Blaues Wunder auf dem Grünen Hügel: Ein Bilderbuch-Libretto

„Wenn ein Buch so sinnlich die Sehnsucht weckt, hoffentlich im nächsten Jahr wieder auf dem ‚Hügel‘ sein zu dürfen, dann ist das schon deswegen ein wertvolles Buch.“

Richard Wagner – Lohengrin. In Bildern von Rosa Loy und Neo Rauch. Mit einer Einführung von Christian Thielemann. C.H. Beck Verlag, München 2020. 152 S., 52 farbige Abb., € 34,00, ISBN: 978-3-406-75066-3

von Andreas Ströbl

Gleich zwei Klassiker der Wagner-Rezeption, nämlich Friedrich Nietzsche und Thomas Mann, haben die Musik des „Lohengrin“ synästhetisch mit der Farbe Blau verbunden. Für Nietzsche waren es vor allem „die opiatischen und narkotischen Wirkungen“ in Wagners romantischer Oper, die er als „blau“ empfand. Während das Assoziations- und Symbolspektrum bekanntlich von Ruhe, Klarheit, Kälte und Reinheit über Treue, Harmonie, den Himmel, das Meer, die Unendlichkeit bis zu Nacht und Tod reicht, um nur eine Auswahl zu nennen, wählte Neo Rauch laut persönlicher Mitteilung für die Bayreuther Inszenierung von 2018 die Farbe Blau, weil dies seiner Intuition entsprang und durch die Musik evoziert wurde. In Nietzsches Wahrnehmung fand der Maler folgerichtig die Bestätigung für diese Entscheidung. Andernorts führte er als Grund das Delfter Blau eines Porzellantellers an; schließlich spielt der „Lohengrin“ nun einmal im kulturräumlich benachbarten Brabant. „Blaues Wunder auf dem Grünen Hügel: Ein Bilderbuch-Libretto“ weiterlesen

„…bald sind wir aber Gesang“ – eine erweiterte Rezension zu Rüdiger Safranskis Hölderlin-Biographie (Teil 3)

Hölderlin, der Musiker – die meisten Liebhaber seiner Werke wissen kaum etwas über die musikalische Begabung des Dichters. Dabei hat Musik für Hölderlin eine wesentliche Rolle gespielt. Und sie hängt ganz eng mit seiner Art zu dichten zusammen.

So geheimnisvoll und mehrdeutig vieles in seinen Werken ist – gerade hierin eröffnet sich auch eine Sicht auf die Welt, die gerade heute ungemein wertvoll erscheint.

von Dr. Andreas Ströbl

Hölderlin hat sein Leben lang musiziert. Als Kind und Jugendlicher bekam er Klavierunterricht; Musik war in der Klosterschule Maulbronn, die er 16-jährig besuchte, Prüfungsfach. Er sang, spielte Mandoline und Flöte, komponierte. Bei Friedrich Ludwig Dulon, einem der im ausgehenden 18. Jahrhundert berühmtesten Virtuosen auf diesem Instrument, nahm er mit 19 Jahren Unterricht. Dulon meinte, Hölderlin sei der einzige seiner Schüler, dem er nichts mehr beibringen könne. Sein Klavierspiel nannte er selbst „Geklemper“, aber das ist selbstironische Bescheidenheit. Auch im Hause Gontard, wo er sich als Hauslehrer so unsterblich in Susette Gontard, seine „Diotima“ verliebte, musizierte er intensiv mit der Familie. Dort wurde sein musikalisches Talent wiederum ausdrücklich gelobt. „„…bald sind wir aber Gesang“ – eine erweiterte Rezension zu Rüdiger Safranskis Hölderlin-Biographie (Teil 3)“ weiterlesen

„…bald sind wir aber Gesang“ – eine erweiterte Rezension zu Rüdiger Safranskis Hölderlin-Biographie (Teil 2)

„Der Hölderlin isch et veruckt gwä“, Graffito auf dem Tübinger Hölderlinturm, Foto: © -wn für www.In-Berlin-Brandenburg.com

„Hölderlin war doch in jeder Hinsicht verrückt!“ – Für heutige Leser ist die Lektüre der Hölderlin’schen Dichtung oder seines Romans „Hyperion“ mitunter im Ton zu hochtrabend, seine Sehnsucht nach höherem Sinn wirkt für manche verstiegen. Aber sein Missfallen an der Welt und seine Schwierigkeiten mit der Religion verbinden ihn mit vielen, die auch mit aktuellen Situationen ihre Probleme haben.

Über Hölderlins „Verrücktheit“ ist viel spekuliert worden und die Frage, inwieweit Menschen mit psychischen Störungen zu künstlerischen Leistungen in der Lage sein können, ist nicht nur für Mediziner und Psychologen hochspannend.

von Dr. Andreas Ströbl

Über den Begriff des Göttlichen und die wie ein Gegenmodell zum christlichen Gott wirkenden, vermeintlich antiken Götter, in deren Arm das Kind nach eigener gedichteten Erinnerung groß wuchs, ist in der Sekundärliteratur hinlänglich geschrieben worden. Aber es ist richtig, dass Safranski diese Sphäre ausleuchtet, denn selbstverständlich ging es Hölderlin um das Hohe, das Jenseitige, das, was sich über die in der Elegie „Brot und Wein“ beklagte Dürftigkeit der Zeit, in der er immer mehr ein Einsamer mit seinen Idealen war, erhob. „„…bald sind wir aber Gesang“ – eine erweiterte Rezension zu Rüdiger Safranskis Hölderlin-Biographie (Teil 2)“ weiterlesen

„…bald sind wir aber Gesang“ – eine erweiterte Rezension zu Rüdiger Safranskis Hölderlin-Biographie (Teil 1)

„Hölderlin? Hat der nicht in so einem Turm gelebt?“ Viel mehr ist im allgemeinen Bewusstsein nicht übriggeblieben von einem Dichter, der sich weder in die Klassik noch in die Romantik einordnen lässt. Sein Gedicht „Hälfte des Lebens“ kennen manche noch aus der Schule, aber das war es meist schon. Eine der Biographien, die zu seinem 250. Geburtstag erschienen sind, ist „Komm! ins Offene, Freund!“ von Rüdiger Safranski.

Warum es lohnt, sich mit diesem eigenwilligen Poeten zu beschäftigen und was für eine Rolle die Musik für ihn gespielt hat, erzählt Andreas Ströbl.

von Dr. Andreas Ströbl

Mit gelben Birnen und voll mit wilden Rosen neigt sich das Hölderlin-Jahr seinem Ende zu und diejenigen, die das Werk des vielleicht sensibelsten Dichters deutscher Zunge lieben, fragen sich mitunter, was es ihm und uns denn gebracht hat, dieses Gedenkdatum. Machen wir uns nichts vor – allein deswegen, weil der „Hölder“ heuer seinen 250. Geburtstag hatte, werden seine niemals leicht zugänglichen Werke auch 2020 nicht öfter gelesen und vor allem geschätzt. Sicher ist sein Gedicht „Hälfte des Lebens“ ein vollendetes Kleinod, in seinen Bildern aber fassbar und vor allem kurz. Daher hat es dieses melancholische Meisterstück auch in die Schulbücher geschafft. Und der ganze Rest? Der ist für den allgemeinen Bildungskanon zu hoch im schwärmerischen Ton, manch einer würde von „verstiegen“ sprechen. Vor allem aber ist Hölderlins Œuvre inhaltlich, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen „schwer zu fassen“ und „unendlicher Deutung voll“. Das erste Zitat bezieht sich nicht auf sein Werk, sondern auf noch weniger Greifbares, doch dazu später. „„…bald sind wir aber Gesang“ – eine erweiterte Rezension zu Rüdiger Safranskis Hölderlin-Biographie (Teil 1)“ weiterlesen

Christian Thielemann: Meine Reise zu Beethoven

Buchrezension: Christian Thielemann. Meine Reise zu Beethoven

von Kirsten Liese

Mit Beethovens Oeuvre habe ich mich über Jahrzehnte beschäftigt. Insofern war ich sehr gespannt, ob und welche Erkenntnisse ich bei der Lektüre von Christian Thielemanns jüngstem Buch dazu gewinnen würde – auch im Hinblick auf die zyklischen Interpretationen des Dirigenten mit den Wiener Philharmonikern und der Sächsischen Staatskapelle Dresden im Abstand von zehn Jahren, die ich beide live im Konzert erleben durfte. Denn eigentlich fängt es an diesem Punkt doch erst an, spannend zu werden, wenn die eigene Beschäftigung mit den Werken und Partituren sich schon gesetzt hat und man die Gelegenheit hat, den Blick zu vertiefen oder sogar bisherige Sichtweisen zu überdenken, womöglich gar zu revidieren. „Buchrezension: Christian Thielemann. Meine Reise zu Beethoven“ weiterlesen

Die Geschichte der Wagnerismus und seiner Anhänger

Rezension des Buches von Alex Ross: „Die Welt nach Wagner. Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne.“

von Jolanta Łada-Zielke  

Als ich von diesem Buch erfuhr, fragte ich mich: Was kann man noch über Wagner schreiben? Die gesamte Literatur über ihn umfasst bereits viele, viele Regalmeter. Die Lektüre der ersten Seiten hat mich jedoch überzeugt: Gut, dass diese Publikation herausgegeben wurde! Der Autor zeigt detailliert, wie sich die Wagner-Legende und der Einfluss von Wagners Werken auf die außermusikalische Kunst in der ganzen Welt verbreiteten, vor allem nach seinem Tod in Venedig am 13. Februar 1883. Seine Schöpfung hinterließ Spuren in Literatur, Malerei, Architektur, Philosophie, Theater, Film und natürlich in der Politik. Die Wagnergesellschaften und -vereine agieren in über 40 Ländern „von Venezuela bis Singapur“, so Ross.  

Der Autor schreibt, anfangs habe der Begriff „Wagnerianer“ eine ironische Konnotation gehabt. Heute wissen wir, dass das Wort „Wagnerismus“ mehrdeutig und facettenreich ist. Es verbreitete sich am meisten in Frankreich, Österreich und Deutschland, hatte aber auch Anhänger in anderen Ländern. In Italien schätzte Gabriele d’Annunzio Wagner mehr als Verdi, und Barcelona in Katalonien war die erste europäische Stadt, die den „Parsifal“ außerhalb von Bayreuth aufführte. Die Franzosen sahen ihn als Vertreter der dekadenten Kultur der Moderne, während die Engländer ihn für die Förderung der arthurianischen Mythen schätzten. „Die Geschichte der Wagnerismus und seiner Anhänger, Alex Ross: „Die Welt nach Wagner. Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne“
klassik-begeistert.de“
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Ladas Klassikwelt 56: Ludwig van Beethoven – Ein Komponist mit menschlichem Herzen

Der Komponist starb am 26. März 1827 in Wien. Der Schauspieler Heinrich Anschütz sagte in einer Begräbnisrede über ihn, dass er nicht nur Künstler, sondern auch im höchsten Sinne ein Mensch sei, der bis zu seinem Tod „das menschlichste Herz aller Menschen“ hatte.

von Jolanta Lada-Zielke

„Beethoven. Leben und Werk des großen Komponisten“ ist eine Geschichte nicht nur für Kinder, sondern auch für ganze Familien. Das Buch wurde vom Verlag Annette Betz herausgegeben, die Autoren sind Lene Mayer-Skumanz (Text) und Winfried Opgenoorth (Illustrationen). „Ladas Klassikwelt 56: Ludwig van Beethoven – Ein Komponist mit menschlichem Herzen“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 49: Die scheinbare Leichtigkeit von Mozarts Musik

„In dem Buch haben wir es mit einem Mann zu tun, der eine exquisite Küche, elegante Kleidung und gute Unterhaltung mag, der aber ein treuer und verantwortlicher Ehemann seiner Constanze ist. Außerdem arbeitet er jeden Tag fleißig an seinen Werken. Sein einziges Problem ist, nicht mit dem Geld umgehen zu können.“

von Jolanta Łada-Zielke

„Eine kleine Nachtmusik“ von Mozart kennen auch diejenigen, die wenig über Klassische Musik wissen. Auf entsprechende Art und Weise vermitteln Mozarts Werke mit ihrer Leichtigkeit den Eindruck, als ob das Komponieren dem Häkeln ähnlich wäre. Selbst sein „Requiem“ hat trotz seiner ernsten, manchmal sogar tragischen Stimmung diese Leichtigkeit. Aber einem solchen Effekt ging harte Arbeit voraus. Das Darstellen dieser anderen Seite der Biographie von Wolfgang Amadeus (genauer Amadé) Mozart war das Ziel von Konrad Beikircher, dem Autor des Buches „Mozart und die Schwerelosigkeit der Musik“, das vom Arena-Verlag im Rahmen des Zyklus „Lebende Biographien“ veröffentlicht wurde. Die Illustrationen wurden von Sebastian Coenen angefertigt. „Ladas Klassikwelt 49: Die scheinbare Leichtigkeit von Mozarts Musik“ weiterlesen

Mahlers letzter Satz? Ein komplizierter Mann am Ende seines Lebens

Buchbesprechung: Robert Seethaler, Der letzte Satz

Hanser Verlag, Berlin 2020, 126 S., € 19,00, ISBN: 978-3-446-26788-6

von Dr. Andreas Ströbl, Lübeck

Der Titel von Seethalers Buch spielt doppelbödig auf eine Anekdote in Gustav Mahlers Leben im Jahr 1896 an. Während eines Spazierganges an der Traun hatte der alte Brahms ein Jahr vor seinem Tod dem 36-jährigen Mahler gegenüber das Ende der Musik herbei-apokalyptisiert. „Wir sind die Letzten“, soll „der Alte“, wie Mahler ihn Freunden gegenüber nannte, geknurrt haben. Seines eigenen Schaffens bewusst und klug genug, um die Welt- und Zeitläufte zu wissen, zeigte Mahler auf den Fluss und rief: „Sehen Sie doch, Herr Doktor, dort fließt die letzte Welle!“. „Buchbesprechung: Robert Seethaler, Der letzte Satz“ weiterlesen

Rudolf Buchbinder reist durch den Beethoven-Kosmos

Foto: © Marco Borggreve

Buchbesprechung:

Rudolf Buchbinder: Der letzte Walzer. 33 Geschichten über Beethoven, Diabelli und das Klavierspielen (Amalthea)

von Herbert Hiess

Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende  Starpianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.

Und gerade die 1823 fertiggestellten „Diabelli“-Variationen sind ein Werk, das der Pianist als „Magnum Opus“ bezeichnet. „Dieses Werk ist sozusagen eine Zusammenfassung des ganzen Musikschaffens Beethovens“, sagte Rudolf Buchbinder im Telefongespräch mit klassik-begeistert.de. Anton Diabelli, dessen Vater noch Demon hieß, italienisierte seinen teuflischen Namen passend auf Diabelli. Offenbar war es schon um 1820 ein Phänomen, dass sich exotisch klingende Namen besser verkaufen ließen, als konventionelle Alltagsnamen. „Rudolf Buchbinder: Der letzte Walzer. 33 Geschichten über Beethoven, Diabelli und das Klavierspielen,
Buchbesprechung“
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