Archivfoto Fidelio © Herwig Prammer
Typisch Zürich und typisch Opernhaus Zürich: perfekt und ästhetisch bis ins Detail, höchst originell und eigenwillig, und im selbstverständlichen, luxuriös-diskreten Chic und spröden Charme der nahen Zürcher Milliardärs-Meile Bahnhofstraße.
Ludwig van Beethoven
Fidelio
Oper in zwei Aufzügen von Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Libretto von Joseph Ferdinand Sonnleithner und Georg Friedrich Treitschke
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühne: Henrik Ahr
Musikalische Leitung: Krzystof Urbanski
Philharmonie Zürich
Chor der Oper Zürich
Opernhaus Zürich, 21. Januar 2025
von Dr. Charles E. Ritterband
Der höchst begabte Andreas Homoki führte (gemeinsam mit Fabio Luisi) Regie in dieser Wiederaufnahme aus dem Jahr 2013 – und man erinnerte sich mit Freude an seine geniale „Butterfly“ auf der Seebühne Bregenz.
Was hier auf die Zürcher Bühne kam, war zur völligen, puritanischen Abstraktion reduziert, hoch dramatisch, dennoch humorvoll, musikalisch überwältigend – aber in der Erzählung nicht immer logisch und daher oft nicht ganz nachvollziehbar. Verwirrend beispielsweise, wie und weshalb sich der Chor der Gefangenen in den Chor der Gefängniswärter verwandelt.
Homoki und sein Bühnenbildner Henrik Ahr verzichten auf jegliches Bühnenbild und sämtliche Requisiten (namentlich auf das heiß ersehnte Stück Brot, das sich Leonore zwei Tage aufgespart hatte und ihrem halb verhungerten Gatten Florestan überreicht) außer einer silberglänzenden Spielzeugpistole, mit welcher der Bösewicht Don Pizarro den Gefangenen erschießen will, die ihm aber von Leonore entrungen wird und dann (siehe Verdis Forza del Destino!) versehentlich losgeht und – Homokis rätselhaft-eigenwilliger Regieeinfall – Leonore tötet.
Doch auch dies nur in der dramatischen Schlüsselszene, die hier – samt dem berühmten Fanfaren-Signal, das die befreiende Ankunft des Ministers verkündet und die Handlung in ihr Gegenteil kippen lässt – statt der üblichen Ouvertüre vorweggenommen wird, bevor die eigentliche Handlung beginnen kann.
Die völlig nackte Bühne besteht nur aus einer Art riesiger, graublauer Schuhschachtel, die wohl die Gefängnismauern symbolisieren soll und deren Rückwand sich gelegentlich öffnet, um das Sonnenlicht der Hoffnung einzulassen oder als Rampe die Gefangenen herein- oder hinaus marschieren zu lassen.
Homoki hatte die eher linkischen, gesprochenen Dialoge – ein Ärgernis für viele Fidelio-Regisseure – kurzerhand gestrichen. Statt Bühnenbild und Dialogen werden die (originalen?) Bühnenanweisungen in altertümlicher Sprache wie einst die Handlungsanweisungen der alten Stummfilme auf die Bühne projiziert – ein origineller und sogar humorvoll wirkender Effekt.
Besonders witzig – „comic relief“ im Sinne von Shakespeare, auf den ursprünglich auch die Figur der Leonore sogar namentlich zurück geht! – die Szene mit Marzelline, der es einzig und allein um den vermeintlichen jungen Mann Fidelio geht, während sich daneben das große Drama um Mord und Befreiung, um Diktatur und Menschenrechte, um Tod und Leben abspielt. Aber all dies bekommt die hoffnungslos verknallte Marzelline nicht im Geringsten mit.
Die chinesische Sopranistin Ziyi Dai bot in dieser Nebenrolle eine darstellerische und vor allem sängerische Glanzleistung. Mit starker, heller, harmonischer Stimme beherrschte sie die Szene, verdrängte den nunmehr verschmähten Verlobten Jaquino als blasse und sängerisch wenig profilierte Figur an den Rand.
Großartig und stimmlich beherrschend die Leonore der amerikanischen Sopranistin Jennifer Holloway. Eine sonore Naturgewalt und seine Figur geradezu überwältigend realistisch verkörpernd der Don Pizarro des englischen Baritons Simon Neal. Eher blass die befreiende Schlüsselfigur Don Fernando (der amerikanische Bass-Bariton Andrew Moore).
Großartig hingegen der Florestan des namhaften amerikanischen Tenors Eric Cutler – eine kraftvolle Urgewalt in Stimme und Erscheinung. Sein Aufschrei über das Dunkel seines Verlieses und dann die „namenlose Freude“ über die todesmutige Gattin und die Befreiung profilierten Cutler zu einem der Weltbesten in dieser kurzen aber zentralen Rolle.
Die Palme gebührt dem Hausorchester Philharmonia Zürich: Geradezu überwältigend kam dieser Beethoven daher, voll Kraft und dann wieder leise harmonisch.
So beeindruckend habe ich den Fidelio aus dem Orchestergraben noch nie gehört.
Dr. Charles E. Ritterband, 24. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giacomo Puccini, Madama Butterfly Opernhaus Zürich, 29. Dezember 2024
Giuseppe Verdi, Un ballo in maschera Opernhaus Zürich, 28. Dezember 2024
Richard Wagner, Der fliegende Holländer Opernhaus Zürich, 30. November 2024