Yefim Bronfman und das Pittsburgh Symphony Orchestra; Foto PK
Auf der großen Welttournee des Klangkörpers aus Übersee darf die Elbphilharmonie Hamburg nicht fehlen – mit dem brillanten israelisch-amerikanischen Starpianisten Yefim Bronfman erklingt das dritte Klavierkonzert Rachmaninows und ein Reigen orchestraler Leckerbissen – berauschend!
von Patrik Klein
Der Jubel des ersten Konzerts war noch nicht ganz verklungen, als die rund 90 Musiker des Pittsburgh Symphony Orchestra erneut ihre Klasse zeigten. Mit John Adams’ „Short ride in a fast machine“, welches der Klangkörper einst sogar zur Uraufführung brachte, katapultierte man das Publikum aus dem Stand in eine wilde Achterbahnfahrt der entfesselten Fliehkräfte. Ein geschlagener winziger, blau eingefärbter Holzblock gab den unerbittlichen Takt vor, der einen fast aus den Sitzen riss. Entladen in einer gewaltigen Fanfare entließ man die gebannte Zuhörerschaft in die scheinbar ewige Schwerelosigkeit des Kosmos. „Klein beleuchtet kurz 45, Pittsburgh Symphony Orchestra Elbphilharmonie, 4. September 2024“ weiterlesen
Berlin Die Pläne der Deutschen Oper Berlin: Wenn Tränen fließen in der Bismarckstraße
Wie mache ich Menschen neugierig auf das, was ich künstlerisch vorhabe? Die Saison-Vorschau der Deutschen Oper für 2024/25 zeigt mustergültig, wie es geht. Tagesspiegel.de
Irgendwann ist genug. In Linz hatten pro-ukrainische Stimmen gewirbelt, weil Anna Netrebko bei „Klassik am Dom“ aufgetreten ist. Nachvollziehbar, betrachtet man Netrebkos Vergangenheit in den „Sozialen Medien“. 2014 hatte sie mit Oleh Zarjow posiert, einem prorussischen Separatistenführer in der Ukraine. Danach hat die Russin zurückgerudert, den Krieg verurteilt. Das muss reichen. Das künstlerische Dilemma nämlich: Es gibt (noch) keinen gleichwertigen Ersatz.
von Jürgen Pathy
Eigentlich dachte man, es sei Ruhe eingekehrt. In den Kulturkrieg, der nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vom Zaun gebrochen ist. Russische Künstler standen im „Westen“ unter Dauerkritik. Vor allem diejenigen, die nicht willig waren, aktiv Stellung zu beziehen – und zwar gegen Putin. Deren Karten standen und stehen schlecht.
Herzlichen Glückwunsch, lieber Peter, zur vierteltausendsten Klassikwelt. Du bist ein Kreativmonster! Andreas
von Peter Sommeregger
Die Chancen, nach einer Geburt in ärmliche, aber gebildete Verhältnisse im oberösterreichischen Marktflecken Ansfelden eines Tages Weltgeltung zu erlangen, stehen eher gering. Dass dies Anton Bruckner gelang, ist ein wunderbares Beispiel für die Möglichkeit, aus sich selbst heraus zu wachsen und mit Beharrlichkeit sogar utopische Ziele zu erreichen. „Sommereggers Klassikwelt 250: Anton Bruckner klassik-begeistert.de, 4. September 2024“ weiterlesen
Dieses Konzert in Grafenegg hat bewusst gemacht, wie sehr der Weltklassedirigent in Wien fehlt. Riccardo Chailly hat das philharmonische Orchester der Scala, deren Chefdirigent er ist, auf ein Spitzenniveau gebracht. Gemeinsam mit dem Intendanten Rudolf Buchbinder machten sie ein Fest der Romantik.
Konzert am 1. September 2024 im Wolkenturm, Grafenegg
Leoš Janáček: Žárlivost (Eifersucht). Vorspiel zu Její pastorkyňa (1894)
Edvard Grieg: Konzert für Klavier und Orchester in a-moll op. 16
Pjotr Iljitsch Tschaikowski: Symphonie Nr. 5 in e-moll op. 64
Der 71-jährige Stardirigent Riccardo Chailly wurde am Anfang seiner Karriere auch von den Wiener Philharmonikern hofiert; machte als erste Schallplattenaufnahme gerade diese fünfte Symphonie von Tschaikowski, die auch an diesem Abend zu hören war. Später folgten Aufnahmen für den legendären „Rigoletto“-Film mit Gruberova und Pavarotti in den Rosenhügel-Studios. Später einige Konzerte in Salzburg und Wien; dort auch eine phantastische „Glagolitische Messe“ von Leoš Janáček. Aber seit 2014 ist komplette Funkstille bezüglich Wien/Salzburg und Chailly. „Rudolf Buchbinder, Filarmonica della Scala, Riccardo Chailly Konzert am 1. September 2024 im Wolkenturm, Grafenegg“ weiterlesen
Andris Nelsons, Daniil Trifonov und das Gewandhausorchester in der Philharmonie.
Köln, Philharmonie, 2. September 2024
Thomas Adès (*1971) – Shanty – Over the Sea Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) – Konzert Nr. 25 für Klavier und Orchester C-Dur KV 503 Anton Bruckner (1824-1896) – Sinfonie Nr. 6 A-Dur
Daniil Trifonov, Klavier Gewandhausorchester Leipzig Andris Nelsons, Dirigent
Andris Nelsons (Foto: Marco Borggreve)
von Brian Cooper, Bonn
„Mit welcher Sinfonie sollte man anfangen?“ So die schüchterne Frage an meinen Musiklehrer, als ich endlich bereit war, mir den Bruckner’schen Kosmos zu erschließen. Er riet zur Dritten. Heute würde ich zur Sechsten raten. Sie hat alles, was Bruckners Sinfonien ausmacht; sie ist mit einer Spieldauer von unter einer Stunde vergleichsweise kompakt; es gibt nicht diese verwirrende Anzahl verschiedener Fassungen (Haas, Nowak usw.), zu denen sich der so leicht zu verunsichernde Bruckner von seinen Kritikern überreden ließ; und sie enthält herrliche Themen, große Bögen und einen der schönsten langsamen Sätze des gebürtigen Oberösterreichers, der am 4. September 200 Jahre alt geworden wäre. „Daniil Trifonov, Gewandhausorchester Leipzig, Andris Nelsons Köln, Philharmonie, 2. September 2024“ weiterlesen
Eine gelungene Performance aus mitreißenden musikalischen Ausführungen und packenden Tanzdarbietungen verleiht Antonio Vivaldis Top-Hit „Die vier Jahreszeiten“ üppigen Strahlglanz
Antonio Vivaldi „Le quattro stagioni“ op. 8, RV 269, 315, 293 und 297 Sinfonia aus „L’Olimpiade“ RV 725,
Sonate für Violoncello und B.c. RV 43, Konzert für vier Violinen RV 580,
Konzert für Streichinstrumente und B.c. RV 151
Foto: Musikfest Bremen (c)
Le Concert de la Loge
Julien Chauvin Violine und Leitung Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie Käfig
Mourad Merzouki Choreografie und Regie
Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 2. September 2024
von Dr. Gerd Klingeberg
Die Saalbeleuchtung ist auf freischütz-düster abgedimmt; die ganze Atmosphäre erschein leicht diesig vernebelt, so dass das Publikum erst mit kurzer Verzögerung den stillen Einzug des Orchesters realisiert. Hinten am Rand der vergrößerten Bühne der Glocke positioniert, wirkt das französische Originalklang-Ensemble „Le Concert de la Loge“ anfangs fast ein wenig verloren, ebenso wie auch die eingangs noch einschmeichelnd zart gespielten Harmonien. „Le Concert de la Loge Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 2. September 2024“ weiterlesen
Unter der Leitung von Manfred Honeck spielen die Gäste aus Pennsylvania mit einer der prominentesten Geigerinnen der Konzertszene das Violinkonzert des Hamburger Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und die fünfte Sinfonie des ebenfalls in Hamburg für sieben Jahre schaffenden Komponisten Gustav Mahler – und das atemberaubend!
von Patrik Klein
Als gut informierter Hamburger weiß man ja, dass Felix Mendelssohn Bartholdy in Hamburg geboren wurde und dass man viel über sein Leben, seine Werke und seine sozialen Randbedingungen im Komponistenquartier in der Peterstrasse betrachten und bewundern kann. Die ganze jüdische Familie litt unter den antisemitischen Auswüchsen des 19. Jahrhunderts und auch kompositorisch lief nicht alles optimal. Sechs Jahre trug der emsige Komponist das Werk in seinem Kopf und seinem Herzen, bis es aus seiner Feder Form annahm. Mit dem Anfang tat er sich so besonders schwer, der kurz und prägnant in den Geist der Wiener Klassik flieht. „Klein beleuchtet kurz 44: Pittsburgh Symphony Orchestra Elbphilharmonie Hamburg, 3. September 2024“ weiterlesen
Was soll so ein Blödsinn, werter Herr „Regisseur“ Valentin Schwarz aus Oberösterreich? Dieser Schwach-Sinn hat nichts mit den Intentionen und dem Libretto Richard Wagners zu tun.
Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2024 Richard Wagner, Das Rheingold
von Andreas Schmidt (Text und Foto)
Eine gute Leistung in Bayreuth: „Das Rheingold“, der Vorabend des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“, startete mit überwiegend guten und einigen sehr guten Solisten und einer Inszenierung, die von Dummheit, Weltfremdheit, Borniertheit, Hass (Kindesmissbrauch) nur so trotzt. Richard Wagner wird diese Oper im Himmel nicht verstehen… und, sorry: kotzen… aber ich habe versprochen, nicht über die Inszenierung zu schreiben eines RINGES, der hoffentlich nach dem dritten Jahr abgesetzt wird, einem RING, der 2024 nur zweimal durchläuft auf dem Grünen Hügel.
Nur eine Frage: Was soll der depressiv-schwarze Hybrid-SUV mit reichlich PS, der für die Handlung vollkommen! bedeutungslos war – die Riesen steigen zweimal ein –, nicht bewegt wurde und offensichtlich nur penetrante Schleichwerbung für einen baden-württembergischen Automobilhersteller war.
„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.“ Mit diesen Worten beschrieb Thomas Mann, immer der von Wagner inspirierte Autor, das Uranfängliche. Ein waberndes Kontra-Es steigt aus dem Graben, der Vorabend zum Ring nimmt seinen Anfang.
In diese düster-ernstliche Stimmung mischt sich der Klang der Wellen, der Vorhang geht auf und die Rheintöchter verstecken sich unter der Bettdecke. Die Sopranistinnen Evelin Novak (Woglinde) und Natalia Skrycka (Wellgunde) und die Mezzosopranistin Marie Henriette Reinhold (Floßhilde) sind drei stimmlich starke Schwestern.
Aber die Musik!!!!! Was für eine hinreißende Musik. Schon der Beginn überwältigt mit dem tiefen Es der Kontrabässe – die Ursuppe, der Anfang allen Seins – erwidert vom Fagott, von den Hörnern mit einer aufsteigenden Melodie übernommen und schließlich in Woglindes vokalbetontem, aus dem Orchesterklang heraus entwickeltem Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege wagala weia! Walala, weiala mündend. Wellgunde und Floßhilde stimmen ein. Musikalisch nimmt der Rhein, Metapher des ewig dahin strömenden Lebens, Fahrt auf. Vom Grunde kommt ein Liebe suchender Alberich, missgestaltet, ein oben Ausgestoßener. Die Rheintöchter necken ihn, versprechen ihm Liebe, die sie ihm gleich wieder entziehen. Alberich schwört der Liebe ab, gewinnt dafür das im Rhein verborgene, Macht versprechende Gold. Wenn schon nicht Liebe, dann wenigstes Macht, mit der man sich Liebe erkaufen oder erzwingen kann.
Richard Wagners geniale Kunst hinterlässt in Summe ein staunendes Publikum im schönen Oberfranken zurück. Das „Rheingold“, dessen Uraufführung zuwider Richard Wagner am 22. September 1869 im Nationaltheater in München von seinem Gönner Ludwig II. in die Bahnen geleitet wurde, annähernd in Worte zu fassen, wird immer ein hoffnungsloses Unterfangen bleiben – man muss dieses alle Sinne erfassende Kunstwerk einfach live erleben!
Erst später im Jahr 1876 erklang der gesamte vierteilige Zyklus im Rahmen der ersten Bayreuther Festspiele.
Die Rheintöchter sind Wagners persönliche Schöpfung, die übrigen Figuren, Göttergestalten, Riesen und Zwerge, entspringen der nordischen Mythologie. Wasser und Wellen befinden sich in Aufruhr, Wagner lässt es wogen und wallen. Gleich zu Beginn der Aufführung wird man nassgemacht – vom Plätschern und Sprudeln der Musik, von strudelnden Es-Dur-Figurationen. Man wird mitten hineingesogen.
Die australische Dirigentin Simone Young und das Festspiel Orchester waren sehr gut, tief am Rheingrund und locker in den Höhen. Sie gaben der Komposition Noblesse und Würde.
Wir schreiben hier bei klassik-begeistert viel über Stimmen. Das fällt heute kürzer aus, da fast alle Stimmen leider „nur“ maximal gut waren, was ein Zuhörer in Bayreuth sicher auch mindestens erwarten darf.
Es gab nur vier Sänger, die herausstachen:
Weltklasse war Ólafur Sigurdarson als Nibelung Alberich. Was dieser kleine Mann an Energie, an Hingabe, an Vielfalt in der Klanggebung, an vollkommener Professionalität darbot, war von einem anderen Stern. Lieber Ólafur, Sie sind DER BESTE Alberich der Welt. Sie sind Power pur und stemmen vom piano bis zum fortissimo alles in Perfektion. Sie kommen mitten aus dem Meer, aus Island. Dass Ihr für deutsche Verhältnisse kleines Volk (380.000 Einwohner) einen so herausragenden Bariton hervorbringt, ist beachtlich und beneidenswert. 2000 Menschen waren aus dem Häuschen im Festspielhaus.
Okka von der Damerau als Erda, die Frau aus Hamburg ist die Inkarnation der Erda. Sie kommt aus der Tiefe, lässt die knapp 2000 Menschen im Festspielhaus mit ihrem tiefen Register vor Glück erschauern und bleibt trotz ihres kurzen Auftritts im Herzen und in der Seele der Wagner-Liebhaber zurück.
Der norwegische Bass Jens-Erik Aasbø war ein perfekter, tief-schwarzer Fasolt, tusen takk , lieber Norweger… Deine Stimme hat den Wohlfühlfaktor 10.
Auch Tobias Kehrer als Fafner war ein bärenstarker, männlicher Bass – beiden Sängern gehört die Zukunft… Diese Riesen sind riesig.
Die Wortdeutlichkeit ALLER Sänger – besonders des Polen Tomasz Konieczny als Wotan – ließ sehr zu wünschen übrig.
Bislang hat nur Georg Zeppenfeld als König Marke in „Tristan und Isolde“ und Gurnemanz im „Parsifal“textstark vollkommen überzeugt.
Andreas Schmidt, 29. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Fast nur Beifall, Riesenbeifall auch am Ende für diesen großartigen „Parsifal“ – nur das Regieteam bekam auch Buh-Rufe… für die Inszenierung und vielleicht auch für die AR-Brillen für 330 Menschen im 1.937-Zuschauer-Saal.
Mit diesen „Augmented-Reality-Brillen“ sieht man vor der Bühne Bienen, Totenköpfe, Gesteine, einen Fuchs… einen blutenden Schwan, Äste, Blumen… sie fliegen durch „den Raum“, ist schon toll gemacht, diese erweiterte Realität, allein, sie verdeckt immer wieder (mit dieser ungewöhnlichen Brille, die 1000 US-Dollar kostet) das Geschehen auf der Bühne. „Richard Wagner, Parsifal, Andreas Schager, Georg Zeppenfeld Bayreuther Festspiele, 27. Juli 2024“ weiterlesen