Großartig!!!! Das Hamburg Ballett tanzt Nijinsky wie von einer schweren Last befreit

Nijinsky, Ballett von John Neumeier  Hamburgische Staatsoper, 11. Juni 2025

Alexandr Trusch (Foto: RW)

Wir haben sie wieder, unsere herausragenden Tänzerinnen und Tänzer des Hamburg Balletts. Und gestern war nicht ein schwarzer Tag für die Compagnie, wie in einer deutschen Tageszeitung verbreitet wurde, sondern ein Glückstag, der uns froh in die Zukunft blicken lässt.

Nijinsky, Ballett von John Neumeier

Musik: Chopin, Schumann, Rimskij-Korsakow und Schostakowitsch Sinfonie Nr. 11 g-moll

Choreographie, Bühnenbild und Kostüme: John Neumeier

Philharmonisches Staatsorchester, Leitung Maria Seletskaja

Hamburgische Staatsoper, 11. Juni 2025

von Dr. Ralf Wegner

War das ein Abend. Nachdem uns gestern mit der Demission von Demis Volpi ein Stein vom Herzen fiel, zeigte uns heute das Ensemble, zu welchen außerordentlichen Leistungen es nach wie vor fähig ist. Die Tänzerinnen und Tänzer wurden am Ende mit jubelndem Beifall entschädigt und die zahlreich Alexandr Trusch zugeworfenen Blumensträuße galten wohl nicht nur seiner herausragenden tänzerischen und darstellerischen Leistung als Vaslaw Nijinsky, sondern auch seinem Mut, sich öffentlich gegen den künstlerischen Aderlass unter Demis Volpi zu stellen.

Trusch war Nijinsky, der die ganze Seelenbreite dieses dem Irrsinn verfallenden Tänzers vor unseren staunenden Augen und mitleidenden Seelen ausbreitete. Hin und hergerissen zwischen dem ihn erotisch dominierenden Serge Diaghilew und der ihn für seine Rollen bewundernden Ehefrau Romola glitt der Tänzer, psychisch deformiert, durch den aufkommenden Kriegswahn in die geistige Umnachtung. Den von Neumeier choreographierten gesellschaftlichen Zusammenbruch nahm er schon nicht mehr wahr.

Alexandr Trusch hat als Tänzer eine darstellerische Reife erlangt, die der nachwachsenden Generation noch über lange Zeit zum Vorbild dienen kann, auch wegen seines Mutes. Wenn er denn seine Kündigung zurücknimmt. Das gilt auch für Madoka Sugai, deren Darstellung als Nijinskys Schwester Bronislava sowie als junge Frau in Jeux und in Le Sacre völlig überzeugte.

Louis Musin (Goldener Sklave), Silvia Azzoni (Tamara Karsavina), Alexandr Trusch (Vaslaw Nijinsky), Anna Laudere (Romola Nijinska), Edvin Revazov (Serge Diaghilew), Madoka Sugai (Bronislava Nijinska), Aleix Martínez (Stanislaw Nijinsky), Charlotte Larzelere (Eleonora Bereda), Matias Oberlin (Thomas Nijinsky) (Foto: RW)

Wie eh und je war Aleix Martínez ein herausragender Stanislaw Nijinsky, dessen Solo im zweiten Teil sich tief in die Herzen der Zuschauer einbrannte. Das gleiche gilt auch für die Orchesterleistung unter der estnischen Dirigentin Maria Seletskaja. Wie sie das Orchester durch die Schostakowitsch-Partitur führte, war bemerkenswert. Klar und durchhörbar klang das Orchester, fast wie in der Elbphilharmonie, mit beeindruckenden dynamischen Steigerungen, die den Blick aus der ersten Loge oft in den Orchestergraben zwangen, was sonst bei Ballettaufführungen eigentlich nicht der Fall ist. Seletskaja hat lange solistisch Ballett getanzt, bevor sie sich als Dirigentin einen Namen machte.

Anna Laudere tanzte Romola, Edvin Revazov Diaghilew, Charlotte Larzelere und Matias Oberlin die Eltern Vaslaws. Silvia Azzoni beeindruckte unverändert als Tamara Karsavina und Christopher Evans als Geist der Rose. Javier Monreal war Petruschka. Man sieht, fast das ganze Ensemble war eingesetzt und gab sein bestes. Eine Rolle war neu besetzt, Evan L’Hirondelle debütierte als Léonide Massine, der sich mit kühler Berechnung Diaghilew andiente. Überwältigend tanzte Louis Musin. Wie er als Goldener Sklave durch die Luft flog und perfekte Tours en l’air zelebrierte, ging unter die Haut.

Wir haben sie wieder, unsere herausragenden Tänzerinnen und Tänzer des Hamburg Balletts. Und gestern war nicht ein schwarzer Tag für die Compagnie, wie in einer deutschen Tageszeitung verbreitet wurde, sondern ein Glückstag, der uns froh in die Zukunft blicken lässt.

Ein überglückliches Ensemble applaudiert Alexandr Trusch (Foto: RW)

Niemand sollte es versäumen, dieses ikonische Ballett von John Neumeier in der Hamburgischen Staatsoper zu erleben.

Dr. Ralf Wegner, 12. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

In der beschriebenen Besetzung wird Nijinsky noch am
Freitag, 13. Juni 2025 gegeben sowie in anderer Besetzung mit Alex Martínez und Ida Praetorius in den Hauptpartien am
Donnerstag, 19. Juni 2025 und Freitag, 20. Juni 2025.

Weitere Aufführungen gibt es während der Hamburger Balletttage sowie voraussichtlich in der kommenden Saison.

Nijinsky-Gala XLIX, Konzept und Moderation: John Neumeier, 49. Hamburger Ballett-Tage Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024

Nijinsky-Gala XLIX Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024

Ballett Nijinsky von John Neumeier Staatsoper Hamburg, 31. Oktober 2023

Nijinsky-Gala XLVIII Staatsoper Hamburg, 9. Juli 2023

48. Hamburger Ballett-Tage, Nijinsky, Ballett von John Neumeier Staatsoper Hamburg, 28. Juni 2023

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