal äußerst ungewöhnliche Ansturm auf die Abendkasse war mehr als berechtigt.
von Johannes Karl Fischer
Keine fünf Minuten vor Konzertbeginn herrschte an der Abendkasse noch tumultöses Gedränge. Mit diesem regelrechten Ansturm auf die letzten verbleiben Plätze hatten scheinbar selbst die Veranstalter nicht gerechnet. Und ehrlich gesagt war schon die brennende Vorfreude ein Tag-und-Nacht-gleicher Kontrast zu den zahlreichen, künstlerisch wunderbaren, doch quasi menschenleeren Konzerten, die meine Erinnerungen an den etwas schlichten doch wohlklingenden Kleinen Saal der Laeiszhalle prägen…
In diesem Saal hatte bereits eine spürbare Ungeduld ihren Platz gefunden, als sich nach knapp 10 Minuten endlich der Beginn des bevorstehenden Konzerts andeutete. Doch löste sich jede Spur der Spannung wie in einem Augenzwinkern auf, als der Pianist des Abends, Alexander Yakovlev, in die Tasten griff und eine ruhig atmende Melodie aus seinem Shigeru Kawai Flügel schweben ließ!
Erst vor wenigen Wochen hatte Herr Yakovlev mit seinem virtuos brillanten Rachmaninow im Großen Saal der Elbphilharmonie für Furore gesorgt, nun meisterte er ganz ohne Müh’ auch das nächste Hammerwerk der Klavierliteratur: Bachs monumentale Goldberg-Variationen. Die Noten streichelten mit innigstem Klavierklang die Ohren des Publikums, die Melodien flossen sanft durch den Saal. Es stockte einem regelrecht der Atem, wie astrein er die ganze Kunst des Kontrapunktes zum Klang brachte. Wie ein heiteres Herbstlüftchen sauste die ganze Energie der Variationen durch den Raum, fast schon unmerklich schwebte er durch die immer breiter und komplexer werdenden Sätze.
Dieses Werk gilt als Feuerprobe nicht nur für den Pianisten, sondern auch sein Instrument. Herr Yakovlev wusste den souveränen Klang seines Kawai-Flügels zu meistern, insbesondere die fein geputzt klingenden Melodien der Klaviersaiten brachten diesen Bach zum Glänzen. Keine übertriebenen Dynamiken, die Klangfarben schlicht und klar wie zu Zeiten des Jahrtausend-Komponisten: Aus diesem Flügel leuchteten die wohlklingenden, innerlich hochkomplexen Goldberg-Variationen in all ihrer mühelosen Pracht und Souveränität. Einfach nur eine kurze Arie mit 30 ein wenig veränderten Variationen…
In der Ruhe liegt eben die Kraft, so etwa das Leitmotiv dieses Bach-Abends. Eine Stunde lang verzaubern das Instrument und sein Pianist das Publikum, versetzen die Stimmung im Saal auf eine schwebende Wolke sieben. Fern von den mittlerweile alltäglich deprimierenden Nachrichten verging die Zeit in diesem für Bachs Mitmenschen undenkbar dimensionierten Werk wie im Nu.
Diese Musik ist eben eine eigene Welt und eine heilige Kunst zugleich!
Herr Yakovlev jedenfalls schien aus den auf dem Klavier stehenden Noten mit jedem Takt das Werk aufs Neue zu entdecken. Als säße Bach hier selbst am Klavier und hätte dieses in mittlerweile hundert- und tausendfach eingespielte Werk gerade erst frisch komponiert. Der monumentale Stellenwert dieser Musik schien sich nahezu in Luft aufzulösen, doch spürte man die vier (!) Zugaben eigentlich nur als logische Konsequenz dieser musikalisch souveränen Klavierstunde. Noch ein ganz kleines Zusatzkonzert nach dem eigentlichen Programm…
Mit dieser in einem Hauch vorbeischwebenden musikalischen Paradeleistung zementiert sich Alexander Yakovlev an der Spitze der internationalen Bach-Szene. Doch aufgepasst: Zu den Goldberg-Variationen gehört das Instrument ebenso wie der Instrumentalist.
Johannes Karl Fischer, 2. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Kawai-Konzertserie 2024, Stefan Bonev, Klavier Alfred Schnittke Akademie Hamburg, 12. Juli 2024