Grafenegg Wolkenturm. Foto: © Klaus Vyhnalek
Eröffnungskonzert Grafenegg-Festival 2021
Wolkenturm, 13. August 2021
Krassimira Stoyanova, Sopran
Clémentine Margaine, Mezzosopran
Piotr Beczała, Tenor
René Pape, Bass
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Dirigent: Yutaka Sado
von Herbert Hiess
Wenn die Landessanitätsdirektion Niederösterreich ins Kulturgeschehen eingreift, bleibt kein Stein auf dem anderen. Ein Mitglied des Wiener Singvereins wurde trotz doppelter Corona-Schutzimpfung positiv auf das Virus getestet – demnach hätte der Chor mit Mund-Nasenschutz singen müssen. Also hat diese Landessanitätsdirektion nun die Mitwirkung des Chores untersagt.
Jetzt mussten also Intendant Rudolf Buchbinder und sein Team einen Spagat vollziehen, damit das hervorragende Solistenquartett trotzdem eingesetzt werden konnte. Somit gab es als „Weltpremiere“ eine fragmentarische Aufführung von Verdis opernhaftem Requiem.
Es begann mit dem „Dies irae“, wo die Chorstellen mühelos durch das Orchester ersetzt wurden. Hier konnten die Solisten brillieren; allen voran eine mit einem sonoren Mezzo ausgestattete Clémentine Margaine, die für die Zukunft aufhorchen ließ. Wenn sie noch mehr an einer Pianokultur arbeiten würde, wäre sie fast unheimlich perfekt. Krassimira Stoyanova sang natürlich äußerst routiniert, wenn auch manchmal etwas zu monochrom. Diese „Einfärbigkeit“ muss man auch Piotr Beczała vorhalten. Bei seinem traumhaften Tenor würde man sich doch öfters mehr Schattierungen wünschen. Sowohl im „Ingemisco“ als auch im „Hostias“ könnte man sich noch viel mehr vorstellen.
Hier war René Pape ein Musterbeispiel. Trotz seiner profunden und gewichtigen Bassstimme betörte er mit berückenden Pianissimoeinlagen und einer tatsächlichen Interpretation, während die anderen drei irgendwo an einer opernhaften Oberfläche hängen blieben.
Yutaka Sado ist eine äußerst wechselhafte Persönlichkeit; manches dirigiert er richtig traumhaft und bestechend, während er bei anderem so manche Schwierigkeit hatte. Fast hätte es einen veritablen Schmiss im „Salva me“ gegeben, den das Orchester superb auffing. Oder in den Unisono-Triolen der Celli im „Domine Jesu“ hörte man leider, dass sie eben nicht wirklich unisono klangen. Das hätte man ruhig bei den Proben klären können.
Das „Libera me“ gab es im Fragment, wobei bei der finalen a-capella-Sequenz („Requiem“) der Chor durch ein Streichoktett (zwei 1. Geigen, zwei 2. Geigen, zwei Bratschen und zwei Celli) beeindruckend ersetzt wurde; die ganze Aufführung endete mit dem im dreifachen piano erklingenden „Requiem“ auf dem B.
Davor gab es planmäßig die Uraufführung der „Fanfare for Grafenegg“ des Composers in Residence Toshio Hosokawa für Blechbläser und Schlagwerke. Ein hochinteressantes Werk, das zeitweise nach Bruckner klingt. Und hier bestens präsentiert von den Musikern des Tonkünstler Orchesters unter dem Landsmann des Komponisten Yutaka Sado.
Und außerplanmäßig gab es – zum Charakter des Abends passend – die Ouvertüre zu „La Forza del Destino“ (Die Macht des Schicksals); auch sehr beeindruckend gespielt.
Leider passend, denn da hat das Schicksal tatsächlich sehr den Abend beeinflusst, den die Musiker gemeinsam mit dem Intendanten Buchbinder zu einem guten Ende brachten.
Herbert Hiess, 14. August 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Toshio Hosowaka
„Fanfare for Grafenegg“ für Blechbläser und Schlagwerk
Giuseppe Verdi:
Ouvertüre zur Oper „Die Macht des Schicksals“
Messa da Requiem (Fragmente)