"La Traviata": Drei Weltklassestimmen lassen Regie-Unsinn in Wien vergessen

Giuseppe Verdi, La Traviata  Wiener Staatsoper, 9. Februar 2023

Kristina Mkhitaryan (Violetta Valéry) und Amartuvshin Enkhbat (Giorgio Germont). Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Opernliebhaber, die tolerant mit Inszenierungsunsinn sind, sollten sich unbedingt Karten für den 11. Februar 2023 besorgen.

Wiener Staatsoper, 9. Februar 2023
Giuseppe Verdi, La Traviata

von Andreas Schmidt 

Wer Lust auf eine richtig ! schlechte Inszenierung (Simon Stone) hat, ist bei „La Traviata“ in Wien bestens aufgehoben. Da sind schon richtig tolle Animationen zu sehen… und viele Menschen finden es ja auch schön, nach einem langen Büro- oder Home-Office-Tag Menschen mit Handys und Laptops auf der Bühne zu sehen. Und wer dann auf der Leinwand auch noch WhatsApp-Konversationen lesen möchte, die Goethe und Schiller blass aussehen lassen, der ist im Haus am Ring bestens aufgehoben.

Auch „Freund*innen“, die gerne mutmaßliche Män*ner mit hängenden Plastikbrüsten betrachten möchte, werden an diesem Abend sehr viel Spaß haben.

Das jüngere Publikum war eh kaum da an diesem Abend, und der wohl jüngste Mann an diesem Abend saß mit seinen ca. 22 Jahren direkt vor mir und verließ vorzeitig nach dem 2. Akt das weite Rund. Er hatte die Handynutzung auf der Bühne wohl falsch verstanden und war von Akt 1 – 2 ausgiebig mit seinem wenig smarten Phone beschäftigt. In der linken Proszeniumsloge über der Bühne wurde die ersten 20 Minuten kräftig gefilmt. Das www. wird dankbar sein.

Die Aufführung hat nicht einmal den beiden bodies and friends in der rechten Proszeniumsloge gefallen. Sie blieb in Akt 3 verweist.

Leiwand war auch das urschöne Fahrzeug, das ein paar Minuten auf der Bühne des bedeutendsten Opernhauses der Welt stand. Hunderte Besucher werden umgehend zu den eingängigen Händlern fahren und sich ein derartiges Vierrad kaufen.

Was bleibt ist Giuseppe Verdi, der an diesem Abend sicher auf die Wiener Staatsoper… hätte.

Giuseppe Verdi, der geniale Schöpfer des Jahrtausendwerkes „La Traviata“, ein Werk mit so vielen Farben, Nuancen, Feinheiten. Ein Werk, so zart, so fein, so fulminant und kräftig.

Ein Gottesgeschenk, das dem Handy-Brüste-Unsinn standhielt.

Dies dank dreier Weltklassesänger:

Kristina Mkhitaryan in der Rolle der Violetta Valéry in „La Traviata“ an der Wiener Staatsoper. Foto: Staatsoper/Michael Pöhn

Kristina Mkhitaryan, Sopranistin, die zu den weltbesten ihres Fachs gehört. Welch zarte, zärtlichst vibrierende Piani diese wunderbare Sängerin, kaum hörbar, in den Saal verströmt. Und dann diese Power und Sinnlichkeit, wenn Sie richtig Gas gibt. 1+ als Violetta Valéry.

Der Tenor Dmytro Popov gehört mittlerweile auch zu den Weltbesten seines Fachs. Der Ukrainer strahlte mit seiner Wohlfühlstimme an diesem Abend, alle Lagen sind die seinen, die höchsten Töne meistert er mühelos. 1 + als Alfredo Germont.

Amartuvshin Enkhbat (Giorgio Germont) und Dmytro Popov (Alfredo Germont) © Michael Pöhn

Amartuvshin Enkhbat aus der Mongolei ist ein warmtimbrierter, wunderbar männlicher Bassbariton als Giorgio Germont. Das macht ihm
auf diesem Planeten fast niemand nach. Sein Schauspiel leidet, pardon, ein wenig unter seiner Leibesfülle. 1 +.

Überraschung des Abends: Noa Beinart aus Tel Aviv in der Nebenrolle der Annina. Ihr wunderbarer Mezzo, erdig-warm und voll, ist bereit für größere Aufgaben.

Menschen, die tolerant mit Inszenierungsunsinn sind, sollten sich unbedingt Karten für den 11. Februar 2023 besorgen.

Andreas Schmidt, 9. Februar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

LA TRAVIATA, Musik von Giuseppe Verdi Wiener Staatsoper, 29. Oktober 2022

Giuseppe Verdi, La Traviata Semperoper Dresden, 2. Oktober 2022 PREMIERE

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3 Gedanken zu „Giuseppe Verdi, La Traviata
Wiener Staatsoper, 9. Februar 2023“

  1. War am 10. Oktober 2023 in der Wiener Staatsoper. Die Inszenierung von La Traviata eine Frechheit!! Zum Glück waren mit Lisette Oropesa, Ludovic Tézier und Juan Diego Flórez drei wunderbare Sänger auf der Bühne, die den Abend gerettet haben.

    Elisabeth Gasner

    1. Ich stimme Ihnen zu – habe die Vorstellung am 12.10.23 gesehen.
      Ich habe mich bemüht, das Bühnenbild nicht zu beachten und mich voll auf die drei Hauptsänger konzentriert. Leider war die gesangliche Darbietung von Herrn Flórez sehr bescheiden.

      L. Lagemann

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