Alter und Schönheit: Bernard Haitink dirigiert Beethoven und Bruckner

DVD-Rezension: Bernard Haitink, Emanuel Ax, Wiener Philharmoniker  Salzburger Festspiele 2019

DVD-Rezension: Bernard Haitinks Abschiedskonzert mit den Wiener Philharmonikern, Salzburger Festspiele 2019
Unitel 802208

Emanuel Ax, Klavier

Wiener Philharmoniker
Leitung: Bernard Haitink

Beethoven, Klavierkonzert Nr. 4
Bruckner, Symphonie Nr.7

von Peter Sommeregger

Dieses Konzert, ein Live-Mitschnitt von den Salzburger Festspielen 2019 hält einen historischen Moment fest, nämlich den Abschied des großen Dirigenten Bernard Haitink von den Wiener Philharmonikern. Haitink hat dafür neben dem 4. Klavierkonzert Beethovens die 7. Symphonie Anton Bruckners gewählt. Dieser Komponist lag Haitink sehr am Herzen, besonders seine elegische Siebente, die so recht als Krönung und Abschluss einer langen Dirigentenlaufbahn passt. Haitink zieht sich mit 90 Jahren endgültig vom Dirigentenpult zurück.

Zu Beginn erklingt Beethovens 4. Klavierkonzert in G-Dur, als Solist ist der amerikanische Pianist mit polnisch-jüdischen Wurzeln Emanuel Ax zu hören. Der Künstler hat inzwischen auch ein gesetzteres Alter erreicht, so gerät das Konzert zu einer wunderbaren Demonstration künstlerischer Altersweisheit. Dirigent und Pianist müssen sich nichts mehr beweisen, sie kennen und lieben ihren Beethoven, das Resultat ist eine Interpretation die bei allem Tiefgang auch noch Spielfreude und Schwung beinhaltet. Die Musik fließt ohne Hast, Emanuel Ax brilliert mit stupender Technik und Stilgefühl.

Als Hauptwerk steht Bruckners 7. Symphonie in E-Dur auf dem Programm. Dieses ausladende Werk ist ganz Haitinks Domäne, man kann beobachten, wie der Dirigent diese Musik ganz intensiv lebt und zelebriert. Das Gesicht des 90-jährigen Mannes leuchtet förmlich vor Freude an dieser Musik und dem beseelten Spiel der Wiener Philharmoniker. Den ersten Satz nimmt Haitink ungemein sanft und zart in Angriff, erst langsam erfolgt der Spannungsaufbau zum etwas robusteren Finale des Satzes. Das Adagio, angeblich unter dem Eindruck der Nachricht von Richard Wagners Tod komponiert, lässt Haitink in großen, elegischen Bögen ausschwingen, er lässt sich viel Zeit dafür, ohne jemals den Spannungsbogen reißen zu lassen.

Foto: © SF/Neumayr/Leo

Das Scherzo nimmt er etwas kantiger, schneller, als guten Kontrast zu den vorangegangenen lyrischen Sätzen. Den Finalsatz gestaltet er anfangs filigran und transparent, ehe er ihn sehr streng und dynamisch zum Ende führt. Eine altersweise, gerade in ihrer unspektakulären Art tief berührende Realisierung dieser gewaltigen Partitur.

Am Ende nicht enden wollender Beifall im Salzburger Großen Festspielhaus. Man kann sehen, dass der Dirigent bei seinen Hervorrufen auf den stützenden Arm eines jungen Mannes angewiesen ist. Beim letzten Verbeugen erscheint er am Arm seiner deutlich jüngeren Ehefrau. Es ist wohl die Last seiner 90 Jahre, die ihn Abschied nehmen lässt, solange er dies noch in Würde tun kann. Der Musikwelt geht mit Bernard Haitink aber viel verloren, speziell als Bruckner-Dirigent hat er Maßstäbe gesetzt.

Peter Sommeregger, 2.Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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