Radek, knapp 4: Der Opernball fällt aus – kein Problem

von Radek Knapp

Eines Tages fragte ich meine Nachbarin Frau Milchpeter, was wäre der schnellste Weg die österreichische Seele zu ergründen? Sie überlegte nicht lang. „Schauen Sie sich den Operball an. In drei Stunden wissen Sie alles.“

Auf meinen Einwand, dass eine Opernballübertragung kein James-Bond-Film sei und ich bereits in den ersten Minuten ins Schlafkoma fallen würde, sagte sie: „Da irren Sie sich, so wie ein Banause sich nur irren kann. Wenn Sie den Opernball sehen, werden Sie noch tagelang unter Schlaflosigkeit leiden.“

Also tat ich ihr den Gefallen und schaltete an einem grauen Februarabend den Fernseher ein. Schon nach ein paar Minuten wunderte ich mich wieder einmal, wie weise meine Nachbarin war. Es fing damit an, dass ich einer von sechs Millionen österreichischer Zuseher war, die vor dem Bildschirm saßen (die abwesenden zwei Millionen bestanden aus Teenagern, die gerade im Internet verloren gingen, und Emigranten, die gerade am Fließband schufteten). Diese sechs wach gebliebenen Millionen Österreicher (ich zählte mich ausnahmsweise dazu) schauten fünftausend Auserwählten zu, die in Frack und Abendrobe in die Oper strömten. An diesem besonderen Tag wurde nämlich das gesamte Land wie eine Torte in zwei ungleiche Hälften geschnitten. Die eine aß Chips vor dem Fernseher und starb vor Neid, während die anderen ihre Plätze in den Opernlogen einnahmen, Champagner schlürften und sich nach allen Seiten umsahen, ob sie auch ja bemerkt wurden.

Zu sehen gab es wirklich allerhand. Erstmal eine Menge heimischer Prominenz aus Kultur und Politik, darunter Moderatorinnen und Schauspielerinnen, die, sobald sie ihren Vierziger hinter sich gebracht hatten, jeden Tag jünger wurden. Des Weiteren fesche Herren wie Manager oder Fußballmoderatoren, die mit einem Dreitagebart „ganz schön fetzig“ rüberkamen und immer wieder zufällig ins Bild stolperten. Ganz zu schweigen von alten, solariumbehandelten Greisen, die einmal zu oft Pretty Woman gesehen hatten. Sie saßen mit einer sechzig Jahre jüngeren Blondine in der Loge und hofften, dass diese auch noch an ihrer Seite sein würde, wenn der Opernball vorbei wäre. Einer davon war ein stadtbekannter Baumeister, wie man in Österreich einen Maurer mit Diplom bezeichnete. Er lud regelmäßig für großes Geld eine abgetakelte Hollywoodaktrice ein, um ihr bei einem vertraglich zugesicherten Tanz Komplimente ins Gesicht zu lallen.

Damit das Volk vor dem Fernseher möglichst viel von diesem Spektakel hatte, schickte man Journalisten mit Kameras aufs Parkett, die Interviews von lokalen Starlets oder Filmproduzenten einholten. Während am Parkett unterernährte Balletttänzerinnen „majestätisch der Gravitation trotzten“, erfuhr der einfache Mann, dass das Kleid seiner Lieblingskommissarin aus dem Tatort sein Jahresgehalt überstieg oder sein Lieblingsfußballer schwul war.

Zum Schluss wurde der Opernball mit einer Kamerafahrt durch die müden Gesichter der Reichen und Schönen abgerundet, von denen manche inzwischen derart angegriffen aussahen, als bräuchten sie dringend ärztliche Betreuung. Gegen 3 Uhr in der Nacht wurden die Kameras schließlich abgeschaltet, die Champagner in einem Zug ausgetrunken und beide Tortenhälften gingen gemeinsam, wenn auch nicht zusammen, ins Bett.

Radek, knapp 3: Wie pinkelt man neben Plácido Domingo?

Radek, knapp 1: Wie man einer Kuh Whiskey gibt – meine Begegnung mit Leonard Bernstein klassik-begeistert.de

Radek Knapp, 25. Februar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Der österreichische Bestsellerautor Radek Knapp, geboren am 3. August 1964 in Warschau, zwangsübersiedelt mit 12 nach Wien (von seinen Großeltern zur Mutter), wo er sich mit Gelegenheitsjobs und einem Philosophiestudium über Wasser hielt.  Sein Debut „Franio“ erhielt den aspekte-Literaturpreis, der „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki bescheinigte dem Werk „Witz, Pfiff und Humor“, was dazu führte, dass dieser Satz jetzt auf jedem seiner Bücher steht – auch auf dem Roman „Herrn Kukas Empfehlungen“, den man inzwischen sogar in deutschen Schulen vorsetzt. Humorvoll durchaus auch die „Gebrauchsanweisung für Polen“, und „Der Mann, der Luft zum Frühstück aß“. Bekannt wurden auch seine Romane „Ente à l’orange und „Papiertiger. Radeks Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt, darunter Niederländisch, Kroatisch und Slowenisch. Im Jahr 2008 kam der Film „Herrn Kukas Empfehlungen nach seinem gleichnamigen Roman in die Kinos. Der Autor lebt zur Zeit in Wien. Aus schreibtischbedingtem Vitaminmangel verkauft er gelegentlich auf einem Wiener Markt Obst und Gemüse.

https://www.facebook.com/RadekKnapp

 

Ladas Klassikwelt 66: Wie ich die Walküre geworden bin

Das Leben hat meinem Auftritt eine weitere Pointe hinzugefügt. Jetzt lebe ich in Deutschland und versuche immer noch, Polen und Deutsche durch meine journalistische Arbeit zu versöhnen. Ich nehme gerne Themen aus dem Kulturbereich auf, die uns verbinden, nicht trennen. Auch hier nennen mich einige Freunde „die Walküre“.

Foto: Die Walküre – Oper Genf © GTG / Carole Parodi

von Jolanta Łada-Zielke 

Nein, ich habe diese Arie nicht im Original, sondern nur in einer satirischen Version aufgeführt. Es war kein „Hojotoho!“, sondern mein eigener Text, mit dem ich 2005 bei der Kabarettvorstellung „Reality Shopka Show“ im Puppen- und Maskentheater „Groteska“ in Krakau auftrat. „Shopka“ oder genauer gesagt „szopka“ bedeutet auf Polnisch wörtlich „die Krippe“ oder „Theater machen“ in der Umgangssprache. Es spielt auf die Tradition alter polnischer Kabaretts an, einschließlich des Krakauer „Zielony Balonik“ (der Grüne Balon), das noch vor dem Ersten Weltkrieg im berühmten Künstlercafé Jama Michalika betrieben wurde. Zur Jahreswende fand dort eine satirische Puppentheateraufführung statt, in der polnische Politiker, Journalisten und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Puppen vorgestellt wurden. In ihrem Namen sangen oder rezitierten die Schauspieler verschiedene Couplets, die die damaligen berühmten Dichter verfassten. Das Bühnenbild wurde einer Neujahrskrippe nachempfunden. „Ladas Klassikwelt 66: Wie ich die Walküre geworden bin
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Der Schlauberger 39: Die Sache mit den Pickeln – Hommage an die Narren

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Liebe Narren, Aschermittwoch ist vorbei, doch der Maskenball geht munter weiter. Obwohl ja schon der römische Philosoph Seneca gesagt hat: „Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen.“ Nicht mal im Kosmetikstudio. Ist eigentlich eine Gesichtscreme, die 20 Jahre jünger macht, lebensgefährlich, wenn man erst 19 ist? „Der Schlauberger 39: Die Sache mit den Pickeln – Hommage an die Narren“ weiterlesen

Lieses Klassikwelt 75: Christian Thielemann

© Matthias Creutziger

von Kirsten Liese

Meine letzte Klassikwelt verlangt etwas Besonderes, deshalb widme ich sie einem meiner Leuchttürme, Christian Thielemann. Das passt insofern auch sehr gut, als dass wir zusammen kurz vor Weihnachten eine Sendung in „Deutschlandfunk Kultur“ aufgenommen haben, in der wir uns über unterschiedliche Interpretationen von Strauss’ Arabella austauschten. Sie wird am kommenden Sonntag um 15:05 Uhr ausgestrahlt.

Die Konstellation für diese Aufzeichnung war auch eine besondere, da es der letzte Tag im „Lockdown light“ war, an dem ich mit einem externen Gast noch gemeinsam in ein Studio durfte. Es war bei alledem zwar nicht meine erste Gesprächssituation mit dem genialen Berliner Dirigenten, aber gewissermaßen die Krönung nach anderen vorangegangenen Interviews in früheren Jahren. Es war eine große Freude, wie wir uns die Bälle zuspielten, auch wenn zu manchem Aspekt noch Dinge zu sagen gewesen wären, die ich nur deshalb nicht mehr untergebracht habe, weil ich fürchtete, die Zeit könnte nicht ausreichen. „Lieses Klassikwelt 75, Christian Thielemann
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Sommereggers Klassikwelt 75: Die Loreley – Mythos, Dichtung, Oper

„Vielleicht ist es einfach der Fluch der Loreley, die den Komponisten Max Bruch bestrafen will und ihn weiterhin nur als Schöpfer des populären Violinkonzerts gelten lässt.“

von Peter Sommeregger

Selbst wer noch nie am Rhein war und den spektakulären Felsen bei Bacharach mit eigenen Augen gesehen hat, weiß von der sagenhaften Loreley. Im allgemeinen Bewusstsein wird der Stoff als uralte Sage wahrgenommen, bei näherer Betrachtung stellt sich dies aber als Irrtum heraus. „Sommereggers Klassikwelt 75: Die Loreley – Mythos, Dichtung, Oper“ weiterlesen

Der Schlauberger 38: Das Gegenteil von Wetter ist? Katastrophe in den Medien

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Hui, was für ein Chaos. Ach, was sage ich: eine Katastrophe! Meterdicker Schnee, meterdickes Eis, meterweise Wetterwarnungen. Sprachlich kratzen unsere Experten aus den letzten meteorologischen Ecken raus, was sich annähernd als Weltuntergang verkaufen lässt. „Der Schlauberger 38: Das Gegenteil von Wetter ist? Katastrophe in den Medien“ weiterlesen

Lieses Klassikwelt 74: Im falschen Film

Sollte die Zukunft nur noch der Streamingkultur gehören, wäre das zweifellos sehr traurig.

Foto: © Matthias Creutziger – Christian Thielemann

von Kirsten Liese

Wenn ein Film schlecht ist, verlasse ich das Kino vorzeitig, und zwar unabhängig davon, ob der Regisseur berühmt ist oder nicht. Meistens habe ich einen guten Instinkt dafür. So gut wie nie kam es vor, dass mir Kollegen nach einer Pressevorführung berichteten, der Film sei noch besser geworden, ich hätte etwas versäumt. Im Gegenteil. Fast immer haben die übrigen Zuschauer auch irgendwann das Kino verlassen, nur eben später, weil sie noch die Hoffnung hatten, dass der Film noch was wird. Viele bereuten es später, ihre kostbare Zeit vergeudet zu haben, andere, die pflichtbewusst noch ausharrten, beneideten mich, mir diese Freiheit einfach genommen zu haben. Dabei ist es ganz einfach: Aufstehen und gehen. „Lieses Klassikwelt 74: Im falschen Film“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 74: Alban Berg – musikalischer Traditionalist und Neuerer

Am 9. Februar 1885 wurde Alban Berg in Wien geboren. Auch außerhalb von Jahren mit runden Geburts-oder Sterbetagen verdient dieser Komponist eine Würdigung, seine Kompositionen sind jedenfalls längst im Kernrepertoire internationaler Orchester und Opernhäuser angekommen.

von Peter Sommeregger

Der musikalisch und literarisch interessierte Schüler erhielt zusammen mit seiner Schwester Smaragda Klavierunterricht und begann bereits mit 16 Jahren Lieder zu komponieren. Mit 19 Jahren begann er bei dem bereits berühmten Arnold Schönberg Komposition zu studieren. Schönberg war vom Talent Alban Bergs so überzeugt, dass er seinen Unterricht ohne Bezahlung fortsetzte, als Berg nicht über die nötigen Mittel verfügte. „Sommereggers Klassikwelt 74: Alban Berg – musikalischer Traditionalist und Neuerer“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt (28): Das Schaufenster als 2D-Bühne

Bühnen- und Schaufenstergestaltung haben einiges, was sie verbindet. Auch hier im zweiten Teil der Folge ist Kreativität gefragt.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Apotheken liegen häufig an Straßenecken. Die St. Anna Apotheke hat eine geräumige Auslage zur Nussdorfer Straße hin, die zweite zur Währinger Straße. Es gab Kunden, die wussten nur, was in einer von ihnen ausgestellt war. Anscheinend ein Überbleibsel aus der Zeit der ehemaligen Vorstädte, auf der einen Seite die Bewohner vom Thurygrund, auf der anderen die von Michelbeuern. Die Währinger Straße aufwärts hat die Apotheke noch sieben Fenster. Diese besitzen aber keine Tiefe und es können daher nur Tafeln hineingestellt werden. Die intern zuerst „Die sieben Fenster“ genannt, von Tucan Grafic später als 2D-Fenster bezeichnet wurden. Damit das Präsentierte besser auffällt, haben wir uns entschlossen, sie jedes Mal unter ein einziges Thema mit Variationen zu stellen. „Schweitzers Klassikwelt (28): Das Schaufenster als 2D-Bühne“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 65: Eine musikalische Amerikareise – das Album „From the New World“ von Hansjörg Albrecht

von Jolanta Łada-Zielke

Auf dem CD-Cover sieht man eine Abbildung der Freiheitsstatue. Die Fackel in ihrer Hand brennt mit rotem Licht; vielleicht zur Ehre der Orgel – der Königin aller Instrumente? Man kann jedes Orchesterwerk für sie transkribieren, jedes Stück aus ihr zaubern. Und wir müssen keine Reise nach Amerika unternehmen; es reicht, sich das Innere der Sankt- Michaelis-Kirche in Hamburg vorzustellen, wo Hansjörg Albrecht sein neuestes Album „From the New World“ während des letzten Corona-Pandemie-Jahres aufgenommen hat. Seine Aufführungen der Orgeltranskriptionen orchestraler Musik – zum Beispiel der Ouvertüren von Richard Wagners Opern – sind bereits bekannt und hoch geschätzt. Erwähnenswert ist auch die symbolische Bedeutung der Stadt Hamburg, die man für „das Tor zur Neuen Welt“ hält. „Ladas Klassikwelt 65: Eine musikalische Amerikareise – das Album „From the New World“ von Hansjörg Albrecht“ weiterlesen