Catherine Foster (Brünnhilde), Michael Kupfer-Radecky (Gunther), Chor der Bayreuther © Enrico Nawrath
Analog zum Beginn des Rheingolds sieht man wieder ein Zwillingspärchen im Mutterleib. Diesmal zart lächelnd und sich umarmend. Ein tröstlicher Blick in die Zukunft. Wir sind es, die mit unseren Kindern die Zukunft gestalten. Diese Möglichkeit sollten wir nutzen. Wie es nicht sein sollte und was passiert, wenn wir Kinder für unseren Willen und unser Streben instrumentalisieren, zeigt Valentin Schwarz mit seiner insgesamt packenden Inszenierung sehr deutlich.
Lautstarker Jubel für die Sängerinnen, Sänger und die Dirigentin. Das von Bravorufen durchbrochene Buhkonzert wirkt, bei so einer stringent durchgearbeiteten und durchdachten Inszenierung, befremdlich. Dieser Ring läuft seit drei Jahren, da kann man sich vorher informieren, ob man das sehen möchte oder nicht. Keiner wird gezwungen, sich Karten für Bayreuth zu besorgen.
Der Ring des Nibelungen
Dritter Tag: Götterdämmerung
Musikalische Leitung: Simone Young
Regie: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüm: Andy Besuch
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Lichtwiederaufnahme: Nicol Hungsberg nach Reinhard Traub
Video: Luis August Krawen
Orchester der Bayreuther Festspiele
Bayreuther Festspiele, 2. August 2024
von Axel Wuttke
Mit Abschluss der Götterdämmerung bestätigt es sich, Simone Young ist eine meisterhafte, mitreißende Interpretation des Rings gelungen. Das Festspielorchester spielt auch hier auf höchstem Niveau. Mitreißender und berührender kann man sich die Musik kaum vorstellen.
Mit dem Götterdämmerungs-Siegfried knüpft Klaus Florian Vogts an seine faszinierende Interpretation des vorausgegangen Siegfried an. Mit nicht nachlassender Kondition gestaltet er seine Rolle mit abgedunkelter, heldischer Stimme um sie dann in der Sterbeszene ganz verinnerlicht zurückzunehmen.
Catherine Foster durchlebt die Tragödie der Brünnhilde schauspielerisch und gesanglich mit nie nachlassender Intensität. Mit kluger Rolleneinteilung brilliert sie bis zum letzten Ton. Auch sie kennt keine Ermüdungserscheinungen. Bis zum Schluss beindruckt sie mit nie nachlassender stimmlicher Qualität bis hin zu den leuchtenden Spitzentönen.
Mit größter Intensität gestaltet Christa Mayer die Waltrauten-Szene.
Sie lässt ihre Stimme wunderbar strömen und macht mit klug durchdachter Textgestaltung ihre Erzählung zum Ereignis.
Die Brutalität und Rücksichtslosigkeit von Hagen kostet Mika Kares voll aus. Wunderbar spielt und singt er, mit bedrohlicher Stimme, seine Partie. Die Szene mit den Mannen gelingt so besonders bedrohlich. Im Verein mit dem von Eberhardt Friedrich einstudierten, wie immer stimmgewaltig und klangschönen Chor, trumpft Mika Kares hier mächtig auf.
Mit viel Spaß an der Gestaltung, packender stimmlicher Gestaltung und unverkennbarem Timbre verkörpert Michael Kupfer-Radecky den Gunther. Im zur Seite überzeugt Gabriela Scherer als etwas aus der Bahn geworfene Gutrune.
Ólafur Sigurdarson singt und spielt einen gealterten, verschlagenen Alberich.
Der letzte Teil des Rings von Valentin Schwarz erzählt uns den Niedergang des Wotan-Clans auf erschütternde Weise. Die Ehe von Brünnhilde und Siegfried ist gescheitert, das gemeinsame Kind ein Spielball ihrer Gefühle. Dieses Kind ist das jüngste Mitglied des Clans, also Erbe und Zukunft. In der Lesart von Valentin Schwarz ab jetzt der von allen begehrte Ring.
Hagen, „unbeweibt“ und kinderlos, hat als begehrter „Ring“ in dem Moment ausgedient, als Siegfried ihn am Ende des dritten Tages achtlos stehen lässt. Er jagt diesem Kind genauso hinterher wie Alberich.
In der Götterdämmerung überzeugt wieder die ganz aus der Musik entwickelte Personenführung und die schonungslose Offenlegung der Charaktere der handelnden Figuren.
Scheitern müssen sie alle. Was bleibt ist Tod und Vernichtung. Das Kind läuft weg. Am Ende erscheint die vormalige Begleiterin Erdas, jetzt hoch schwanger. Analog zum Beginn des Rheingolds sieht man wieder ein Zwillingspärchen im Mutterleib. Diesmal zart lächelnd und sich umarmend. Ein tröstlicher Blick in die Zukunft. Wir sind es, die mit unseren Kindern die Zukunft gestalten. Diese Möglichkeit sollte man nutzen. Wie es nicht sein sollte und was passiert, wenn wir Kinder für unseren Willen und unsere Streben instrumentalisieren, zeigt Valentin Schwarz mit seiner packenden Inszenierung sehr deutlich.
Lautstarker Jubel für die Sängerinnen, Sänger und die Dirigentin. Das von Bravorufen durchbrochene Buhkonzert wirkt, bei so einer stringent durchgearbeiteten und durchdachten Inszenierung, befremdlich. Dieser Ring läuft seit drei Jahren, da kann man sich vorher informieren, ob man das sehen möchte oder nicht. Keiner wird gezwungen, sich Karten für Bayreuth zu besorgen.
Besonders erschreckend dann die Buhrufe beim letzten Vorhang, wo alle Beteiligten, incl. des Regisseurs, auf der Bühne waren. Hier wurden dann, ungewollt oder nicht, auch die Sängerinnen und Sänger mit ausgebuht. Peinlich!
Apropos peinlich, hier sei noch eine allgemeine Anmerkung zum Publikumsverhalten gemacht. Die ständig runterfallenden Gegenstände (Handys?) stören ungemein. Das Gleiche gilt für das Klingeln von nicht ausgeschalteten Handys. Direkt vor Siegfrieds Tod, klingelte dreimal ein Handy, bis der- oder diejenige es dann endlich ausgemacht hat. Muss man wirklich schon dankbar sein, dass die Leute wenigstens nicht während der Aufführung telefonieren? In Schulen müssen die Kinder ihr Handy vor dem Unterricht abgeben. Dies sollte, in Anbetracht der diesjährigen Erfahrungen bei den Bayreuther Festspielen, auch im Theater als Maßnahme durchdacht werden.
Axel Wuttke, 3. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Pathys Stehplatz (51): Die Unart des Bayreuther Publikums klassik-begeistert.de, 27. Juli 2024
Richard Wagner Die Götterdämmerung Bayreuter Festspiele, 2. August 2024
Richard Wagner, 2. Tag der Erzählung: Siegfried Bayreuther Festspiele, 31. Juli 2024
Richard Wagner, Das Rheingold Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2024