Les Contes d´Hoffmann © Karen Almond / Met Opera
Strahlende Stimmen lassen das olympische Opernfeuer auch in New York weiterbrennen.
Nun ja, was soll man über Les Contes d’Hoffmann an der New Yorker Met sagen? Gesanglich strahlen an allen Ecken brillante Stimmen durch den Saal, Pretty Yendes Antonia singt auch einen souveränen Benjamin Bernheim in Grund und Boden. Aus Salzburger Regie-Sicht ist Jacques Offenbachs Oper in New York allerdings kaum wiederzuerkennen. Eine Met-Experience der allerersten Klasse.
Les Contes d’Hoffmann
Musik von Jacques Offenbach
Libretto von Jules Barbier und Michel Carré
Metropolitan Opera, New York, 24. September 2024
von Johannes Karl Fischer
Nach einer genialen, kontrovers diskutierten Salzburger Hoffmann-Neuinszenierung blickt die Offenbach-Welt nun nach New York. Ein Blick auf den Besetzungszettel verrät die Ansprüche, zwei Hauptrollen hat die Met aus Salzburg quasi eingeflogen. An diesem Haus nichts Neues, gesanglich steht man den Sommerfestspielen an der Salzach um nichts nach!
Nun ja, was soll man sagen? Jacques Offenbachs Oper ist kaum wiederzuerkennen. Hat Bartlett Sher hier etwa ein anderes Werk inszeniert? An ein für die Abstellkammer reifes Lustspiel kann ich mich aus Salzburg nicht erinnern… und eigentlich ist Hoffmann auch keine 0815-Oper. Aber Opernregie besteht hier wohl aus opulenten Bühnenbildern, dazu ein paar Showgirls in Reizunterwäsche. Das New Yorker Publikum liebt’s und entbrennt nach jeder zweiten Arie in furiosen Applaus. Ach so, und jeder halbgehobene Rock auf der Bühne führt natürlich stramm zu kicherndem Gelächter im Saal. Sonst wär’s auch nicht die Met.
Egal, nun zur Musik: Benjamin Bernheim erwies sich einmal mehr als selbstsicherer und souveräner Hoffmann. Zwar lebte er dessen Verliebtheit nicht so intensiv aus wie in Salzburg, eine starke emotionale Entfaltung hätte diese Regie aber auch nicht vertragen. Die gesanglichen Herausforderungen erledigte er mühelos und mit operettenhaften Leichtigkeit, die Spitzentöne schmetterte er souverän in den Saal!
Völlig unbeeindruckt der eher flachen Regie brillierte Christian van Horn in den Rollen der vier bösen Bässe und Gegenspieler Hoffmanns. Seine Rollen lebte er voller Stolz und Inbrunst als stimmstarker, bühnenpräsenter Antagonist, als wäre er Herrscher der Handlung und des Hauses zugleich!
Mit viel szenischem Humor und brillantem Tenor spielte Aaaron Blake die vier Dienerrollen, sein von der Regie in eine Art Witzfigur transformierter Frantz erweckte einen insgesamt sehr statischen Antonia-Akt eigenhändig zum Leben.
Moment… eigenhändig, da hätte ich doch beinahe die gesangliche Siegerin des Abends vergessen! Denn mindestens der zweite Akt, eigentlich die ganze Vorstellung, gehörte der Antonia und Stella des Abends, Pretty Yende. Mit ihrem grenzenlos fesselnden Sopran sang sie selbst ihren souveränen Tenorpartner völlig mühelos an die Wand, ihre Stimme strahlte voller Liebe wie eine emotionale Sonne durch den Saal. Völlig zurecht wurde sie an allen Ecken vom Publikum gefeiert, leider hatte man ihr hier nur zwei der Sopranrollen überlassen. Sie hat auch schon alle vier gesungen…
Fast noch ein wenig intensiver sang Clémentine Margaine eine ebenfalls souveräne Giulietta. Mit ihrem mächtigen Mezzo spielte sie eine äußerst dominante Kurtisane, gesanglich wie szenisch hatte die das Geschehen fest im Griff. Als Olympia sprang Erin Morley atemberaubend in den schwindelerregenden Höhen ihrer Koloratur-Rolle wie eine gesangliche Trapeztänzerin umher, das war eine absolute Showstopper-Leistung der sopranistischen Gesangskunst!
Auch Vasilisa Berzhanskaya überzeugte als ausdrucksstarke Muse/Nicklausse. Ein wenig musste sie erst in die Gänge komme, im Laufe des Abends konnte sie allerdings die volle Wärme ihres emotionalen Mezzosoprans immer stärker entfalten. Die Nebenrollen waren alle souveräne besetzt und kamen den Erwartungen dieses Hauses mehr als gerecht. Hervorzuheben wäre vor allem Bradley Garvin als äußerst stimmstarker Crespel/Luther, auch an diesem Haus standen diese beiden Rollen im Gegenüber von Herrn van Horn dessen deutlich größeren Partien stimmlich um nichts nach.
Eine routiniert souveräne Leistung des Orchesters unter der Leitung von Marco Armiliato komplettierte den musikalisch exzellenten Opernabend am Lincoln Center. Flott und federleicht tanzten sie durch die Partitur, als würden sie selbst auf der Bühne stehen und jusqu’au matin ihren Wein genießen!
Gesanglich erwies sich die Metropolitan Opera wieder einmal als absolute Spitze der internationalen Opernliga, Konkurrenz belebt auch das Geschäft in Salzburg. Eine etwas lebhaftere Inszenierung würde die New Yorker – und allgemein amerikanische – Opernszene etwas spannender machen.
It’s time for the Met to take the plunge and bring on stagings as exciting as the rest of the Big Apple!
Johannes Karl Fischer, 25. September 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Herr Fischer, Sie waren tatsächlich in der Aufführung, das glaube ich nicht. Hören Sie nicht, hören Sie falsch, haben Sie wenig Ahnung? Nichts, was Sie schreiben, entspricht den Tatsachen. Schade!
Lisa Triangel
Ein genialer „Hoffmann“ in Salzburg ? – ich habe ihn nicht gesehen, ja sehr sehr wenig davon gesehen – obwohl im TV übertragen – denn diese Inszenierung war für mich leider gänzlich unerträglich. Glücklicherweise bin ich erlöst! Von einer glanzvollen und wunderbaren Inszenierung an der Met – zudem von brillianter Gesangskunst und einem hervorragenden Orchester samt Dirigenten begleitet. Bin glücklich, dass ich in meinem Leben nicht auf unsägliches Regietheater im deutschsprachigen Raum angewiesen bin, sondern nun seit einigen Jahren meist wundervolle Operninszenierungen aus der Met erleben darf. Auch diese Inszenierungen sind modern – hier besonders im Antonia-Akt, der wenig mit Ausstattung dafür um so mehr mit Farben arbeitet. Dann gibt es auch Opulenz – aber das gehört zur Oper dazu. Ganz wichtig – schon oft und ganz besonders auch mit der Aufführung von „Hoffmanns Erzählungen“ an der Met wurde endlich diese Oper bis ins Detail verständlich, klar, kongenial – man kann sich eigentlich keine bessere Inszenierung vorstellen. Ein Fest für Augen und Ohren. Danke Met!
Marina Weiss