Anja Kampe © Monika Rittershaus
So eine souveräne Premiere gabs in Hamburg schon lange nicht mehr! Anja Kampes kraftvoller Sopran brillierte als neue Ariadne-Göttin, Dmitri Tcherniakovs Inszenierung erhob dieses Werk aus der Ecke der kleinen Komödien in die Ränge der großen Strauss-Opern. Lauten Buh-Rufen zum Trotz fanden auch Kent Nagano und das Staatsorchester endlich eine passable Strauss-Spur.
Ariadne auf Naxos
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2025 PREMIERE
von Johannes Karl Fischer
Kein Platz für eine vom Gott aus ihren Tränen befreite heulende Ariadne: Mit dieser souveränen, durchdachten Volltreffer-Inszenierung erhebt Dmitri Tcherniakov dieses wunderbare Werk hinaus aus der Ecke der kleinen Komödien in eine Liga mit Salome und Elektra!
Statt einer amüsierenden Opernaufführung im Hause eines steinreichen Mannes steht eine figurentechnisch starke, eigenständige Gesangsgöttin im Vordergrund, die Regie schmeißt die antiken Rollenbilder Hofmannsthals Hals über Kopf von Bord und lässt einen Ariadnes brennenden Liebeskummer bis zum Ende mitfühlen. Die Götter sind eben auch alle nur Menschen, Ariadne ist in Theseus verliebt, daran kann auch ein Bacchus so schnell nichts ändern.
Musikalisch haute einen vor allem Anja Kampes brillante Darstellung der Titelpartie einen völlig vom Hocker. Schon ihre atemberaubenden „Ach“-Rufe strahlten lang und hell im Saal und resonierten tief in der musikalischen Seele. Mit souveräner Textverständlichkeit segelte sie völlig mühelos doch kraftvoll wie eine Gesangsgöttin durch die langen, wohl artikulierten Strauss-Phrasen, selbst ihren solide auftretenden Bacchus sang sie völlig an die Wand. Beinahe wäre diese Oper zur Ein-Rollen-Show geworden…
Doch halt, da war noch was, richtig, Nadezhda Pavlovas gleichfalls souveräne Zerbinetta, die diese extrem fordernde Rolle wie auf einem Silbertablett jonglierte und ihre Männer einem nach dem anderen mit Grandezza abservierte. Mit äußerst selbstsicherem Gesang und Schauspiel brachte sie eine bislang völlig unentdeckte Vielseitigkeit ihrer Partie auf die Bühne. Ihr Koloraturen-Monolog „Großmächtige Prinzessin“ wurde zu einem regelrechten Show-Stopper, die Triller am Ende ließ sie luftig und spaßig in den Saal schweben und erntete dafür donnernden Applaus!

Auch Jamez McCorkle war ein sehr guter, solide singender Bacchus, locker und souverän ließ er die kurze, aber mächtige Tenor-Rolle glänzen. Die stemmende Stahlkraft manch anderer Bacchus-Heldentenöre ließ er ein wenig beiseite, doch passte gerade seine etwas luftiger, chilliger Ansatz perfekt in Tcherniakovs Ariadne-zentrische Regie, wo vom Bacchus kaum mehr als ein kleiner Ariadne-Aufheiterungsversuch übrigblieb.
Martin Gantner sang einen routinierten, stimmlich souveränen Musiklehrer, wenn mir auch sein Gesang ein wenig zu gehaltvoll für diese eher humorvolle Rolle erschien. Selbst über seine textlich äußerst spaßigen Bemerkungen über die absurden Forderungen des Hausherrn wollte das Publikum nicht wirklich lachen… Sein Schüler, der Komponist, war mit Ella Taylor äußerst rollenpassend besetzt, mit viel Trotz und Biss in der Stimme blieb ihr Mezzosopran dennoch stets klar verständlich und brachte das ganze emotionale Spektrum dieser äußert vielseitigen Rolle wunderbar in die Melodien. Auch die restlichen Nebenrollen waren allesamt sehr stark besetzt, wunderbar tönten die Nymphen-Stimmen durch die fast ausverkaufte Staatsoper!

Natürlich durften auch heute die für eine Hamburg-Premiere obligatorischen Buh-Rufer nicht fehlen. Diesmal traf’s Peter Tantsits’ Tanzmeister… naja, so wirklich schlecht gesungen hat er ja nicht, es gab aber sicher auch schon heiterere Darstellungen dieser ebenfalls sehr spaßigen Rolle. Warum man allerdings für eine aus maximal drei Noten bestehende Rolle sein Missfallen kund tun muss, ist mir ein wenig unklar… ebenso warum dieses Premieren-Publikum trotz einer mindestens passablen Leistung dem Philharmonischen Staatsorchester wieder mal zahlreiche Buh-Rufe entgegen schmetterte!
Ich habe in den letzten Spielzeiten mehrmals über Herrn Naganos Strauss-Aufführungen, die an der einen oder anderen Stelle musikalisch zu wünschen übrigließen, berichtet.
Entgegen meinen Befürchtungen schleppte das Orchester heute kaum, Nagano stürzte die Musiker vom ersten Takt an in die lockeren, heiteren Klänge dieses ursprünglich als Divertissement gedachten Werks und legte Frau Kampe eine mindestens solide Leistung unter die Bühne. Zwar ließ er die emotionalen Höhen und fesselnde Brillanz der Orchesterpartitur am Ende ein wenig auf der Strecke liegen, das Staatsorchester hatte aber sicher schon deutlich schlechtere Abende an diesem Haus.

Am Ende war der Applaus für eine Premiere erstaunlich verhalten, einzig Frau Pavlova bekam regelrechte stehenden Ovationen. Wie das Wiener Publikum Frau Kampes Brünnhilde wohl aufnehmen wird?
Johannes Karl Fischer, 26. Januar 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Der fliegende Holländer Staatsoper Hamburg, 12. Januar 2025
Ballett Der Nussknacker, John Neumeier Staatsoper Hamburg, 5. Januar 2025
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Staatsoper Hamburg, 1. Januar 2025