Foto: (c) Foto-Fritzsche Köthen, BachCollectiv
Köthener Bachfesttage, 31. August bis 2. September 2018
Folkert Uhde Intendanz, Midori Seiler Violine und Leitung BachCollectiv, Valer Sabadus Countertenor, Terry Wey Countertenor, Dorothee Oberlinger, Blockflöte, Cinque Cento – Renaissance Vokal , Miriam Feuersinger Sopran, Petra Müllejans, Violine, Sergey Malov, Cello, Ragna Schirmer Klavier u.v.a.
von Guido Müller
Mit einem glänzenden Abschiedskonzert in der Bachkirche St. Agnus in Köthen ging am Sonntag das sehr gut besuchte Bachfestival in Köthen im Musikland Sachsen-Anhalt zu Ende.
Herausragende Spitzenkräfte der Alte-Musik-Szene geben sich bei den drei Brandenburgischen Konzerten Nr. 2, 4 und 5, die besser Köthener Konzerte hießen, und drei virtuosen Bach-Arien ein Stelldichein: Midori Seiler, Valer Sabadus, Dorothee Oberlinger, Flóra Fábri (Cembalo), Clara Blessing (Oboe), Mercedes Ruiz (Violoncello), Johanna Bartz (Traversflöte) und Wolfgang Gaisböck (Trompete). Zusammen bilden die leitenden Mitglieder solcher Ensembles wie der Akademie für Alte Musik Berlin, des Freiburger Barockorchesters, Concerto Köln – fast alle Professoren ihrer Instrumente und teilweise selbst Festivalleiter – das 2016 gegründete BachCollectiv. Lauter Best of Bachs waren hier zu hören.
Schon beim Eröffnungskonzert am 29. August und beim Kantatenkonzert am 31. August in der St. Jakobskirche war das Instrumentalensemble zu hören. Außer dem 1. Brandenburgischen Konzert für zwei Jagdhörner, drei Oboen, Fagott, Violino piccolo und Streicher in F-Dur war am 31. August dort Bachs eigene Bearbeitung von Pergolesis Stabat Mater mit deutschem Text für Sopran und Alt mit Streichern und Basso continuo „Tilge, Höchster, meine Sünden“ zu erleben.
Traumhaft verbanden sich die Stimmen der beiden Countertenöre Valer Sabadus und Terry Wey in den Duetten und strahlten in den Arien. Erstaunlich wie sich der Lutheraner Bach hier die Musik des katholischen Neapolitaner Opernkomponisten aneignet und überformt.
In der abschließenden, von der Sopranistin Miriam Feiersinger überirdisch schön gesungenen Leipziger Solokantate „Falsche Welt, dir trau ich nicht“ hat Bach den ersten Satz des Brandenburgischen Konzertes Nr. 2 als einleitende Sinfonia wieder verwandt.
Dem vorausgegangen war in der Schlosskapelle das Konzert mit Bearbeitungen von Bachs Triosonaten für Orgel in einer neuen Fassung für Blockflöte und Cembalo von Dorothee Oberlinger. Den hervorragenden Cembalopart und Solowerke für Orgel spielte Peter Kofler aus München in beeindruckender Perfektion. Die abschließende Zugabe mit Oberlingers Version der Bach-Bearbeitung eines Oboenkonzerts des Italieners Marcello für Blockflöte und Cembalo bot die passende Überleitung zu Bachs Bearbeitung des Pergolesi-Werks.
Den Höhepunkt der modernen Bearbeitungen von Bach-Werken bildete bei den Festtagen die durch Folkert Uhde initiierte dreidimensionale Version der Goldberg-Variationen für Violine und Viola (Georg Kallweit), Harfe (Margret Köll) sowie Cembalo und Orgel (Elina Albach) in St. Agnus am Abend des 1. September. Als Clou wirkte in der letzten „Kraut und Rüben“-Variation Terry Wey mit seinem Cinquecento Ensemble mit. Dieses zweite „Residence-Ensemble“ der Bach-Festtage neben dem BachCollectiv bildet ein besonderes Alleinstellungsmerkmal dieses Bachfestes. Zudem wird es durch renommierte Künstler der Generation um die 30 bis 40 Jahre geprägt, so wie Bach mit 32 Jahren sein Amt in Köthen antrat. Gegen das biedere Image des Thomaskantors sollen hier auch Gegenbilder geliefert werden.
Der Zahl drei hatte auch die in Halle lebende Pianistin Ragna Schirmer zum 333. Geburtstag Bachs, Händels und Scarlattis hintersinnig launig ihr Programm am Vormittag des 2. September im J.-S.-Bach-Saal des Schlosses gewidmet. Ein Höhepunkt ihr pianistischen Kunst war die berühmte Chromatische Fuge in d-moll BWV 903 zum Abschluss.
Außer den in Köthen geschriebenen Brandenburgischen Konzerten von 1721 erklangen auch vollständig die berühmten Cellosuiten, hier in einer Spitzeninterpretation dargeboten auf dem Violoncello da spalla von Sergey Malov aus St. Petersburg im Roten Zimmer des Schlosses, wo Bach selbst wohl auf diesem Instrument und dem Cembalo vor dem Fürsten Leopold gespielt hat. Petra Müllejans, die Konzermeisterin des Freiburger Barockorchesters, und Sabine Bauer musizierten herausragend sämtliche ebenfalls in Köthen komponierten Sonaten Bachs für Violine und Cembalo. Eine Gesamtaufnahme liegt ganz neu auf CD vor.
Nick Gerngroß aus Köthen, Cembalo, Friederike Merkel, Blockflöte, und Antje Nürnberger, Cello, interpretierten auf hohem Niveau Trio-Sonaten vom Vater und Sohn Carl Philipp Emanuel Bach ebenfalls im Roten Zimmer.
Im gerade restaurierten Spiegelsaal des Bach-Schlosses, ein weiterer authentischer Ort, wurde am 1. und 2. September eine Geburtstagskantate Bachs für den Fürsten Leopold von 1718 „Der Himmel dacht‘ auf Anhalts Ruhm und Glück“ (BWV 66a) rekonstruiert und geleitet durch Alexander Grychtolik, mit szenisch-kostümierter Darbietung dieser Tafelmusik lebendig und klangschön gespielt und gesungen von Gudrun Sidonie Otte und Dina König mit der Deutschen Hofmusik. Den Namen dieses Alte-Musik-Ensembles sollte man sich merken. Es gibt bereits einige sehr schöne Bach-CDs von ihnen.
Immer wieder lobten Besucher zu Recht das ausgezeichnete und äußerst informative Programmbuch von Bernhard Schrammek und die persönliche Atmosphäre des kleinen, aber feinen Festivals der kurzen Wege. Dem ganzen Team um den Intendanten Folkert Uhde ist für ein perfekt organisiertes Festival zu danken.
Anfang September 2020 finden die nächsten Bach-Festtage in Köthen statt. Abgerundet wird es durch ein gelungenes Schlossfest mit Mitmachfaktor für die ganze Familie, so dass der eine ins Konzert gehen und der andere die Darbietungen im Schlosshof und die kulinarischen Genüsse sowie feinen Saale-Unstrut Weine und einheimischen Biere und Brände genießen kann.
Den Termin sollte sich jeder Alte-Musik-Freund unbedingt vormerken. Das ganze Jahr über finden in Köthen, das nicht weit südlich von Berlin entfernt liegt, hervorragende Bach-Konzerte statt, die einen Besuch der schönen, nicht kriegszerstörten kleinen barocken Residenzstadt lohnen. Der lässt sich gut mit einem Besuch von Wittenberg, Dessau-Wörlitz, Bernburg oder der Händelstadt Halle (Saale) kombinieren.
Guido Müller, 3. September 2018, für
klassik-begeistert.de