SF Hoffmanns Erzählungen © Monika Rittershaus
Mit dieser genialen, die halbe Welt erklärenden Hoffmann-Inszenierung gelingt in Salzburg ein regelrechter Paukenschlag in Sachen Regiekunst. Auch musikalisch war es ein Abend der absoluten Extraklasse, vor allem Kathryn Leweks souveräne Darbietung der vier Sopran-Partien wurde zum regelrechen Showstopper!
PREMIERE
Les Contes d’Hoffmann
Musik von Jacques Offenbach
Libretto von Jules Barbier und Michel Carré
Großes Festspielhaus, Salzburg, 13. August 2024 PREMIERE
von Johannes Karl Fischer
Hoffmann schläft auf seinem Einkaufswagen… offenbar ist der Dichter in dieser Inszenierung mittellos und ohne festes Obdach. Doch halt, was ist das? Der gleiche Poet im zweiten Akt nun inmitten eines opulent geschmückten Hauses samt Flügel im Wohnzimmer? Alles Teil einer fantastischen, die ganze Welt erzählenden Opern-Inszenierung.
Mit dieser genialen Hoffmann-Regie in Salzburg bringt Mariame Clément in einzigartiger Weise quasi alle gesellschaftlichen Schichten und Situationen in einem Atemzug auf die Bühne. Simultanszenen – links werden Hoffmanns Liebesgeschichten verfilmt, rechts schaut das Bierkneipenpublikum auf einem Bildschirm zu – fügen sich mühelos zu einem einzelnen regietechnischen Gesamtkunstwerk zusammen, dass man aus einer Oper gleich die ganze Welt versteht. Diese Regie entdeckt völlig neue Seiten dieses eigentlich eher leichtherzigen Bühnenwerks!
Benjamin Bernheim erwies sich einmal mehr als souveräner und ideal besetzter Hoffmann. Zwischen dem stets spaßig gehaltenen Kleinzack-Lied steckte eine ordentliche Priese seiner intensiven Verliebtheit drin, man spürte Hoffmanns brennende Emotionen auf ganzer Strecke. Die operettenhafte Leichtigkeit hatte er dennoch nie verloren, inmitten humorvollen Melodien schmetterte er die Spitzentöne immer wieder souverän in den Saal!
Zum Highlight des Abends wurden allerdings Kathryn Leweks Sopran-Partien, die ganz im Offenbach’schen Sinne auch alle vier von Hoffmanns Geliebten sang. Schon ihre Olympia-Arie war ein atemberaubender gesanglicher Showstopper, wie eine sängerische Stabhochspringerin tanzte ihre Stimme schwerelos in den himmlischen Höhen ihrer Koloraturen umher. Kann aus dieser scheinbar aus allen musikalischen Schwerekräften befreiten Olympia auch eine ausdrucksstrake Antonia werden? Meine Ohren wollten es nicht glauben, als ihr Sopran nun mit intensiver Lyrik einen an die Stuhlkante fesselte. Auch ihr Gesang in der berühmten Barcarolle eroberte die Ohren und Herzen des Publikums, insgesamt ging sie in in allen vier Rolle als glorreiche gesangliche Siegerin vom Platz!
Einen richtig starken Abend hatte auch Christian van Horn in den Rollen der vier bösen Bässe und Gegenspieler Hoffmans. Sein röhrender, stimmstarker Bass sorgte für einen äußerst bühnenpräsenten Antagonisten. Wie ein frecher Dämon stand er stets am rechten Ort, um Hoffmann das Leben schwer zu machen, stimmlich bot er dem Tenor deutlich die Stirn. Mit viel Humor in Szene und Stimme spielte Marc Mauillon die vier Dienerrollen, sein spaßiger Tenor jonglierte die Noten wie den Schaum auf dem Bierglas. Solche leichteren Charaktertenöre fehlen in der Opern-Szene im Moment an allen Ecken und Enden der Opernwelt… vielleicht mal Zeit für einen Loge?
Kate Lindsay erledigte ihre Rolle der Muse/Nicklausse ebenfalls souverän und mit präsenter Stimme, an der einen oder anderen Stelle fehlte mir etwas die liebevolle Seite in ihrem Gesang. Sorry, aber gerade in der Barcarolle – ein mentaler Mitsingmoment für sicherlich einen Großteil des Publikums – fand ich die Nuit d’amour ein wenig zu vibratoreich und ein bisschen zu wenig „belle“, wie sie aus dem Libretto hervorgeht.
Die Nebenrollen waren alle sehr stark besetzt und auch einer Salzburg-Premiere mehr denn würdig. Mal wieder das klassische Luxus-Dilemma dieser Festspiele… quasi alle hier in den Nebenrollen besetzten SängerInnen wären an fast allen anderen Häusern in den Hauptrollen ihres Fachs die umjubelten Stars des Abends.
Hervorzuheben wären trotzdem Jérôme Varnier als äußerst stimmstarker Crespel/Meister Luther, gerade im Gegenüber mit Herrn van Horn stand er der deutlich größeren Rollen stimmlich um nichts nach. David auf gesanglicher Augenhöhe mit Goliath… Auch Géraldine Chauvets Mezzosopran in der Rolle von Antonias Mutter strahlte warm im Raum, als würde die Flügel einer Engelmutter ihr Kind umarmen.
Ein weiterer Leuchtturm dieser herausragenden Hoffmann-Vorstellung war die Leistung der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Marc Minkowski.
Das erst vor wenigen Tagen in üppigen Mahler-Klängen schwebende Orchester legte in allen Szenen ein perfekt ausgewogenes Klangpolster unter die Bühne und begleitete mit leichten, luftigen Klängen. Brummende Bässe und schwingende Posaunen sorgten im Graben stets für schwungvolle Stimmung, als würde man regelrecht zum Tanz mit der Bühne einstimmen. Auch der Chor erledigte seine Aufgabe gewohnt souverän wie wandelbar in allen Akten und Erzählungen.
Mit dieser genialen Hoffmann-Inszenierung gelingt in Salzburg ein regelrechter Paukenschlag in Sachen Regiekunst. Auch eine herausragende Leistung von Gesang und Orchester bringt diese Aufführung an die Weltspitze der Opernliga… wo bitte kann man eigentlich innerhalb drei Tagen so einen tiefgründigen Mahler und solch locker-flockigen Offenbach hören? Nirgends, sowas geht eben nur in Salzburg!
Johannes Karl Fischer, 16. August 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wolfgang Amadeus Mozart: „Don Giovanni“ Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 11. August 2024
Waren die bisherigen sehr negativ urteilenden Kritiker in einer anderen Vorstellung ?
Hartmut Funke
Ich war nicht in Salzburg, habe aber die Fernsehübertragung von „Hoffmann“ nach 30 Minuten abgestellt, zumal es auch mich persönlich musikalisch nicht begeistert hat.
Klaus Keßler
Diese Rezension ist ein Witz. So einen Wirrwarr als „genial“ zu bezeichnen, ist vollkommen absurd. Die Dame hat das Stück nicht verstanden, und Sie auch nicht, werter Herr Fischer.
Ein Paukenschlag, ja, aber anders als Sie meinen!
Ingeborg Raffelsberger