Meine Lieblingsmusik, Teil 25: Die wunderschöne Kammermusik von Anton Arensky schlägt mich sofort in ihren Bann.

Meine Lieblingsmusik, Teil 25: Die wunderschöne Kammermusik von Anton Arensky  klassik-begeistert.de

von Dr. Lorenz Kerscher

Foto: Otkrytoe Pismo Antonij Arensky Postcard – 1910

Klaviertrio d-moll, op. 32 (1894)

Mag sein, dass mir der Name des russischen Komponisten Anton Arensky (1861 – 1906) früher schon einmal begegnet ist, aber seine Musik kannte ich nicht, bis ich bei einem Konzert des Münchner Festivals Stars & Rising Stars im Mai 2019 sein Klaviertrio in d-moll hörte. Schon mit der sich zweimal edel aufschwingenden Melodie des ersten Themas schlug mich dieses Werk sofort in seinen Bann. Eine schöne Cellokantilene folgt als Seitenthema, dann ganz nach klassischem Formideal das Wechselspiel der musikalischen Charaktere in der Durchführung. In der Reprise ziehen die schönen Melodien noch einmal unverändert vorüber, dann verklingt der erste Satz leise und schwermütig mit dem verlangsamten Hauptthema.

Arensky sucht nicht nach neuen Ausdrucksmitteln, sondern ist eher ein Vollender des Geistes deutscher Romantik, vertreten etwa durch Schumann und Mendelssohn Bartholdy, die den russischen Tonschöpfern durchaus als Vorbilder dienten. So bleibt er bei dem herkömmlichen Satzschema und lässt dem Kopfsatz ein spritziges und virtuoses Scherzo mit gesanglichem Mittelteil folgen, dann eine melodische Elegie mit einem in Traumwelten emporschwebenden Zwischenspiel und schließlich ein bewegtes Finale. In freier Rondoform gehalten, beruht dieser Satz auf einem kantigen, an Brahms erinnernden Thema, das motivisch mit der Traumvision der Elegie verwandt ist. Diese klingt auch nochmals kurz an, dann folgt eine schwermütige Erinnerung an den Beginn des ersten Satzes und am Ende eine kraftvolle und herbe Schlusssteigerung.

Referenzaufnahme bei YouTube:

Klaviertrio in d-moll op. 32, Zukerman-Trio (Pinchas Zukerman, Violine; Amanda Forsyth, Cello; Angela Cheng, Klavier)

Streichquartett a-moll, op. 35 (1894)

Eine besondere Liebe zum Cello, die man schon aus dem Klaviertrio heraushören kann, bewog Arensky dann, ein Streichquartett in der ungewöhnlichen Besetzung für Violine, Viola und zwei Celli zu schreiben. Mit dunklem Klang hebt die Einleitung wie ein ernster liturgischer Gesang an, bevor das Hauptthema aufsteigt, Bewegung aufnimmt und in die tröstlichen Melodiebögen des Seitenthemas mündet. Eine fröhliche Episode beendet die Exposition, bevor die Durchführung in ganz klassischer Manier mit den Gegensätzen des gesanglichen Themenmaterials spielt.  Der Eingangschoral erklingt wieder und leitet zur Reprise über. Nach freudigem Wiedererkennen der schönen Melodien erlebt man jedoch am Ende ein melancholisches Zurücksinken in die ernste Gebetsstimmung des Anfangs.

Der umfangreiche zweite Satz dokumentiert eine besondere Vorliebe Arenskys für die Variationsform und ist in der Instrumentierung für Streichorchester auch als ein eigenes Werk erschienen. Eine schwermütige Melodie von Tchaikovsky wird abwechselnd in ruhiger und spritzig bewegter Weise umspielt und variiert, wodurch der Satz abschnittsweise auch als Scherzo fungiert. In das verhaltene Nachspiel mischt sich dann das ernste Gebet vom Beginn des ersten Satzes.

Mit zweimaliger Abfolge langsamer Kirchenmusik und einem schnell dargebotenen Volksliedthema, das man auch aus Mussorgskys Boris Godunov kennt, ist der kurze Finalsatz folkloristisch gehalten. In fast gewaltsamer Fröhlichkeit schießt das sonst überwiegend in der stimmungsvollen Dichte dunkler Töne gehaltene, formvollendete und mit schönsten Melodien gesegnete Werk.

Wenn man aus dem melancholischen Charakter dieses Quartetts schließt, dass Arenskys Leben eher unter einem unglücklichen Stern stand, findet man dies in seiner relativ knappen Biografie in Wikipediabestätigt. Nach einer unglücklichen Ehe und psychischem Leiden war sein Leben später von Trunk- und Spielsucht überschattet, bis er schließlich an Tuberkulose erkrankte und in Alter von 44 Jahren verstarb. Auch von anderen Tonschöpfern, die an Krankheit und Seelennot litten, kennt man das Wunder, dass ihre Werke die Zuhörer umso mehr beglücken.

Referenzaufnahme bei YouTube:

Quartett für Violine, Viola und zwei Celli in a-moll op. 35 (Soovin Kim, Violine; Nicholas Cords, Viola; Saeunn Thorsteinsdottir, Cello; Colin Carr, Cello)

Klavierquintett D-Dur, op. 51 (1900)

Der erste Satz dieses Werks beginnt in kraftvollem Dur mit einigen wuchtigen Klavierakkorden, anschließend intonieren die Streicher ein einprägsames Motiv, aus dem sich der ganze Satz entwickelt. Ein filigranes Seitenthema bleibt Episode, bevor sich die Durchführung nach düsterem Moll wendet, das sich für die Wiederkehr der Themen wieder aufhellt. Es folgt ein Variationssatz über eine zunächst von den gedämpften Streichern vorgetragene ruhige Melodie voller Schwermut, die dann abgewandelt, dramatisch gesteigert, zwischendurch auch tröstlich aufgehellt wird. Im Scherzo treibt der virtuose Klavierpart das Ensemble zu spritziger Heiterkeit an, der melodieselige Mittelteil bildet einen schwärmerischen Ruhepol. Das kurze Finale greift wieder die Themen des ersten Satzes auf und leitet zunächst aus dessen Anfangsakkorden ein in Moll verdüstertes Fugenthema her, das in barocker Strenge durchgeführt wird. Mit Wendung nach Dur folgt eine Reprise des Haupthemas, mit dem das Werk in beglückendem Schwung seinen Abschluss findet.

Wieder erweist sich Arensky als ein in bester Tradition verwurzelter Vollender klassisch-romantischer Form- und Klangideale. Der virtuose Klavierpart lässt ebenso an Schumann denken wie so manche Doppelbödigkeit im Ausdruck. Der Rückgriff des Finales auf Material des ersten Satzes entspricht dem Geist der von César Franckproklamierten zyklischen Form. Eine Prägung durch russische Folklore ist in diesem Werk kaum feststellbar. Unbedingt ist ihm aber zu wünschen, dass es in den Konzertsälen der ganzen Welt einen festen Platz findet!

Referenzaufnahme bei YouTube:

Klavierquintett D-Dur, op. 51 (Lim Yan, Klavier; Foo Say Ming, Violine; Lim Shue Churn, Violine; Chan Yoong Han, Viola; Chan Wei Shing, Cello)

Dr. Lorenz Kerscher, 8. Mai 2020, für
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Dr. Lorenz Kerscher

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