Ein frisch zusammengewürfeltes Starensemble sorgt für große Oper im Bayerischen Nationaltheater

Foto: © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 15. Juni 2022

UN BALLO IN MASCHERA

Melodramma in drei Akten – 1859

Komponist Giuseppe Verdi. Libretto von Antonio Somma.
In italienischer Sprache

Premiere am 6. März 2016

von Petra Spelzhaus

Der Opernabend startet bereits im Vorfeld beim Blick ins E-Mail-Fach. Die Bayerische Staatsoper informiert uns gleich über vier Umbesetzungen unserer Vorstellung des Maskenballs. Paolo Arrivabeni übernimmt das Dirigat von Daniele Rustioni, Okka von der Damerau die Partie der „Ulrica“ anstelle von Judit Kutasi, Simon Lim die des „Samuel“ von Andrew Harris, Roman Burdenko wird statt Carlos Álvarez zum „Renato“. Vorneweg: Die Protagonisten wissen im gut besuchten Bayerischen Nationaltheater allesamt zu überzeugen. Das Melodram um einen Herrscher, der von Menschen umgeben ist, die nach seinem Leben trachten und der schließlich von seinem Freund und Berater auf dem höfischen Maskenball erschossen wird, wird wie aus einem Guss präsentiert.

Erfreulicherweise bleibt uns Piotr Beczała in der Rolle des Gouverneurs Riccardo erhalten. Der polnisch-schweizerische Startenor nutzt seine Eingangsarie noch ein wenig zum Ölen seiner Stimme. Im Laufe des Abends läuft er zu Höchstform auf. Er verkörpert den in die Jahre gekommenen Gigolo in all seinen Facetten bis in die Haarspitzen. Er singt mit viel Schmelz, weich, leidenschaftlich, anfangs – eine trügerische – Leichtigkeit ausstrahlend, später zunehmend dramatisch. Großartig ist seine Interpretation der berühmten Arie „Forse la soglia attinse… Ma se m’è forza perderti“, in der sämtliche Facetten eines Verdi-Tenors abverlangt werden.

Quasi als Alter Ego Riccardos fungiert sein Page Oscar, der als Puppenspieler den Gouverneur doppelt. Verdis einzige Hosenrolle wird leicht-fröhlich dargeboten vom Koloratursopran Deanna Breiwick. Das Varieté lässt grüßen. „Giuseppe Verdi, UN BALLO IN MASCHERA
Bayerische Staatsoper, 15. Juni 2022, “
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Im Rausch der Gefühle – besser kann man Madama Butterfly nicht singen

Foto: © Wilfried Hösl, Bayerische Staatsoper – Nationaltheater

Aber ich denke, München hätte eine modernere Butterfly verdient. Im Jahre 2022 kann man den entsetzlichen Sexismus, Rassismus und White Supremacy in der Madama Butterfly nicht einfach mit hübschen Bildern übertünchen, sondern muss sie deutlich machen und zur Diskussion stellen. Auch dafür ist Oper eine Plattform.

Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 31. Mai 2022

Madama Butterfly

Japanische Tragödie in drei Akten – 1904

Komponist  Giacomo Puccini
Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa.
In italienischer Sprache · Mit Übertiteln in deutscher und englischer Sprache.

von Barbara Hauter

Ich habe nicht nah am Wasser gebaut, aber diese Butterfly zerriss mir das Herz. So angefasst war ich noch nie von einer Oper. Emotionaler geht nicht. Das gesamte Ensemble war in Höchstform, vom Dirigenten über die Hauptdarsteller bis in die Nebenrollen. Ganz besonders aber gehörte der Abend der albanische Sopranistin Ermonela Jaho, die die Butterfly regelrecht hinzauberte.

Ermonela Jaho ist zu Recht der bejubelte Star des Abends.  Sie gibt die 15jährige, verliebte, schwärmerische und naive 15jährige, die gereifte Hoffende, die liebende Mutter, die Enttäuschte und tödlich Verzweifelte so mitreißend, dass ich mich in meinem Opernsessel kaum zu rühren wage. Jede dieser „Rollen in der Rolle“ erfordert ein anderes Timbre, eine andere Stimmführung – und Jaho ist die Meisterin dieser Wandlungen. Sie betritt die Bühne als das schüchterne, zerbrechliche Mädchen, umspielt ihre knospende Liebe mit zarten Nuancen, in ihren leisesten Tönen so präsent, dass ich kaum mehr atme. Es schnürt mir das Herz, wenn neben diesem zerbrechlichen Schmetterling Charles Castronovo als Pinkerton kühl und distanziert davon singt, dass Butterfly nur ein Spielzeug sei.

Da krachen Welten aufeinander: Ost – West, Mann – Frau, alt – jung, emotional – berechnend. Und diese Kontraste hört man in den Stimmen der beiden Protagonisten. Der US-amerikanische Tenor geht auf in der Rolle des zynisch distanzierten Besatzers, des überlegenen weißen Mannes. Sonst prädestiniert für das Fach des Liebenden, als Alfredo oder Rodolfo, ist seine Stimme diesmal kühl und glatt wie ein Spiegel, einzig in einem kurzen Augenblick der Reue im letzten Akt lässt Castronovo menschliche Wärme durchscheinen. „Giacomo Puccini, Madama Butterfly
Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 31. Mai 2022“
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Welch wunderbarer Abend: agil, wach und voller Energie!

Foto: (c) W. Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 24. Mai 2022

6. Akademiekonzert: Vladimir Jurowski

Bayerisches Staatsorchester
Jakob Spahn, Violoncello

Programm

Krzysztof Penderecki (1933–2020)

Ouvertüre und 3 Stücke im alten Stil nach Musik zu dem Film Die Handschrift von Saragossa

Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2

Igor Strawinsky (1882–1971)

Variations „Aldous Huxley in memoriam“

Petruschka. Burleske Szenen in vier Bildern (Originalfassung von 1911)

von Frank Heublein

An diesem Abend wird im Münchner Nationaltheater das sechste Akademiekonzert gegeben. Im ersten Teil eine Hommage an den polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, dessen Oper „Die Teufel von Loudun“ bei den Opernfestspielen 2022 in München auf die Bühne gebracht wird. Im zweiten Teil des Abends werden zwei Werke Igor Strawinskys präsentiert.

Penderecki hat auch Gebrauchsmusik für Film und Theater komponiert. So für Woiciech Has Romanverfilmung „Die Handschrift von Saragossa“. Der Film spielt um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Die Ouvertüre hat Jurowski anhand des Films transkribiert, da die Noten nach Fertigstellung des Films vernichtet wurden oder verloren gegangen sind. Sie erklingt erstmals als Orchesterwerk. Oh ja, das ist Mozart, den ich höre. Eingewoben ist ein Beethovenzitat, Freude schöner Götterfunken. Die drei Stücke im alten Stil klingen nach einer Mischung von Bach und Telemann. Beim Komponistenraten hätte ich keine Chance, die Tarnung funktioniert. Jurowski führt mit dem Bayerischen Staatsorchester beschwingt agil in den Abend ein. „6. Akademiekonzert: Vladimir Jurowski
Bayerische Staatsoper, München, 24. Mai 2022“
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Die Konstruktion von "Les Troyens" benötigt einen Skript-Doktor

Foto: © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 9. Mai 2022 PREMIERE

Les Troyens

Grand opéra in fünf Akten (1863 / 1879)

Komponist Hector Berlioz. Libretto von Hector Berlioz nach Vergil.
In französischer Sprache

Bayerisches Staatsorchester
Daniele Rustioni  Dirigent
Bayerischer Staatsopernchor
Statisterie der Bayerischen Staatsoper

von Frank Heublein

An diesem Abend wird in der Bayerischen Staatsoper Les Troyens von Hector Berlioz aufgeführt. Ein schwieriges Werk, wenn wie in dieser Inszenierung die ungekürzte Fassung gespielt wird. Fünf Akte, zwei Handlungsplätze, Troja und Karthago und drei Rollen, die Berlioz stimmlich ans Äußerste ihrer Möglichkeiten treibt. Es sind Cassandre, Énée und Didon. Alle drei haben die Aufgabe, extrem lange Arien, Duette und Nummerfolgen auf hochdramatischem Niveau zu meistern.

Am heutigen Abend sind das Altistin Marie-Nicole Lemieux als Cassandre, die in Les Troyens die Lage einer Mezzosopranistin singt. Tenor Gregory Kunde singt den Énée und Mezzosopranistin Ekaterina Semenchuk singt die Didon.

Marie-Nicole Lemieux als Cassandre steckt im ersten Akt in einem permanenten Ausnahmezustand. Ihre Warnungen, dass die Griechen den Trojanern mit dem Pferd eine Falle gestellt haben, dass Troja untergeht, werden allesamt in den Wind geschlagen. Marie-Nicole Lemieux singt und ist dieser permanente Ausnahmezustand in diesem langen ersten Akt. Dramatisch, energetisch, willensstark, fest dringt ihre Stimme in mich ein.

Selbst bei den Chor- und Gruppenszenen müssen die Solisten und Solistinnen mit ran. Die Laocoon Szene, der Priester erkennt als einziger den griechischen Trug und wird von Schlangen getötet, ist für mich die eindrucksvollste aller Massenszenen der ersten beiden Akte, die in Troja spielen. Das Orchester, der Chor und die Solisten singen entsetzt, sehen darin ein Zeichen, dass man ein göttliches Geschenk geschmäht hat. Énée hat hier seinen ersten stimmlich bedeutsamen Auftritt und in seiner Tenorstimme tönt der Held hervor. Eine mich überwältigende Szene. „Les Troyens, Hector Berlioz,
Bayerische Staatsoper, München, 09. Mai 2022 PREMIERE“
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Geschwindigkeiten der Zeit: "Der Rosenkavalier" in München diesmal live vor Ort

Ich schrieb im März 2021: „Lieber Herr Schicksalsengel, gib mir heute Nacht einen Traum: wie ich diese Inszenierung im dunklen Zuschauerhalbrund mit 1999 Mitzuschauern und Mitzuschauerinnen im Nationaltheater in München intensiv erlebe und genieße.“ Geträumt habe ich das nicht. Dafür intensiv erlebt und gespürt habe ich an diesem Abend schon. Noch viel schöner also als ein Traum. Und: dreizehn Monate Zeit, was ist das schon?

Richard Strauss, Der Rosenkavalier
Bayerische Staatsoper, München, 8. Mai 2022
Fotos: W. Hösl ©

von Frank Heublein

Vor einem guten Jahr im März 2021 hatte die Neuinszenierung „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss Premiere in München. Ich (und drei andere Kollegen und Kolleginnen) berichteten auf klassik-begeistert.de über den Livestream.

Aufgrund der epidemischen Situation wurde letztes Jahr die Fassung für kleineres Orchester von Eberhard Kloke gespielt. An diesem Abend wird die aktuelle Inszenierung zum ersten Mal mit der großen Originalbesetzung aufgeführt. Diesmal live mit mir und wie ich erspähe auch Regisseur Barrie Kosky als Teil des Publikums.

„Fast wie bei der Premiere“ raunt es hinter mir beim Schlussapplaus, im Augenblick der hörbaren Minderheiten-Buhs, die sich Dirigent Vladimir Jurowski einsammelt. In der Buh-Gegenaktion zum Teil stehend brausender Applaus. Ich verstehe den heutigen Abend ob der Orchesterfassung als echte Premiere, also heraus mit den Buhs und Ovationen! Der erste Akt gelingt Jurowski mit seinem Bayerischen Staatsorchester differenziert und nuancenreich. Trotz großer Besetzung ist der erste und der dritte Teil dieses Aktes fein und zart, sorgsam unter die Stimmen gelegt trägt die Musik die Stimmen ins Publikum hinein. „Richard Strauss, Der Rosenkavalier
Bayerische Staatsoper, München, 8. Mai 2022“
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Spielzeitpräsentation der bayerischen Staatsoper für das Jahr 2022/23

Foto: Bayerische Staatsoper © Felix Löchner

Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 05. Mai 2022

Pressekonferenz mit Serge Dorny, Vladimir Jurowski und Laurent Hilaire im Beisein des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume

von Frank Heublein

Eine Personalie ist das erste Highlight der Pressekonferenz. Laurent Hilaire wird von Staatsminister Blume als neuer Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballets vorgestellt. Er arbeitete nach seiner Tänzerkarriere lange als Ballettmeister. Von 2017 bis 2022 war er künstlerischer Direktor des Stanislawski-Balletts. Dieses wurde 2018 für das beste klassische und 2019 für das beste zeitgenössische Ballett des Jahres in Russland mit der »Goldenen Maske« ausgezeichnet. Im Februar 2022 trat Laurent Hilaire als künstlerischer Direktor des Ensembles zurück.

Das Motiv, das das künstlerische Führungsteam leitet, lautet diese Spielzeit „Gesänge von Krieg und Liebe“. Brennend aktuell. Die Opernpremieren stehen in einer – wie Vladimir Jurowski betont – akuten Resonanz zu unserer Gegenwart, Zeiten von Umbruch und Krieg. Die Situation des Wartens ist ein weiterer thematischer roter Faden der Saison 2022/23. „Pressekonferenz, Spielzeit 2022/23,
Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 05. Mai 2022“
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Ab 9. Mai 2022 in der Bayerischen Staatsoper: Hector Berlioz' "Les Troyens"

Foto: Bayerische Staatsoper © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 09. Mai 2022

Vorbericht zur Premiere der Oper
Hector Berlioz   Les Troyens in München am 09. Mai 2022

von Frank Heublein

Der Regisseur Christophe Honoré inszeniert die Oper Les Troyens von Hector Berlioz. Er schreibt Bücher, dreht Filme und inszeniert, sowohl Sprech- als auch Musiktheater. Er steckt gerade mitten in den Proben zu Les Troyens. Dem Theatiner Kino in München stattet er am Samstag, den 09. April 2022 einen Besuch ab. Sein letzter in Deutschland veröffentlichter Film ist Zimmer 212. Dieses Kino um die Ecke des Nationaltheaters bringt Filme ausschließlich in Originalsprache auf die Leinwand. Christophe Honoré erscheint danach zum Filmgespräch. Es geht nicht nur um den gezeigten Film, sondern auch um die anstehende Operninszenierung.

Das Stück

Die Oper Les Troyens wurde zu Lebzeiten des Komponisten nie komplett aufgeführt. An der Grand Opéra in Paris wurde 1861 Richard Wagners Tannhäuser Berlioz Les Troyens vorgezogen. Wagners Oper war ein Misserfolg und verschlang große Summen, so dass die Pariser Oper eine aus deren Sicht riskante Produktion wie Les Troyens nicht auf den Spielplan setzte. 1863 wurden die letzten drei Akte am Théâtre Lyrique aufgeführt. Ohne Erfolg. 1879 erlebten die ersten beiden Akte eine konzertante Aufführung im Théâtre du Châtelet in Paris. Die erste Gesamtaufführung auf zwei Tage verteilt wurde durch den österreichischen Dirigenten Felix Mottl in Karlsruhe 1890 organisiert. Erst 1969 wurde Les Troyens auf Grundlage der wissenschaftlichen Ausgabe der Partitur erstmals vollständig an einem Abend durch die Scottish Opera Glasgow auf die Bühne gebracht.

Les Troyens ist antiker Mythologiestoff. Die Handlung setzt ein, als die Griechen das trojanische Pferd vor die Stadt stellen und scheinbar abziehen. Cassandres (Kassandras) Warnungen werden in den Wind geschlagen. Énée (Aeneas) erblickt im Traum den gestorbenen trojanischen Helden Hector. Er soll die Stadt verlassen, einige Schätze retten um vor allem in Italien ein neues Reich zu gründen und das trojanische Geschlecht zu erhalten. Die Reise führt Énée nach Karthago zur Königin Didon (Dido). Diese kann sich nach dem Tod ihres Mannes nicht entschließen, neu zu heiraten. Didon gewährt den Trojanern Asyl. Während einer Jagd flüchten Didon und Énée vor einem Gewitter und verlieben sich ineinander. Doch Énée fügt sich der göttlichen Weisung, verlässt Didon und Karthago, um in Italien sein neues Reich zu gründen. Er wird zum mythischen Stammvater Roms. Didon verbrennt alles, was Énée zurückgelassen hat und tötet sich mit dessen Schwert selbst. „Vorbericht zur Premiere der Oper Les Troyens von Hector Berlioz,
Bayerische Staatsoper München, 9. Mai 2022“
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„Es pocht eine Sehnsucht an die Welt, An der wir sterben müssen"

Foto: Serghei Gherciu

Bayerische Staatsoper, München, 26. März 2022     Premiere

Passagen
Ballettabend

von Frank Heublein

An diesem Abend findet die Premiere der Produktion Passagen des Bayerischen Staatsballets im Nationaltheater in München statt. Übergänge, in denen etwas in mir passiert, mit mir passiert. Der Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts Igor Zelensky schreibt im Programm „Das Theater selbst ist Passage, ein Ort, wo sich Veränderungen und Verwandlungen erproben, erleben und anstoßen lassen“. Gut gesagt.

Passagen Affairs of the Heart Ensemble (c) S. Gherciu

Die erste Passage des Abends heißt „Affairs of the Heart“. Es ist eine Choreografie von David Dawson. Die Musik mit gleichem Namen stammt vom kanadischen Komponisten Marjan Mozetich und ist für Solo-Violine und Streicher geschrieben. Musikalische Schleifen, die sich in meinem Ohr verfangen. Musik, die sich in iterativen Wellen bewegt. Vor dem Hintergrund abstrakter Malerei der ins Blau Licht getauchten Bühne flirren die Tänzerinnen und Tänzer zur Musik. Formierungen erwachsen und vergehen schnell. Das Getanzte auf der Bühne ist ein anhaltender leichter Fluss. Gerade so wie ein Getreidefeld, das kurz vor der Ernte vom Wind in ständiger Bewegung gehalten wird. Das Solo von Shale Wagman ist beeindruckend. Fulminante kraftvolle hohe Sprünge. Energie, die sich unmittelbar auf mich überträgt. „Passagen, Ballettabend, Bayerisches Staatsballet
Bayerische Staatsoper, München, 26. März 2022 Premiere“
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Ein exzellentes Ensemble sorgt für großen Rossini-Genuss

Foto: Bayerische Staatsoper © Felix Löchner

Bayerische Staatsoper, München, 21. März 2022

Gioachino Rossini   La Cenerentola

Musikalische Leitung   Michele Spotti
Inszenierung   Jean-Pierre Ponnelle
Bühne und Kostüme   Jean-Pierre Ponnelle
Chor   Stellario Fagone

Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor

von Frank Heublein

An diesem Abend wird in der Bayerischen Staatsoper La Cenerentola von Gioachino Rossini aufgeführt. Das Münchner Haus hat ein mannigfaltiges Repertoire. Diese La Cenerentola erblickte das Licht der Bühne in 1980. Jean-Pierre Ponnelles Bühne ist funktional, unterstützt Handlung und Spiel. Damit legt er den Fokus auf die Sänger und Sängerinnen.

Drei besonders wundervolle Momente schenkt mir diese Aufführung. Den ersten in Person Erwin Schrotts als Alidoro, der Cenerentola motiviert, aufs Fest des Don Ramiro zu gehen. In seiner Arie „Osservate. Silenzio. Abiti, gioie“ (Pass auf. Schweige. Kleidung, Geschmeide) offenbart mir Erwin Schrott seinen geschmeidigen, vollmundigen, kraftvollen Bass. Er singt gefällig, umschmeichelnd und souverän.

Der zweite dieser Momente ist ein Stellvertreter für die Raffinesse Rossinis. Für das was mich bei Rossini packt, atemlos macht. Meine Faszination gilt den Ensemblemomenten. Das Finale des ersten Aktes „Mi par d’essere sognando“ (Ich scheine zu träumen) ist großartig! Die Stimmen flirren, flattern durcheinander, sind in einem Moment Teil des großen Ganzen und zugleich?, kurz darauf?, so schnell bin ich nicht in der Lage zu unterscheiden: es ist für mich ein Moment der musikalischen Explosion. Ich gehe darin auf, versinke und genieße.

„Gioachino Rossini, La Cenerentola,
Bayerische Staatsoper, München, 21. März 2022“
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Wenn Masse Schuld bestimmt, geht die Menschlichkeit mit unter

Foto: Bayerische Staatsoper, © W. Hoesl

Bayerische Staatsoper, München, 10. März 2022

Benjamin Britten    Peter Grimes

von Frank Heublein

An diesem Abend wird in der Bayerischen Staatsoper in München Peter Grimes von Benjamin Britten aufgeführt. Peter Grimes ist Fischer und hat – fast – das ganze Dorf gegen sich. Es geht um den Tod seines Lehrjungen auf hoher See. War das Unfall? Oder hat Peter Grimes Schuld auf sich geladen? Die Gerichtsverhandlung stellt den Unfall fest. Doch sät der Richter zugleich Verdacht. Denn er rät Peter Grimes, anstatt eines Lehrjungen einen Fischer zu Hilfe zu nehmen. Was sagen die Dorfbewohner dazu? But when the crowner sits upon it, / who can dare to fix the guilt? (Aber wenn der Richter einen Beschluss fasst, / wer wagt es noch, die Schuld festzustellen?). Ich ahne Schlimmes, so wie sich die Masse zu Peter Grimes verhält: die Masse stellt die Schuld nicht fest, sie legt sie fest. Die Finger richten sich auf Peter Grimes.

Das bayerische Staatsopernorchester ist bestens disponiert. Edward Gardner schält musikalische Extreme aus der Partitur. Die Chor-Massen-Szenen unterlegt er mit auf mich wild wirkenden Orchesterphrasen. Arien und Duette dagegen werden ganz und gar a cappella gesungen oder ganz zart zurückhaltend orchestral begleitet. Häufig mit ziselierten Streichern und Harfe. „Benjamin Britten, Peter Grimes,
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