Musikfest Bremen: „Happy Birthday, Anton!“
Anton Bruckner „Locus iste“, „Vor Arneths Grab“, „Requiem“, „Ave Maria“, „Tota pulchra“
Orgel-Improvisationsskizze und weitere Kompositionen
Franz Schubert „Heidenröslein“, „Widerspruch“
Alpenländische Volkslieder „Griaß enk alle mitanaund“ u.a.
Johann Strauß „Brüderlein, Schwesterlein“, „An der schönen blauen Donau“
St. Florianer Sängerknaben, Foto: Musikfest Bremen ©
Alois Mühlbacher Countertenor
Franz Farnberger Klavier
Klaus Sonnleitner Orgel
Markus Stumpner Leitung
Unser Lieben Frauen Kirche, Bremen, am 3. September 2024
von Dr. Gerd Klingeberg
Feste, so heißt es gemeinhin, solle man feiern wie sie fallen. Das taten auch die aus dem österreichischen Linz angereisten St. Florianer Sängerknaben und ihr Chorleiter Markus Stumpner anlässlich des 200. Geburtstags ihres, in der fast tausendjährigen Geschichte des Chores wohl berühmtesten Mitglieds: Anton Bruckner. Und wie passend, dass dieses bedeutsame Datum just in die Zeit des Bremer Musikfests fiel. Und so gab es, exakt am Vorabend, eine Happy-Birthday-Party der ganz besonderen Art in der altehrwürdigen Unser Lieben Frauen Kirche im Stadtzentrum Bremens. Los ging es mit Bruckners wohl bekanntester Motette, der „heimlichen Hymne des Knabenchors“: „Locus iste“. In himmlisch ruhigem Zeitmaß schienen sich die sorgfältig intonierten, perfekt ausbalancierten Stimmen wie schwerelos aus den Seitengängen heraus im gesamten Kirchenraum schwebend auszubreiten: Die derart erzeugte geradezu mystische Stimmung wurde vom Gesang „Vor Arneths Grab“ und der „Requiem“-Bitte (aus dem Requiem) eindringlich fortgeführt, Letzteres mit final lupenrein sauber gesungenen, changierend ineinandergleitenden Harmonien, die im langen Nachhall des Raumes ein nahezu naturgetreues vielstimmiges Glockengeläut imitierten.
Von aufwallend voluminös registrierten Orgelakkorden begleitet, folgte, von der Orgelempore herunter, ein mit größter Inbrunst und Emotionalität angestimmtes „Ave Maria“-Solo, dem Countertenor Alois Mühlbacher mit warm timbrierter Stimmlage, mit satten Höhen und substanzvollen tieferen Lagen edlen Klang verlieh.
Dass Bruckner sich zeitlebens auch als grandioser Organist zu präsentieren wusste, wurde mittels einer Improvisationsskizze von 1890 (für die Hochzeit der Erzherzogin Marie Valerie) ohrenfällig. In die komplexen harmonischen Wendungen hat der Komponist in sein von wuchtigem Pathos durchdrungenes Werk nicht nur das Händel’sche Halleluja, sondern auch noch die deutsche Nationalhymne, pardon: natürlich die (melodie-identische!) österreichische Kaiserhymne derart klangvoll eingearbeitet, dass sich beim Zuhören so mancher wohlige Rückenschauer einstellte.
Aber übertreiben wollten es die St. Florianer dann doch nicht mit einem Übermaß an salbungsvoller Feierlichkeit. Und so wurde die Reihe spirituell-religiöser Bruckner-Werke kurzerhand aufgelockert durch den netten Sketch zweier Chorknaben, die, als Interviewer und ein gewisser „Professor Edlinger“ auftretend, mancherlei Wissenswertes samt schnurriger Anekdötchen aus dem Leben Bruckners zu erzählen hatten.
Hatte man mit der ersten Konzerthälfte einen faszinierenden Querschnitt über Bruckners vor allem kirchenmusikalisches Œuvre gegeben, so war in der zweiten Hälfte Unterhaltsames und gute Laune angesagt. Dass die insgesamt sehr diszipliniert auftretenden Sängerknaben als Chor, einige auch solistisch, wahrhaft Großartiges zu leisten in der Lage sind, hatten sie längst bewiesen. Aber natürlich sind es auch ganz „normale“ muntere Lausbuben, die mit viel Freude eben auch ihren Gesang betreiben. Alpenländische Volkslieder, mit Akkordeon- oder Klavierbegleitung, waren jetzt an der Reihe: „Griaß enk alle mitanaund“, oder „A lustigö Eicht“ und „Da Ådler“ – was immer das bedeuten mochte. Da hätte es wohl für die meisten Bremer Zuhörer zum genaueren Verständnis der Texte eines kleinen alpenländisch-österreichischen Sprachkurses bedurft. Oder auch nicht; denn die Lebensfreude, aber auch ein gewisser Nationalstolz („Drum sama Landsleut“) der St. Florianer vermittelten sich uneingeschränkt bereits über die Musik. Ein bisschen Bruckner’scher („Im April“) oder Schubert’scher („Widerspruch“, „Heideröslein“) philosophischer Tiefsinn in hochromantischer Liedform rundeten diese „profane“ Konzerthälfte nahezu ab.
Fehlte noch ein weiterer großer Österreicher, nämlich Johann Strauß. Und so wog man sich, begleitet vom begeisterten Jubel der Zuhörer, in allerschönster Walzerseligkeit zu „Brüderlein, Schwesterlein“ und der gar nicht so heimlichen österreichischen Nationalhymne von der „Schönen blauen Donau“.
Dass sie es auch ganz rockig und fetzig rappend modern drauf haben, bewiesen die St. Florianer mit ihrer Zugabe, einem bekannten, indes humorvoll umgedichteten und um-arrangierten Falco-Hit, jetzt mit dem bezeichnenden Titel „Rock us Anton Bruckner“.
Dem zumeist wohl eher ernsten, oft aber auch verschroben bis kauzig anmutenden Komponisten hätte es dabei dereinst gewiss mehr als ein nur angedeutetes Lächeln aufs Gesicht gezaubert.
Dr. Gerd Klingeberg, 4. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at