Die Staatsoper Hamburg missachtet Kent Naganos Kräfte – und er lässt es sich gefallen... und das Publikum bekommt unterstes Mittelmaß serviert

Kent Nagano übernimmt sich komplett in Hamburg  Elbphilharmonie / Staatsoper Hamburg, 12./13. Januar 2025

Der US-Dirigent vor Demission muss binnen 33 Stunden 3 Mal in der Elphiharmonie und in der Staatsoper Hamburg dirigieren. Das Ergebnis ist, um mit Loriot zu sprechen, „übersichtlich“.

Staatsoper Hamburg/Elbphilharmonie, Hamburg, 12./13. Januar 2025

Foto: Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Elbphilharmonie, Kent Nagano, © Claudia Hoehne

von Andreas Schmidt

Es hört sich an wie ein schlechter Witz und ist ein Affront gegen das Publikum und gegen die Musiker: Der in wenigen Monaten – zum Glück ! – scheidende US-Dirigent Kent Nagano musste am Sonntag und Montag binnen 33 Stunden 3 Mal in der Elbphilharmonie und in der Staatsoper Hamburg dirigieren.

Können da Qualität, musikalische Finesse, musikalischer Spürsinn entstehen?
Würde ein Christian Thielemann, würde ein Teodor Currentzis so arbeiten?

Allein am Sonntag musste der US-Amerikaner mit japanischen Wurzeln ab 11 Uhr in der Elbphilharmonie 2 Stunden lang (inkl. Pause) bei Olivier Messiaen (Couleurs de la Cité céleste) und Gustav Mahler (Das Lied von der Erde) den Stab führen. Abends ab 19 Uhr hatte er dann den „Fliegenden Holländer“ von Richard Wagner (2,5 Stunden ohne Pause) im Haus an der Dammtorstraße musikalisch zu verantworten.

Alle drei Werke sind musikalisch höchst anspruchsvoll – keine Haydn-Sinfonien…

klassik-begeistert begleitete alle 3 Konzerte. Zum 1. Konzert in der Elbphilharmonie folgt noch eine Rezension von Dr. Andreas Ströbl.

Den „Fliegenden Holländer“ am Sonntagabend verfolgte Johannes Karl Fischer. Hier musste Kent Nagano also SECHS Stunden nach Konzertende am Hafen in den Graben beim Gänsemarkt. Wir titelten:

„Hamburg: Kent Nagano nimmt dem Wagner-Holländer den Wind aus den Segeln.“

Lesen Sie bitte Johannes Fischers Worte:

„Eigentlich ist diese Oper getrieben von Wagners abenteuerlicher Flucht über die stürmische Nordsee  vor seinen Gläubigern – auch der junge Wagner hatte schon Geldärger – aus Riga. Nun ja, heute in Hamburg schien dieses Schiff nicht aus dem Hafen zu kommen, die Hafenpolizei leichtes Spiel zu haben. Verantwortlich dafür war vor allem eine eher leblose Orchesterleistung unter dem gemütlich dahinplätschernden Dirigat von Kent Nagano, der aus diesem energetischen Jugendwerk Wagners eher einen urlaublichen Meerblick holte.

Das wäre ja alles nicht so schlimm – in der Oper geht’s ja schließlich um Gesang und Regie. Leider ging Herrn Naganos Melodien schon in der Ouvertüre regelmäßig die Luft aus, viele der herausragenden Solisten und selbst einige Orchesterstimmen musizierten immer wieder knapp vor dem restlichen Ensemble. Sie wollten offenbar schneller. Sie wollten die stürmischen Weltmeere besegeln, anstatt mit Wagner von der Hafenpolizei Rigas drei Meter hinter Port wieder an Land geholt zu werden.“

Und genau so eine  Trilogie in 33 Stunden gab es schon Anfang letzten Jahres… will Nagano nur schnell sein Geld in Hamburg einstreichen und schnell  wieder in seine „Erst- und Zweitwohnsitze“ in Paris und San Francisco jetten? Dass dem Intendanten eh ziemlich viel Wurscht ist, ist seit Jahren bekannt – auch er geht Ende der Saison, leider VIEL zu spät.

Georges Delnon und Kent Nagano haben – maßgeblich – den fortschreitenden und nachhaltigen Niedergang der Staatsoper Hamburg zu verantworten, ein Opernhaus, dass bisweilen nur rund 25 Prozent voll zahlende Gäste hat. Das Hauptmanko der beiden Herren: Sie haben das Haus und das Orchester nicht mit Fingerspitzengefühl, mit Engagement und mit Präsenz geführt. „Sie sind irgendwie da, aber im Wesentlichen nicht“, sagte mir vor einem Jahr ein Orchestermitglied.

Delnon und Nagano haben sehr viel verdient und sehr wenig geleistet. Sie waren das schlechteste Duo, das die Hamburgische Staatsoper je hatte.

Der Dirigent Kent Nagano im Super-Stress 18./19. Februar 2024, Elbphilharmonie, Staatsoper Hamburg

Ich komme gerade aus dem 2. Elbphilharmonie-Konzert unter Naganos Dirigat zurück: das 5. Philharmonische Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters, dessen Chef Nagano nicht mehr lange ist.

Zu hören waren 18 Minuten von Olivier Messiaen, dessen Schüler Nagano war und in dessen Wohnung er auch einmal lebte. Es ist keine Musik.
Es ist Lärm, den jeder Musik-Student heute mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (ChatGPT) produzieren kann. Einfach nur grausam.

20 Prozent ! der Abonnenten und Zuschauer waren ob des Programmes gar nicht erst in die Elphi gekommen. Der Applaus war kurz und hanseatisch zurückhaltend. Nagano blickte während der 18 Minuten nicht EINmal zu den Musikern und war mit der Partitur beschäftigt. (Ich konnte den US-Amerikaner den ganzen Abend frontal mit freiem Blick bei der Arbeit zusehen.)

Schade und ärgerlich, die Zeit mit einem Stück zu verbringen, dass nur Hartgesottene hören wollen!

„Das Lied von der Erde“ von Gustav Mahler ist hingegen ein überirdisch schönes, elegisches Werk, eine Jahrhundertkomposition mit vielen Farben, Feinheiten, Facetten.

Dieses Werk kannte Nagano etwas besser. Allein, sein Dirigat blieb lasch und lau… und immer wieder sehr unpräzise. Es scheint dem US-Amerikaner wurscht zu sein, dass es des öfteren zu früh oder zu spät Einsätze gibt. Das an diesem Abend sehr gute Philharmonische Staatsorchester Hamburg mit wunderbaren Solo-Passagen des Konzertmeisters Konradin Seitzer nahm den scheidenden Boss zum Glück nicht allzu Ernst und entfleuchte dem Werk im Sinne Gustav Mahlers seine Blüten, seine Traurig- und Heiterkeiten.

Von den Gesangssolisten reden wir lieber nicht, eine Zuschauerin nannte sie liebevoll „Walrosse“.

Dass ein Generalmusikdirektor wie Nagano, unlängst eine schwerste Krankheit überwunden habend, mit 73 Jahren so eine Dirigats-Tortur nicht (mehr) mit links einsteckt, no na, leuchtet ein. Der US-Amerikaner sprach in seiner Hamburger Anfangszeit von der „Musikstadt Hamburg“. Schönes US-PR-Deutsch, fürwahr, aber wie soll die zweitgrößte deutsche Stadt „Musikstadt“ werden, wenn ihr Generalmusikdirektor binnen 33 Stunden in 3 Dirigaten nur unterstes Mittelmaß – wenn überhaupt – produziert?

Andreas Schmidt, 13. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Staatsoper Hamburg, 12. Januar 2025

Auf den Punkt 40: Perfect Match… Vorsicht bei Kontaktanzeigen Staatsoper Hamburg, 8. Januar 2025

 

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