Salzburg im Opiumrausch

Daniil Trifonov Piano SF © Marco Borrelli

Yannick Nézet-Séguin, Daniil Trifonov und die Wiener Philharmoniker brillieren.

Ludwig van Beethoven (1770-1827) – Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur, op. 15

Hector Berlioz (1803-1869) – Symphonie fantastique op. 14

Daniil Trifonov, Klavier
Wiener Philharmoniker
Yannick Nézet-Séguin, Dirigent

Salzburg, Großes Festspielhaus, 29. August 2024

 von Brian Cooper, Bonn

Es kommt nicht oft vor, dass der Schreiber dieser Zeilen sprachlos ist. Was war das bitte für ein Abend? Und was kann, was soll, man darüber schreiben? Der Notizblock blieb zu, der Mund dafür sperrangelweit offen. Es war ein Gipfeltreffen, das turmhoch übertroffen hat, was es im Vorfeld allein durch die Namen der Interpreten und des Orchesters versprochen hatte.

Daniil Trifonov, der schon am Vorabend ein herausragendes zweieinhalbstündiges Rezital gespielt hatte, betrat auch am Folgetag die Bühne des Großen Festspielhauses, diesmal als Solist in Beethovens erstem Klavierkonzert, das ich nur einmal in solcher Vollendung gehört habe. Und das war mit Martha Argerich und Claudio Abbado in Paris. „Daniil Trifonov, Klavier, Wiener Philharmoniker, Yannick Nézet-Séguin, Dirigent
Salzburg, Großes Festspielhaus, 29. August 2024“
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„Der Dichter spricht“

Daniil Trifonov Piano SF © Marco Borrelli

Daniil Trifonov gibt einen großen Solo-Abend bei den Salzburger Festspielen

Jean-Philippe Rameau (1683-1764) – Suite a-Moll aus Nouvelles Suites de pieces de clavecin

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) – Sonate für Klavier F-Dur KV 332

Felix Mendelssohn (1809-1847) – Variations sérieuses d-Moll op. 54

Ludwig van Beethoven (1770-1827) – Sonate für Klavier Nr. 29 op. 106, „Hammerklavier-Sonate“

Daniil Trifonov, Klavier

Salzburg, Großes Festspielhaus, 28. August 2024

von Brian Cooper, Bonn

„Das ist einer, dem man noch oft nachreisen wird“, prophezeite mein verstorbener Konzertfreund Uli zu Beginn der Karriere des Daniil Trifonov, von dem man schon früh ahnte, dass es sich unter den vielen Ausnahmetalenten unserer Tage um eines der ganz großen handelt.

Damals schon, mit etwa 20, war alles da. Nur brauchten manche Menschen etwas länger, um zu lernen, dass der Mann nicht „Daniel“ heißt. Ein reiner Liszt-Abend in Mülheim an der Ruhr bleibt ob der stupenden Technik als faszinierend in besonderer Erinnerung, wenngleich es ob des Programms herausfordernd war. „Solistenkonzert: Daniil Trifonov, Klavier
Salzburg, Großes Festspielhaus, 28. August 2024 “
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Pathys Stehplatz (52): Salzburger Festspiele – elitär mit Currentzis!

T. Currentzis © Alexandra Muravyeva

Salzburger Festspiele – ist nur was für „G’stopfte“. „Mein Onkel hasst sie“, kommt mir zu Ohren. Der war mal eine große Nummer in der österreichischen Kulturlandschaft. Namen gibt es keinen, Privatsphäre, versteht sich eh von selbst. Der Ruf der Festspiele ist also klar: elitär, versnobt, nur was für die „Großkopferten“. Darf einen nicht wundern, wenn man so auf die Kartenpreise blickt. Salzburg kann aber auch anders.

von Jürgen Pathy

Bis zu 465 Euro pro Karte, das kann einen schon mal aus den Socken hauen. Nur ein Vergleich dazu: An der Wiener Staatsoper kosten gleichwertige Karten rund die Hälfte. Dass es auch günstiger geht, darf man aber nicht verheimlichen. In Salzburg gibt es sogar Stehplätze. Um läppische 10 €, das muss man sich Mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Qualität – hervorragend! Zumindest im Haus für Mozart. Selbst getestet, letzte Woche erst. Bei „Titus“, Gianluca Capuano am Pult, Cecilia Bartoli auf der Bühne. Ein Erlebnis. „Pathys Stehplatz (52) – Salzburger Festspiele: elitär, aber mit Currentzis!“ weiterlesen

Starke Stimmen. Starkes Orchester. Starke Klangsprache. Die Geschichte? Schwamm drüber

Der Spieler 2024 © SF Ruth Walz

Die Sängerriege Sean Panikkar, Asmik Grigorian, Peixin Chen und Violeta Urmana überzeugt vollumfänglich. Orchestermusikalisch ist Der Spieler von Prokofjew eine reizvolle klangfarbenreiche Entdeckung für mich. Und doch kein großer Abend, denn das Libretto ist so ein Stückwerk, dass meine Aufmerksamkeit taumelt, ich mich nicht voll auf Stimmen und Musik einlassen kann.

Der Spieler
Komposition von Sergej Prokofjew

Libretto von Sergej Prokofjew nach dem Roman von Fjodor Dostojewski

Musikalische Leitung Timur Zangiev
Regie Peter Sellars

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Felsenreitschule, Salzburg, 17. August 2024

von Frank Heublein

In der Felsenreitschule in Salzburg wird an diesem Abend Der Spieler von Sergej Prokofjew aufgeführt. Die zwischen 1915 und 1928 entstandene Oper wurde 1929 uraufgeführt.

Angelpunkt, meistens auf der Bühne, meistens emotional aufgewühlt singend, ist Alexej Iwanowitsch. Tenor Sean Panikkar meistert diese extreme Rolle des Hauslehrers des Generals beeindruckend. Niemals presst er. Klar, kraftvoll, dynamisch singt er die Rolle mit Bravour. Das verzweifelt Spielsüchtige darf er sich zu meinem Bedauern nicht ersingen. Das Libretto lässt seine Spielsucht in der Rouletteszene den Chor der anderen Gäste im Casino erzählen. Einer der vielen Punkte, die librettistisch aus meiner Sicht besser organisiert hätte sein können. „Sergej Prokofjew, Der Spieler
Felsenreitschule, Salzburg, 17. August 2024“
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Bei Riccardo Muti wird Bruckners Achte in ihrer Spiritualität zur Offenbarung

SF 2024, WPH Riccardo Muti © Marco Borrelli

Dass nach Celibidache noch einmal jemand kommen würde, der dem klanglichen Spektrum im weit gefächerten Panorama vergleichbar Raum geben würde, stand nicht unbedingt zu erwarten. 

Aber jetzt hat sich mit Riccardo Muti doch noch einmal ein großer Maestro als ein solch genialer Dirigent von Bruckners Achter empfohlen. Erstmals dirigierte er sie am Pult der Wiener Philharmoniker.

 

Anton Bruckner: Symphonie Nr.8  WAB 108

Wiener Philharmoniker
Musikalische Leitung: Riccardo Muti

Salzburg, Großes Festspielhaus, 17. August 2024


von Kirsten Liese

Die Sitzplätze reichen von vorne bis hinten nicht aus, wenn Riccardo Muti traditionell Mitte August bei den Salzburger Festspielen die Wiener Philharmoniker dirigiert, auf beiden Seiten der Bühne wurden noch Stuhlreihen angebaut.

Nach nunmehr 54 Jahren glanzvoller Zusammenarbeit mit diesem Spitzenorchester ist Muti der einzige, selbst unter legendären Altmeistern, bei denen das Große Festspielhaus ausverkauft ist. Seine Konzerte markieren stets den Höhepunkt der Festspiele. Noch doppelt so viele Male hätten sie die Konzerte unter ihm verkaufen können, davon können die meisten übrigen Dirigenten, für deren Konzerte am Tag selbst noch Karten erhältlich waren, nur träumen. „Anton Bruckner: Symphonie Nr.8  WAB 108, Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti
Salzburg, Großes Festspielhaus, 17. August 2024“
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Ein Dichter erzählt seine Liebegeschichten und die Regie erklärt die halbe Welt: Mariame Cléments geniale Hoffmann-Inszenierung begeistert in Salzburg

SF Hoffmanns Erzählungen © Monika Rittershaus

Mit dieser genialen, die halbe Welt erklärenden Hoffmann-Inszenierung gelingt in Salzburg ein regelrechter Paukenschlag in Sachen Regiekunst. Auch musikalisch war es ein Abend der absoluten Extraklasse, vor allem Kathryn Leweks souveräne Darbietung der vier Sopran-Partien wurde zum regelrechen Showstopper! 

PREMIERE

Les Contes d’Hoffmann
Musik von Jacques Offenbach
Libretto von Jules Barbier und Michel Carré

Großes Festspielhaus, Salzburg, 13. August 2024 PREMIERE

von Johannes Karl Fischer

Hoffmann schläft auf seinem Einkaufswagen… offenbar ist der Dichter in dieser Inszenierung mittellos und ohne festes Obdach. Doch halt, was ist das? Der gleiche Poet im zweiten Akt nun inmitten eines opulent geschmückten Hauses samt Flügel im Wohnzimmer? Alles Teil einer fantastischen, die ganze Welt erzählenden Opern-Inszenierung.

Mit dieser genialen Hoffmann-Regie in Salzburg bringt Mariame Clément in einzigartiger Weise quasi alle gesellschaftlichen Schichten und Situationen in einem Atemzug auf die Bühne. Simultanszenen – links werden Hoffmanns Liebesgeschichten verfilmt, rechts schaut das Bierkneipenpublikum auf einem Bildschirm zu – fügen sich mühelos zu einem einzelnen regietechnischen Gesamtkunstwerk zusammen, dass man aus einer Oper gleich die ganze Welt versteht. Diese Regie entdeckt völlig neue Seiten dieses eigentlich eher leichtherzigen Bühnenwerks! „Offenbach, Les Contes d’Hoffmann
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, Salzburg, 13. August 2024 Premiere“
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Ein Komplott in Weiß: Teodor Currentzis zieht in Salzburg kammermusikalische Fäden

Salzburger Festspiele 2024/ Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni © Monika Rittershaus

Man of the night. Bei Teodor Currentzis zählt jede Phrase, jede Note. Das spürt man die ganzen drei Stunden lang. Regisseur Romeo Castellucci hat ihm auch einen „Don Giovanni“ ausgebreitet, der einem ästhetischen Gesamtkunstwerk gleicht. Himmel oder Hölle, die Macht übers ganze Universum – nichts Geringeres verhandelt man in Salzburg. Buh gibt’s dafür auch, eine Seltenheit bei Currentzis.

Wolfgang Amadeus Mozart,  Don Giovanni

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 11. August 2024

von Jürgen Pathy

„Mit jeder Faser seines Körpers…“ – viel mehr ist von den Wortfetzen nicht mehr zu vernehmen. Dass man von Teodor Currentzis spricht, liegt aber auf der Hand. Rund 2200 Festspielgäste haben sich dasselbe gedacht: Heute „gemma“ Currentzis schauen! Ausverkauft – hätte man ruhig ein Schild vors Große Festspielhaus in Salzburg hängen können. Drinnen geht’s rund. Da fällt fast der Himmel von der Decke. „Wolfgang Amadeus Mozart: „Don Giovanni“
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 11. August 2024“
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„Titus" in Salzburg: Ein Gewaltakt des Feminismus

Foto: © Marco Borrelli

Der Videobeweis lügt nicht. Sesto ist der Attentäter. Bei Robert Carsens Inszenierung von „La clemenza di Tito“ ist Widerstand auch sinnlos. Alexandra Marcellier verführt nicht nur mit ihren Koloraturen, auch das Outfit spiegelt ihre Dominanz wider. Da kann selbst Cecilia Bartoli nicht widerstehen. Nur das Ende gibt Rätsel auf: Titus, der Milde, segnet in Salzburg das Zeitliche – entgegen des Librettos.

Wolfgang Amadeus Mozart, „La clemenza di Tito“

Großes Festspielhaus, Salzburg, 10. August 2024

von Jürgen Pathy

„Ist alles gut ausgegangen?“ – Nein, Robert Carsen pfeift auf ein klassisches Ende, wie es im Libretto angedacht wäre. Gespräche im beliebten Café Bazar, Salzburger Innenstadt, kurz nach dem Ende der Vorstellung im Großen Festspielhaus. Titus, der Milde, fällt dort letztendlich doch einem Attentat zum Oper. Entgegen der ursprünglichen Intention von Mozart und dessen Librettisten Caterino Mazzolà. Die Strippenzieherin der Intrige: Vitellia, die Tochter des gestürzten Herrschers, die sich nun mit Gewalt auf den Thron hievt.

„Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito
Großes Festspielhaus, Salzburg, 10. August 2024“
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Ein großer Wurf: Weinbergs Musik reißt mich mit und bewegt mich tief

Der Idiot, Salzburger Festspiele 2024 © Bernd Uhlig

Ausnahmslos exzellente sängerische Leistungen, angeführt von Bogdan Volkov als Myschkin und Aušrinė Stundytė als Nastassja. Grandios unterstützt von alerten Wiener Philharmonikern unter der souveränen Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla. Intelligent und lebendig in Szene gesetzt von Krzysztof Warlikowski.

Der Idiot

Komposition von Mieczysław Weinberg
Libretto von Alexander Medwedew nach dem Roman von Fjodor Dostojewski

Musikalische Leitung Mirga Gražinytė-Tyla

Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Regie Krzysztof Warlikowski

Felsenreitschule, Salzburg, 2. August 2024

von Frank Heublein

In der Felsenreitschule in Salzburg wird an diesem Abend die Premiere von Mieczysław Weinbergs Der Idiot gegeben. Die in 1986/87 entstandene Oper wurde 2013 uraufgeführt.

Der Idiot, Salzburger Festspiele 2024 © Bernd Uhlig

Was für eine Leistung! Tenor Bogdan Volkov gibt den Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin, den Titel gebenden Menschenversteher, den Idioten. Denn er will den Gefühlen der Anderen gerecht werden, die schweren trüben mildern, wie den überbordenden Schmerz Nastassjas. „Mieczysław Weinberg, Der Idiot
Felsenreitschule, Salzburg, 02. August 2024“
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Elsa Dreisig und Christian Thielemann zaubern ein Capriccio voller Noblesse

Elsa Dreisig (Gräfin Madeleine), Mika Kares (La Roche, Theaterdirektor), Salzburger Festspiele © Marco Borrelli

Den größten Jubel erntete verdient Elsa Dreisig als Gräfin, eine neue geniale Silberfürstin mit kristalliner Kopfstimme wie einst eine Gundula Janowitz. Am Pult machte Christian Thielemann seinem Ruf als genialer Strauss-Dirigent alle Ehre: Die leise, filigrane Musik ist bei ihm bestens aufgehoben.

Richard Strauss: Capriccio
Ein Konversationsstück für  Musik. Op.85

Elsa Dreisig  Die Gräfin
Christoph Pohl  Der Graf, ihr Bruder
Sebastian Kohlhepp  Flamand, ein Musiker
Konstantin Krimmel  Olivier, ein Dichter
Mika Kares  La Roche, der Theaterdirektor
Ève-Maud Hubeaux  Clairon, die Schauspielerin
Jörg Schneider Monsieur Taupe
Tuuli Takala  Eine italienische Sängerin
Josh Lovell  Ein italienischer Tenor
Torben Jürgens  Der Haushofmeister

Daniel Froschauer          Violine
Raphael Flieder             Violoncello
Jobst Schneiderat           Cembalo

Wiener Philharmoniker
Leitung: Christian Thielemann

Salzburg, Großes Festspielhaus, 31. Juli 2024


von Kirsten Liese

An der Gründung der Salzburger Festspiele im August 1920 war Richard Strauss beteiligt. Entsprechend steht sein Oeuvre in der Mozartstadt in Tradition, allen voran sein Rosenkavalier.

Vergleichsweise selten allerdings hat der geniale Strauss-Dirigent Christian Thielemann eine Oper des Spätromantikers in Salzburg dirigiert – bedingt durch seine parallelen Einsätze in Bayreuth. „Richard Strauss, Capriccio, Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann
Salzburg, Großes Festspielhaus, 31. Juli 2024“
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