Tosca (Puccini) in der Hamburgischen Staatsoper, 29. September 2021
Foto: Han Kim (Sciarrone), Chao Deng (Angelotti), Andrzej Dobber (Scarpia), Hui He (Tosca), Pavel Černoch (Caravadossi), Martin Summer (Sagrestano), Peter Galliard (Spoletta) RW ©.
Was ich bisher noch nie erlebt habe, nach der berühmten Arie E lucevan le stelle rührte sich keine Hand zum Beifall. Insoweit war Černoch als Caravadossi ein Totalausfall, schade; sonst hätte es insgesamt doch eine gute Aufführung werden können.
Nicht verschwiegen werden soll, dass das recht junge Publikum alle drei Protagonisten am Ende bejubelte. Eines bleibt aber festzuhalten, bei einer gelungenen Tosca-Aufführung emotionieren die gesanglichen Leistungen auch ein unerfahrenes Publikum so, dass der Jubel regelhaft das Ende der Arien und Duette begleitet.
von Dr. Ralf Wegner
Anders als in vorherigen Spielzeiten ist es der Operndirektion für die Saison 2021/22 durchaus gelungen, vermehrt namhafte Sängerinnen und Sänger für das Haus an der Dammtorstraße zu engagieren. Den Anfang machten Benjamin Bernheim und Olga Peretyatko in Hoffmanns Erzählungen. Jetzt folgte Tosca mit der weltweit in großen Sopranpartien eingesetzten Hui He.
Sie erfüllte die hoch gespannten Erwartungen. Ihre farbenreiche, große Stimme trug weit in den Raum hinein, mitunter mit etwas zu viel Vibrato. Ihre Arie Vissi d’arte überzeugte durch fließendes Gleichmaß. Mit einem großartigen Andrzej Dobber als Scarpia machte sie den zweiten Akt zum Höhepunkt des Abends. Dobbers Stimme ging zwar am Ende des ersten Aktes mit Va’, Tosca in den Orchesterwogen (Leitung Alexander Joel) unter, das erlebt man aber auch bei zahlreichen anderen herausragenden Sängern dieser Rolle. Dafür zeigte Dobber im zweiten Akt, was singen heißt: Reiches Farbenspektrum, perfektes Legato, Kraft und Stimmschönheit in der Höhe und auch die für die Rolle des Scarpia notwendige Dämonie. Zudem ist Dobber ein guter Darsteller, an dem sich Hui He steigern konnte.
Leider gelang das überhaupt nicht mit ihrem Liebhaber Caravadossi. Pavel Černoch, gut aussehend, schlank und hochgewachsen, ließ jede emotionale Bindung an die Bühnenfigur Tosca vermissen. Beide wirkten im ersten Akt, als hätten sie sich gerade erst auf der Bühne kennengelernt. Stimmlich erfüllte er in keiner Beziehung die an eine hochkarätige Caravadossi-Besetzung zu stellenden Ansprüche. Mitunter, im ganz leisen Piano und bei den höheren Tönen mit Kopfstimme hörte man etwas wie Klang, bei dem der Dirigent äußerst rücksichtsvoll das Orchester herabdimmte. Aber bereits in der Eingangsarie Recondita armonia unterliefen ihm mehrfach Intonationsfehler. Zudem verengte sich die Stimme in der Höhe unschön und wurde vom Orchester oder seiner Partnerin (gnädig) zugedeckt. Was ich bisher noch nie erlebt habe, nach der berühmten Arie E lucevan le stelle rührte sich keine Hand zum Beifall. Insoweit war Černoch als Caravadossi ein Totalausfall, schade; sonst hätte es insgesamt doch eine gute Aufführung werden können.
Nicht verschwiegen werden soll, dass das recht junge Publikum alle drei Protagonisten am Ende bejubelte. Eins bleibt aber festzuhalten, bei einer gelungenen Tosca-Aufführung emotionieren die gesanglichen Leistungen auch ein unerfahrenes Publikum so, dass der Jubel regelhaft das Ende der Arien und Duette begleitet. Dieses war an diesem Abend nicht der Fall. Selbst Hui He erhielt nach ihrem Vissi d’arte nur höflichen, nicht lang anhaltenden Applaus. Hoffen wir, dass andere Aufführungen der Hamburgischen Staatsoper in dieser Saison nicht so divergent besetzt sind.
Dr. Ralf Wegner, 29. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jacques Offenbach, „Les Contes d’Hoffmann“ (Premiere), Staatsoper Hamburg, 4. September 2021